zum Thema Plettenberger Kleinbahn gehören neben Gleisanlagen natürlich auch Fahrzeuge und dabei insbesondere die Rollwagen. Rollfahrzeuge bilden im Modellbau – verglichen mit ihrer einstigen Verbreitung und Vielfalt - eine wenig im Detail beachtete Fahrzeuggattung, und die wenigen Modellangebote, die es gibt, sind oft nicht maßstabsgetreu. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte in 1:22,5 darin liegen, dass die Fahrzeuge nach wie vor mit unmaßstäblichen Radsätzen auf ebenso unmaßstäblichen Gleisanlagen laufen sollen und deswegen enge Radien, die beim Vorbild durchaus vorkamen, ironischerweise im Modell nicht durchfahren können. Ich möchte keine Grundsatzdiskussion anstoßen, aber es irritiert mich immer wieder, dass sich so wenige Ansätze analog zu 1, 0 oder H0 pur in der Baugröße 2 finden. Wen wundert’s bei solch maßlos übersteigertem Anspruchsdenken also, dass ich mir etwas selbst stricken wollte. Zunächst aber ein paar in die Vorbildthematik einführende Sätze von Wolf Groote:
„Neben einigen größeren Rollwagenherstellern wie der Dortmunder Firma Both & Tilmann entwickelte in den 1920er Jahren auch die an der Bahnstrecke der Hohenlimburger Kleinbahn - mit einem eigenen Anschlussgleis - im Nahmertal gelegene und weitgehend unbekannte Hohenlimburger Maschinenbauanstalt Boecker & Volkenborn GmbH eine eigene Rollwagenkonstruktion, die sich u.a. durch einen patentierten Bügelpendel für die Rahmenaufhängung und eine geschlossene Drehgestellkonstruktion auszeichnete. Beschrieben wurde die Konstruktion wie folgt:

Sammlung Wolf Dietrich Groote
Bei den von uns gebauten Rollwagen – Bauart B & V – erfolgt die Rahmenaufhängung mittels patentierter Bügelpendel mit Kugellagerungen aus Stahl. Bisher allgemein verwendete Tragbolzen mit kugelförmigen Köpfen haben den Nachteil, daß die nur seitlich auflagernde Kugelzone keilartig wirkt, einen großen Flächendruck erzeugt und dadurch die Bruchgefahr des zylindrischen Tragbolzenteiles am Übergang zur Kugel vergrößert. Bei Verstärkung des zylindrischen Bolzenteiles würde auch der Kugeldurchmesser und somit auch der vorgenannte Widerstand wachsen. Ebenso kann sich in den offenen Kugelpfannen die Schmiere schlecht halten.
Bei unserer Bügelpendel-Ausführung sind die Kugeln unabhängig von den Hängebügeln und bewegen sich in geschlossenen Kugelpfannen nach untenstehender Abbildung. Die Kugeldurchmesser können verhältnismäßig klein bemessen werden, Flächendruck und Widerstand werden entsprechend geringer. Die Schmiere hält sich besser in den Kugelpfannen. Infolge der Unabhängigkeit der Hängebügel von den Kugeln können erstere unbedingt betriebssicher bemessen werden. Die in den Rahmen-Querträgern fest gelagerten Drehgestell-Drehzapfen bewegen sich in Kugellagerungen der Drehgestelle, wodurch eine große Lebensdauer der Drehzapfen mit Zubehör und damit erhöhte Betriebssicherheit erreicht wird.
Die Achslager sitzen in besonderen Halteschuhen, wodurch ein leichter Aus- und Einbau derselben erzielt wird. Die Drehgestelle sind oben vollständig geschlossen, die oberen Deckplatten überdecken auch die Laufräder mit Bremseinrichtung und dienen somit gleichzeitig als Kotfangbleche. Trotz der geschlossenen Bauart sind die Teile, die dem Verschleiß ausgesetzt sind (Pendel-Tragbolzen mit Kugeln) leicht auszubauen. Die Schmierung ist leicht zu betätigen. Da keine Teile vorspringen, ist ein gefahrloseres Begehen möglich und eine große Betriebssicherheit beim Auffahren der Güterwagen gewährleistet. Die eingebauten Handspindelbremsen sind einfacher, zweckentsprechender, unbedingt zuverlässiger Bauart.
Luftdruck-Bremseinrichtungen lassen sich ohne Schwierigkeiten einbauen.
Mit Rollwagen „Bauart B & V“ können selbst kleinste Kurven (15 m Halbmesser) mit Sicherheit befahren werden.
Sammlung Wolf Dietrich Groote
Außer den an die HKB gelieferten Wagen sind auch entsprechende Fahrzeuge bei der Plettenberger Kleinbahn nachgewiesen. Der wesentliche Unterschied zwischen den Lieferungen an diese beiden Bahnen bestand darin, dass die HKB-Wagen bei einer Fahrbahnhöhe von 500 mm Längsträger aus Doppel-T-Profilen besaßen, während die 450 mm hohen Fahrzeuge für die PKB U-Träger hatten. Die an die HKB gelieferten Wagen sind durch entsprechende Wagenlisten alle bekannt. Eine besondere technische Neuerung stellte der Wagen Nr. 41² aus dem Jahr 1930 dar, in den als Achslager erstmalig Fischer-Rollenlager und Kupplungen mit Uerdinger Ringfedern eingebaut worden waren.

Sammlung Gerhard Moll
Eines dieser Fahrzeuge, der Wagen 46² von 1939 ist bei der Sauerländer Kleinbahn erhalten.
Die genaue Anzahl der nach Plettenberg gelieferten Wagen ließ sich bislang nicht ermitteln, aber die auf den Bildern erkennbaren Bauartunterschiede (genietet oder geschweißt) lassen in Verbindung mit den Angaben in den Geschäftsberichten der Bahn den Schluss zu, dass derartige Wagen noch bis 1959 beschafft worden sind.
Eigentlich mehr durch Zufall ergab sich jüngst die Möglichkeit, das noch existierende Zeichnungsarchiv der Firma, die vor rd. zehn Jahren Insolvenz anmelden musste, nach Zeichnungen von diesen Fahrzeugen zu durchsuchen. Dies war allerdings im wahrsten Sinne des Wortes die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen – es galt, einen Bestand von mehr als 40.000 Zeichnungen, für die es kein Verzeichnis gab, das den Bestand erschlossen hätte, zu durchforsten. Eine Einstiegshilfe waren einige Zeichnungsnummern von den wenigen Blaupausen, die 1983 aus den Unterlagen der Hohenlimburger Kleinbahn hatten übernommen werden können. In insgesamt drei Anläufen wurde der Zeichnungsbestand durchgesehen und es konnten für insgesamt fünf Lieferungen die Konstruktionszeichnungen noch ausfindig gemacht und damit vor der Vernichtung gerettet werden. Der Archivbestand soll jetzt kurzfristig entsorgt werden, da keines der in Betracht gezogenen öffentlichen Archive wie das Westf. Wirtschaftsarchiv und das Westf. Industriemuseum sich in der Lage gesehen haben den Zeichnungsbestand zu übernehmen.“
Glücklicherweise konnten wir u. a. den kompletten Zeichnungssatz von 1927 eines an die Plettenberger Kleinbahn gelieferten genieteten Wagens retten, der unverändert bis zur Betriebseinstellung existiert haben dürfte, wie ein Foto aus den letzten Jahren der Bahn nahelegt. Eine Aufnahme unserer Archivsuche möchte ich nicht vorenthalten.
Es reizt natürlich, diesen komplett dokumentierten Wagen im Modell umzusetzen, zunächst interessierte mich aber ein Fahrzeug aus der letzten Lieferung an die PKB. Leider waren jedoch keine Zeichnungen zu den auf einigen Fotos zu erkennenden geschweißten, 8,70 m langen Rollwagen zu finden, wie ihn z.B. diese Aufnahme eines kleinen Entlademissgeschicks zeigt:

Sammlung Albrecht Kühne
Das legt die Vermutung nahe, dass diese Fahrzeuge unter Verwendung von Zulieferteilen von B&V und ggfls. eines Stahlbauers in den Werkstätten der Kleinbahn selbst gebaut wurden und unter den Nummern 26 und 28 eingereiht wurden. Aufschluss hätten vielleicht noch die Auftragsbücher von B & V liefern können, die jedoch aufgrund eines Wasserschadens in nicht mehr außer Gefahr für Leib und Leben nutzbarem Zustand waren und zwischenzeitlich entsorgt wurden.
Bei der Entwicklung des Modells der geschweißten Bauform, die mich wegen der einfacheren Umsetzbarkeit gegenüber einem genieteten Wagen und als das vermeintlich technisch und bezüglich der zeitlichen Einordnung in den letzten Betriebsjahren „Uninteressantere“ besonders interessiert, war ich also auf die vorhandenen Fotos in Verbindung mit den Konstruktionsmerkmalen der älteren, genieteten Bauformen angewiesen. Mein besonderes Anliegen galt hierbei der konsequent maßstäblichen Umsetzung – einschließlich des Fahrwerks und der besonderen Konstruktionsmerkmale.
Die Konstruktion des Modells ist mittlerweile abgeschlossen – abgesehen von der einen oder anderen Anpassung an fertigungstechnische Vorgaben. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Frithjof (fspg2) und Helmut Schmidt (dito), die mir durch ihre langjährige Erfahrung als Modellbauer und Fräskünstler wertvolle Hinweise zur Machbarkeit und Herangehensweise gegeben haben und mich auch beim laufenden Projekt unterstützen – und bei Wolf, ohne dessen teilweise schon Jahrzehnte zurückliegende Sammel-, Sichtungs- und Forschungsarbeit das Projekt in dieser Form nicht möglich wäre.
Ich zeige Euch als kleinen Vorgeschmack eine Gesamt- und eine Transparenzansicht des Wagens, bei der das Drehgestell besser erkennbar wird. Mal sehen, ob es nach all den großen Worten dann auch weiter geht ...


Schönen Gruß
Volker