Kamerawagen - Konzeption & Konstruktion

Umbauten von Industriemodellen und Bausätze von Fahrzeugen

Moderator: Martin Ristau

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bahnrolli
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Kamerawagen - Konzeption & Konstruktion

Beitrag von bahnrolli »

Guten Morgen in die Runde,

bevor ich mit meinen Weihnachtsbasteleien :) weitermache, an der Stelle erst mal der Wunsch für ein gesundes Neues Jahr mit vielen Ideen und Begegnungen, dass es ein gutes Jahr werden möge :) .

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Kurze Einleitung: Ich weiß nicht, ob ich hier im richtigen Unterforum gelandet bin, da es sich ja nicht um einen kompletten Selbstbau handelt - ich hatte aber kein passenderes gefunden. Deshalb an die Paten - falls notwendig, bitte verschieben ;)

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Über Weihnachten habe ich Zeit gehabt, verschiedene liegen gebliebene Sachen aufzuarbeiten, darunter auch einen Kamerawagen mit einer Kurvensteuerung zusammenzubauen. Das Projekt schwirrte mir ja schon eine Weile durch den Kopf und in Schkeuditz hatte ich schon mal damit begonnen, allerdings war die Lösung bei weitem noch nicht das, was ich mir darunter vorstellte. Aus Erfahrungen lernt man ja bekanntlich und so begann ich erst mal sowas wie ein "Pflichtenheft" zu erstellen, um die Anforderungen an die Technik zu formulieren bzw. schon Hinweise darauf zu bekommen, wie es sich am besten lösen läßt.

1. Was möchte ich?

1.1. Videoaufnahmen machen, die in der Ebene der zu betrachtenden Technik liegen.
Wir als normal groß gebaute Menschen ;) haben (fast) immer nur die Draufsicht, die der Realität am wenigsten entspricht (oder wer hat schon die Möglichkeit, sich das "Original" ständig mit einem Hubschrauber ansehen zu können ;) ). Reizvoller sind deshalb Aufnahmen, die dem normalen Blickwinkel entsprechen bzw. aus der Ebene der Objekte entstehen - getreu dem Motto - nicht das Motiv sollte zum Betrachter, sondern der Betrachter sollte zum Motiv kommen.

1.2. Die Videoaufnahmen sollten mehr den Sehgewohnheiten entsprechen
Die Schkeuditzer Aufnahmen von 2004 offenbarten den Mangel, dass bei Kurvenfahrten die Kamera immer noch geradeaus gerichtet war und (für den Betrachter zumeist überraschend) dann in die Kurve eingefahren wurde, wobei aus Kamerasicht her nicht in die Kurve, sondern weiterhin geradeaus geschaut wurde. Die Sichtachse der Kamera bildete eine Tangente zum gefahrenen Kreis. Das entspricht aber nicht unseren Sehgewohnheiten. Wenn wir wissen, dass wir in eine Kurve fahren, richtet der Mensch instinktiv seinen Blick dorthin, wo er hingelangen möchte. Das ist dann nicht die Tangente des Kreise, sondern eine Sehne, es sei denn, er legt es darauf an, aus der Kurve rauszufliegen :D . In der Automobilindustrie gibt es ähnliche Bestrebungen/Entwicklungen -> Stichwort Kurvenlicht -> erster Lösungsansatz...;)

1.3. Schnelle Umstellungsmöglichkeit bei wechselnden Aufnahmesituationen
Da ich nur mit Stativ filme, befindet sich an der Kamera ein Schnellspannschuh, womit die Kamera schnell auf den Stativkopf aufgesetzt werden kann. Diesen Schnellspannschuh möchte bei der zu ermittelnden Lösung berücksichtigt wissen. Mit anderen Worten, ich möchte nicht erst ewig bauen müssen, um von einer Kameraposition in eine andere zu kommen, denn ansonsten besteht die Gefahr, dass das zwischenzeitlich reizvolle Motiv dann weg ist.

1.4. Leichtgängigkeit(!!!)
Die Technik sollte leichtgängig bzw. leicht auszulösen sein, damit bei Kurvenfahrten sowie bei Weichenstraßen keine Entgleisungsgefahr besteht, denn die verwendete Kamera wiegt immerhin ca. 1 kg.

1.5. Es sollte vorhandene Technik genutzt werden.
Etwas Eigenständiges zu bauen, überfordert nicht zuletzt aufgrund der begrenzten körperlichen Gegebenheiten schnell mal meine Möglichkeiten ;) Zudem sollte ich eben wegen jener Einschränkungen die Technik selbst beherrschen können (eine Überlegung, die sich sicherlich nicht jeder stellen braucht - aber in meinem Fall mußte sie halt sein). Zudem ist das dann auch eine finanzielle Frage.

1.6. Die so gewonnenen Aufnahmen sollten dem übrigen Standard des Filmes entsprechen.
Ich hatte in den früheren Schkeuditz-Filmen auch schon Kameramitfahrten eingearbeitet, allerdings waren die bedingt durch die geringe Auflösung der kleinen Kameras schärfen- bzw. farbtechnisch nicht das Gelbe vom Ei. Das Optimum wäre also Aufnahmen mit der Kamera, mit der ich den übrigen Film erstelle. Dies hat zudem bei der Bearbeitung des Filmes den Vorteil, dass solche sensiblen Eingriffe wie Farbkorrektur oder Schärfen(nach)regulierung nicht notwendig werden, was zuweilen sehr zeitaufwendig ist und nicht immer vom gewünschten Erfolg gekrönt ist.

1.7. Last but not least:
Die verwendete Lösung sollte in das bestehende Lichtraummaß passen, denn irgendwann kommt ja auch mal ein Tunnel (habe ich mir zumindest sagen lassen :D ....)

2. Lösung

Damit waren die Aufgaben formuliert und ich begab mich auf die Suche nach möglichen Lösungsansätzen. Kurvenlicht war auf jeden Fall ein Gedanke, die sinnvolle Anwendung der Hebelgesetze ein anderer. Da kam mir ein altes Kinderspielzeug in den Sinn, was sich für meine Begriffe zum Experimentieren hervorragend eignen müßte - der Stabilbaukasten :) . Mit seiner Vielzahl an verschiedenen Bauteilen (Grundplatten mit Rastermaß, Profilen in den verschiedensten Ausprägungen, verschiedene Materialien usw.) wäre er eine optimale Möglichkeit zum Probieren. Ich machte mich auf den Weg und nach 4 Läden (ist gar nicht so einfach, das "gute alte" Kinderspielzeug zu bekommen, eine Playstation, Weltraumkriegsschiffe oder Playmobilfiguren hätte ich da eher bekommen können ;) ) stieß ich dann auf einen Modellbaukasten von Eitech (in diesem Fall Construction 78 ), der mir alle Teile bot. Vor allem konnte ich erst mal probieren, weil ich immer noch keine Vorstellung darüber hatte, wie das Gerät mal aussehen sollte.

Mit dem Probieren ist dann folgende Lösung zustande gekommen:

Bild

Kurze Erklärung: Die Technik ist auf einem Rollwagen von Scheeba montiert, der aufgrund seiner Metallausführung die notwendige Masse mitbrachte. Die Kurveninformation kommt vom Drehgestell. Es erwies sich als die praktikabelste Lösung, zumal die Physik mit den Hebelgesetzen ein wenig mithilft ;) . Bei der Positionierung der Mitnehmer am Drehzapfen wären größere Kräfte zum Bewegen der Kamera nötig gewesen (oder es hätte Schwierigkeiten mit dem Lichtraummaß gegeben) und somit hätte da schnell die Gefahr von Entgleisungen bestanden. Damit ist auch klar, warum Zweiachser trotz der Deichsel bzw. Vierachser, deren Wagenkasten nur aus Plast besteht, für diese Zwecke ungeeignet waren. Damit auch Aufnahmen in sicherer Weise gelingen, kommen auf den Drehgestellen noch Bleigewichte aus meiner Taucherkiste zum Einsatz ;) , was den Wagen zusammen mit Kamera dann schnell auf eine Gesamtmasse von ca. 6 kg bringt. Die Masse hat einen anderen positiven Nebeneffekt - die Kamera bzw. der Wagen läuft ruhig, auch wenn er z.B. geschoben wird. Das kreisförmige Auflageblech mit Langloch für die "Zügel" auf der Deichsel erlaubt sogar die Einstellung einer "Kurvenvorgabe"...;)

Bild

Der Drehsattel sitzt de facto "spitzengelagert" und läßt sich trotz des Gewichts der Kamera somit leicht bewegen. Eine leichte Neigung nach vorn garantiert den richtigen Bildausschnitt :) . Die u-förmige Grundplatte steht etwas unter Spannung (die Durchbiegung des Bodens ist deutlich zu sehen), das garantiert den festen Sitz des Schnellspannschuhs (und damit der Kamera).

Bild

Hier noch mal der Drehsattel ohne Kamera. Es ist zu sehen, wie die Kurveninformation weiter gegeben wird.

Anmerkung: Die Grundplatte stammt nicht aus dem Kasten, sondern ist aus dem Baumarkt aus der Abteilung Holzbau entlehnt. Glücklicherweise wies diese Platte aber das gleiche Rastermaß wie die übrigen Teile aus dem Kasten auf. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass, wenn mal nicht mehr gefilmt wird, die Arbeitsplatte bzw. Deichsel komplett abgenommen werden können und der Wagen wieder ganz normal als Rollwagen laufen kann ;)

In Sinsheim (und natürlich hoffentlich auch woanders ;) ) können wir dann ja mal ausprobieren, wie sauber das Teil läuft bzw. ob die Aufnahmen dann zu gebrauchen sind ;)

sonnige Grüße aus Waldau

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Re: Kamerawagen - Konzeption & Konstruktion

Beitrag von Regalbahner »

Hallo Bahnrolli

Das ist ja eine richtig tolle Idee .
Da bin ich schon auf das Erscheinen der ersten DVD " Spur IIm Mitfahrten "
gespannt :D :D :D :D :D :D

Tschau Christoph
geht nicht gibt's nicht

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Stoffel
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Re: Kamerawagen - Konzeption & Konstruktion

Beitrag von Stoffel »

Hallo Bahnrolli,

Auch Deine bisherigen Aufnahmen von Zugmitfahrten haben mir gut gefallen, z.B. auf der letzten Schkeuditz-DVD. :gut: Aber jetzt wo Du die Bilder Deiner neuen Konstruktion vorstellst, weiss man auch sofort, was bisher störte. :idea: Gerrade bei den Kurven wurde die Kamera bislang immer blitzartig mitgerissen und guckte dann immer auf die Kurvenaussenseite (wo es eigentlich nichts zu sehen gab). Da ist Deine Idee schon logisch und konsequent. Die konstruktive Umsetzung möchte ich als genial einfach oder auch einfach genial bezeichnen. :D

:yau:

Hast Du schon erste Erfahrungswerte gesammelt, z.B. zu diesen Punkten:
:arrow: Einlenkverhalten, wenn der Wagen in die Kurve geht ?
:arrow: Stabilität. Gibt es nun unerwünschtes Schwingen der Kamera o.ä. ?


Jedenfalls bin ich schon sehr auf die ersten Aufnahmen mit dieser Konstruktion gespannt.


Gruß vom Stoffel :scherzkeks:
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Re: Kamerawagen - Konzeption & Konstruktion

Beitrag von bahnrolli »

Stoffel hat geschrieben:Hallo Bahnrolli,

Auch Deine bisherigen Aufnahmen von Zugmitfahrten haben mir gut gefallen, z.B. auf der letzten Schkeuditz-DVD. :gut: Aber jetzt wo Du die Bilder Deiner neuen Konstruktion vorstellst, weiss man auch sofort, was bisher störte. :idea: Gerrade bei den Kurven wurde die Kamera bislang immer blitzartig mitgerissen und guckte dann immer auf die Kurvenaussenseite (wo es eigentlich nichts zu sehen gab). Da ist Deine Idee schon logisch und konsequent. Die konstruktive Umsetzung möchte ich als genial einfach oder auch einfach genial bezeichnen. :D

:yau:

Hast Du schon erste Erfahrungswerte gesammelt, z.B. zu diesen Punkten:
:arrow: Einlenkverhalten, wenn der Wagen in die Kurve geht ?
:arrow: Stabilität. Gibt es nun unerwünschtes Schwingen der Kamera o.ä. ?


Jedenfalls bin ich schon sehr auf die ersten Aufnahmen mit dieser Konstruktion gespannt.


Gruß vom Stoffel :scherzkeks:
Guten Abend Stoffel,

danke für die Blumen :flower:

Ich hatte die erste Version der Konstruktion schon mal zur Hobby-Modell-Freizeit in Leipzig auf der Messeanlage der Schkeuditzer bzw. auf der Schulanlage testen dürfen, allerdings zeigte das Teil da noch einige Mängel, die ich nun hoffentlich abgestellt habe. Wesentlicher Mangel war dabei die Kamerabefestigung (ich hatte die Festigkeit der U-Platte unterschätzt :( ). Die Kamera wackelte da noch zu sehr bzw. es bestand die Gefahr, dass sie schlicht und ergreifend runterfällt. Daraufhin hatte ich das Teil noch mal komplett auseinandergenommen und es nun so angeordnet, dass die Stabilität einerseits durch das U-Profil und andererseits rechtwinklig dazu von den beiden Gewindestangen kommt (die Kamera sitzt mit ihrem Schuh jetzt "knackig" fest drin :D ).
Zum Eindrehen in der Kurve kann ich zumindest aus den ersten Versuchsaufnahmen sagen, dass das nicht zuletzt auch wegen der Bleigewichte wesentlich sanfter und ohne großartige Wackelei passiert. Da das vorlaufende Drehgestell den Sattel dreht, beginnt die Kamera schon in die Kurve zu schauen, wenn der Waggon in die Kurve einfährt (siehe Punkt 1.2). Der Betrachter wird also auf die Kurve "vorbereitet" :) .
Eine Veränderung wird noch vor Sinsheim kommen - die Befestigungsmuttern auf der Deichsel werde ich durch Flügelschrauben ersetzen, denn im Moment kann ich die Kurvenvorgabe nur mittels Schraubenschlüssel einstellen, was ein wenig umständlich ist und kostbare Zeit kosten kann. Auf jeden Fall bekomme ich bei konstanten Radien einen schönen Seitenblick auf die Lok bzw. auf das Triebwerk, was wir dann nächste Woche auch mal in der Paxis überprüfen können :) .

abendliche Grüße aus Waldau

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Re: Kamerawagen - Konzeption & Konstruktion

Beitrag von bahnrolli »

so Kamerawagen 2. Teil,

nachdem wir in Sinsheim schön zusammen gespielt haben

Bild

:D (Erich - Danke für das Foto :heiss: ), hier mal die ersten Erfahrungen im Umgang mit dem Teil:

1. Die Kamera läuft ruhig, auch wenn ich die Gewichte dafür zuhause wohleineingepackt auf dem Basteltisch vergessen hatte :oops:
2. Das Vorsehen einer Möglichkeit zur Einstellung der Kurvenvorgabe erwies sich im Nachhinein als "goldene Idee" - die Lok ist dadurch immer schön im Bildmittelpunkt (und bleibt auch dort, sofern konstante Radien verwendet werden). Zum anderen ist dadurch der Betrieb auf unterschiedlichen Radien möglich.
3. Der Kamerasattel muss noch etwas flacher angestellt werden - beim Heranzoomen gerät das gefilmte Objekt sehr schnell an den oberen Bildrand. angedachte Lösung: Statt der (bisherigen) konstanten Befestigung (eine Mutter dient als Distanzstück) der Einbau einer Stellschraube, die den Anstellwinkel entsprechend ändern kann.
4. Beim Vorausfahren vor der Lok brauche noch einen passenden Bügel (Fidos knatternder Schienen-LKW brachte da alles zum Erzittern - auch die Kamera :D ), der mit allen Kupplungen klar kommt. In Schkeuditz hatte ich schon mal sowas, dieser einfache Doppelwinkel erwies sich bei der zu bewegenden Masse gerade in Kurven als sehr instabil. Aber im Stabilbaukasten gibt es ja noch genug Teile zum Ausprobieren ...:D

Zum Abschluß möchte ich neben diesen Aufnahmen auch mal zeigen, wie sauber das Teil durch eine Weichenstraße läuft. Auf der Bretzler'schen Tischanlage war es an der Übergabestelle von BW/Strecke sehr kurvig, was die Bewegung der Kamera auch entsprechend dokumentiert :D

In dem Sinne - viel Spaß mit den Bildern ... und fröhliches Weiterbasteln

sonnige Grüße aus Waldau

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ein paar solcher Fahrten - und man kann die Getränkerechnung signifikant senken ;)
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Ralf
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Re: Kamerawagen - Konzeption & Konstruktion

Beitrag von Ralf »

Hallo Uwe,

da braucht der Mann/Frau eine ruhige Hand am Regler!
Sieht aber vielevrsprechend aus.


Viele Grüße aus dem AW Brockenblick

Ralf
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Ralf


Bild Eine Dampflok fährt mit Dampf und nicht mit Strom !
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