Hallo,
heute möchte ich meinen neuesten Zugang im Semmelbahn-Fuhrpark vorstellen: Der OEG Rastatter.
Die 1911 gegründete OEG übernahm das Kleinbahnnetz im Raum Mannheim/Heidelberg/Weinheim. Zwischen 1914 und 1956 elektrifizierte man alle im Personenverkehr bedienten Strecken und beschaffte dafür straßenbahnähnliche Fahrzeuge. Während der kleinbahntypische Güterverkehr mit E-/Diesel- und Dampftraktion noch lange weiterlief entwickelte sich der Personenverkehr mehr so zu dem, was man in Übersee als „Interurban“ bezeichnet.
Als elektrische Erstausstattung Maximumwagen und 1928 die heute noch als OEG-typisch geltenden Halbzüge aus Trieb- und Steuerwagen. Mit dieser Bauart war man sehr zufrieden und hätte sie auch gerne nach dem Krieg weiterbeschafft.
Da die Waggonfabriken – vermutlich zu den Preisvorstellungen der OEG – nicht in der Lage waren diesen Wünschen zu entsprechen beschloss man wieder Garnituren aus Trieb- und Beiwagen zu beschaffen.
Dabei kamen zwischen 1952 und 56 die die als „Spitzmaus“ bekannten Triebwagen der Firma Fuchs mit dazugehörigen Beiwagen.
Als Nachfolgegeneration beschaffte man bei der Waggonfabrik „Rastatt“ in der gleichnamigen mittelbadischen Stadt insgesamt sieben Triebwagen.
Diese kamen in zwei „Serien“ zur OEG. 1958-60 die Triebwagen 71-74 und 1963 die Tw 75-77.
Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Baureihen war, dass die erste Zentralfahrschalter hatte, die zweite aber wieder gewöhnliche Plattformfahrschalter.
Passend zu den Triebwagen wurden insgesamt 46 Beiwagen beschafft.
Alle Fahrzeuge waren in mehrere Abteile unterteilt. (Führerstand)-Plattform-Nichtraucher-Raucher-Plattform-(Führerstand). Die Trennwände wurden im Laufe der Jahre teilweise entfernt. Das Rauchen wurde später ohnehin untersagt.
Hier sehen wir an der Bergstraße einen Zug mit drei Beiwagen. Während auf der Heddesheimer Zweigstrecke in der verkehrsschwachen Zeit auch Solo-Wagen zum Einsatz gekommen sein sollen, fuhren die Züge auf der Ringbahn Mannheim-Heidelberg-Weinheim-Mannheim mit Beiwagen behängt. In der Hauptverkehrszeit auch mal mit vier Stück.
Hier zu sehen ein Zug auf der Weinheimer Bahn zwischen Käfertal und Viernheim. Im Hintergrund die Ami-Kasernen.
Gut zu erkennen auch die ursprünglichen Widerstandsabdeckungen, die nach allen Seiten hin verschlossen waren. Diese erwiesen sich schnell als unpraktisch und wurden getauscht.
Ein Zug zwischen Seckenheim und Edingen. Im Jahr 1962
Im gleichen Jahr wartet ein Rastatter Zug auf Rundfahrt mit vier Beiwagen in Weinheim auf die Abfahrt nach Mannheim. Gut zu erkennen auch die Alu-Zierleisten.
Diese wurden im Laufe der Jahre entfernt, da sich unter ihnen immer wieder Rost ansammelte.
Ein Vereinskollege erzählte mir mal, dass er in den 60ern als Student bei der OEG gejobbt hat. Da war es unter anderem seine Aufgabe die Zierleisten abzuschrauben, den Rost abzukratzen und diese wieder anzuschrauben.
Hier ein Bild aus den 70ern. Während OEG 75 an der Front bereits keine Zierleisten mehr aufweist, hat der kreuzende OEG 73 auch die oberen an der Seite verloren.
Statt der Lichtkupplungen nutzt man inzwischen die nachgerüsteten Fabeg-Kupplungen zur Versorgung der Beiwagen. Die dicken Kabel an der Front änderten das Erscheinungsbild der Rastatter etwas.
Einige Triebwagen erhielten weitergehende Modernisierungen. Hier OEG 77 mit neuer Scheinwerferanordnung. Bei genauem Hinsehen erkennt man auch die entfernten Trennwände zwischen Plattform und Fahrgastraum.
Mit Beschaffung der Düwag Gelenkwagen schrumpfte das Einsatzgebiet der Rastatter ab Mitte der 70er Jahre. Bereits 1974 wurden die ersten Beiwagen in die Schweiz verkauft, andere verschrottet.
Die Triebwagen kamen nun auch vor Güterzügen eingesetzt. Denn bis Mitte der 80er Jahre hatte die OEG noch einen lebhaften Güterverkehr auf der Schiene, vor allem mit Rübenzügen im Rollbockbetrieb.
Bis Anfang der 90er konnte man die Rastatter noch im Schülerverkehr erleben. Zu sehen ist OEG 77 im Mannheimer Bf. Kurpfalzbrücke bzw. Heidelberger Bahnhof in einer Zugzusammenstellung Tw-Bw-Bw-Tw.
Blick in den Führerstand: Zu sehen ein Wagen mit Zentralfahrschalter. Rechts das Führerbremsventil für die Luftdruckbremse.
Zum Vergleich ein Wagen mit Plattformfahrschalter.
Der Fahrersitz ist nur eine Art besserer Fahrradsattel.
Blick in den Innenraum des Tw 71. Links verliefen einst längs noch Gepäckablagen.
Nach Außerdienststellung blieben die meisten Triebwagen für innerbetriebliche Zwecke erhalten. Dabei erhielten sie ein neues Nummernschema und den damals aktuellen OEG-Lack in rot-weiß, der diesen Fahrzeugen nicht wirklich würdig ist.
TW 355 wurde durch die IGN inzwischen wieder in beige/grün zurücklackiert und heißt wieder 71
OEG 73 wurde zum Schleifwagen 354, der im neuen RNV-Nummernschema (4 für ehm. OEG-Fahrzeuge) 4354 heißt.
4359 (ex 75) trägt jetzt das neue RNV-Lackschema in orange. Hier ist er mit einem Wasserwagen Richtung Vogelstang unterwegs.
Der ehemalige 74 musste 2008 leider das zeitliche segnen. Mit ihm auch der Triebgüterwagen 20 und der Gelenkwagen 80.
Heute kommen die TW 71 und 77 wieder in beige/grün zum Einsatz. Sowohl für Traditionsfahrten, als auch für innerbetriebliche Zwecke. TW 71 wurde hier von einer Schule zu einem Pendelverkehr auf der Neckaruferbahn in Mannheim angemietet.
Bisher steht ein Beiwagen zur Verfügung, ein weiterer befindet sich in Aufarbeitung.
Hier als Dreiwagenzug Tw-Bw-Tw zwischen Viernheim und Weinheim. Oberhalb kreuzt die stillgelegte DB-Strecke Weinheim-Viernheim(-Lampertheim)
71 und 77 mit einem Schotterzug. Als Schotterwagen kommen hier die von LGB bekannten Exemplare zum Einsatz.
Auch zu Schleppfahrten kommen die Rastatter heute zum Einsatz. OEG 77 mit einem Mannheimer GT8, der nach Ludwigshafen zum Verschrotten kommt.
Blick in den Innenraum des 77. Gut zu erkennen die ausgebaute Trennwand zum Führerstand hin.
Nun aber genug vom Vorbild und zum Modell.
Insgesamt sollten zwei TW und zwei BW entstehen. Dabei mit TW 71 und 77 ein Plattformer und einer mit Zentralfahrschalter.
Und auch wenn man der Wagen im Vergleich zu einem Düwag recht einfach wirkt, er ist es nicht!
Das liegt vor allem an der Front, hier im Seitenprofil. Während Ober- und Unterteil gewölbt sind, ist die Frontscheibe gerade, schräg gestellt, aber von zwei gebogenen Scheiben eingefasst, die aber noch weit in die gerade gehen.
Ein Blick von unten nach oben. Gut zu erkennen die Wölbung der Oberseite im Vergleich zur Scheibe.
Da auch alle Pläne nicht immer zuverlässig sind, bzw. sich wichtige Details nicht erkennen lassen, bietet es sich an, am Vorbild das ein oder andere zu vermessen. Dabei half mir auch ein Vereinskollege am OEG 71 in Edingen.
Unter diesem Güterwagen fanden alte Rastatter Drehgestelle Verwendung und lassen sich gut von außen betrachten. Von der Bauart her sind sie den bekannten Düwag-Drehgestellen recht ähnlich.
Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wurde diese Zeichnung angefertigt und das Modell geplant.
Der Wagenkasten besteht wieder aus 2 mm starkem Polystyrol, das Dach und die Unterseite der Front aus mehreren Schichten 3 mm MDF. Bei dem Rest der Front war ich mir anfänglich nicht sicher, dazu aber später mehr.
Motorisiert werden die TW mit zwei USA-Trains-Drehgestellen. Die Beiwagen erhalten Drehgestelle mit LGB-Kugellagerachsen, die auch Strom abnehmen.
Fräsen der MDF-Teile
Zusammensetzen der Front-Teile, die ähnlich wie später die Dächer in Form gefeilt werden.
Fräsen der Polystyrolteile
Verleimen der Dachschichten
Sortieren der Teile des Wagenkastens
Da die Wagenseiten nach unten hin abgerundet sind, spanne ich sie auf die Werkbank auf und schleife sie entsprechend zu.
Mit diesem Ritzer (weiß nicht wie das Ding richtig heißt) kommt eine Kerbe in die Wagenseite, um sie später der Verjüngung gemäß knicken zu können.
Verkleben der Wagenkastenteile mit Dachrahmen und Trennwänden:
Setzen der Bohrungen, um den Boden später herausnehmbar mit den L-leisten zu verschrauben.
Einkleben der Plattformböden
Das Dach wird aufgespannt und in Form gefeilt. Dabei müssen einfach nur die durch die Schichten entstandenen 3mm-Stufen weggefeilt werden.
Endgültige Form des Daches.
Nach einigen Spachtelarbeiten kann das Dach mit Spritzspachtel bearbeitet werden.
Während des Trocknens lassen sich beim Fernsehen ganz gemütlich die Sitze montieren und lackieren.
Nun zur Front:
Der ursprüngliche Plan war diese oben aus Messing herzustellen.
Das konnte jedoch aus verschiedenen Gründen nicht befriedigen. Zumal das Messingteil an der Seite genau in eine entsprechende Öffnung hätte passen müssen, wobei allerdings nur wenig Anlagefläche für den Klebstoff besteht.
Also verwarf ich diese Idee wieder.
Die nächste Idee war die Front aus 2 mm starkem Polystyrol zu machen. Das erforderte aber die dünnen Fensterstege noch mal anzuritzen um beim Übergang von gerade zu gewölbt eine saubere Kante hinzubekommen.
Im Verlauf der Wölbung musste ich mit der Laubsäge mehrfach einritzen, das Wölben sonst nicht hinhaut.
Das ließ sich auch soweit gut umsetzen. Später müssen die Scheiben dann unter Hitze gewölbt werden, dass sie exakt in die Öffnung passen.
Die Ausschussquote dabei war aber relativ hoch
Stück für Stück wurden die Einsätze dann in die Front eingefügt
Montieren der Drehgestellblenden
Nachdem die Anzeigenfelder und die dritten Spitzenlichter eingesetzt und verspachtelt waren, kam noch einmal ein Spritzspachtelüberzug drüber.
Aus Messingrohr wurden die Lampentrichter hergestellt.
Anbringung der Lüftungskiemen auf der Front aus gelaserten Teilen aus 0.5 mm starkem Karton
Anbringen der Dachlaufstege und Regenrinnen
Befestigen der Dachreling. Damit sie an ihren Enden in der gewünschten Form bleibt, habe ich sie von innen mit etwas 0,5er Messingblech verstärkt.
Anbringen der Lüfter auf einem Beiwagen.
Fertig grundierte Wagen
Lackiert wurden die Wagen in beige RAL 1001
Grundieren einiger kleinerer Teile
Zusammenbau der Führerstände und das versehen der Sitze mit Haltestangen.
Einbau der Sitze in den Wagen.
Die Kupplungen kamen von Tobias Feld. Nachdem die Fänger entfernt wurden, konnten sie in die seitlich abgerundete Form gefeilt werden.
Für die Zierleisten konnte ich 1,5er Halbrundleisten von Evergreen verwenden.
Auch die Rammleisten und Puffer wurden so erstellt. Dazu wurden die Leiste auf eine 0,5 mm starke Polystyrolplatte aufgeklebt.
Heraustrennen der Streifen mit den Leisten.
Mit Heißluft werden die Rammleisten in Form gebracht.
Auch die Puffer wurden mit Heißluft um eine Form gezogen
Die Gummielemente, die im Vorbild zwischen den silbernen Leisten verlaufen
Blinker
Anbringen der Beschriftung. Damit waren die Wagen im Wesentlichen fertig
Draufsicht nach Montage von Bügel und weiteren Dachaufbauten.
Alle vier fertig gestellte Rastatter Wagen.
Vierwagenzug, ca. 3 m lang.
Beide TW als „Doppeltraktion“.
Blick auf den Kurvenlauf. Obwohl der Rastatter einen relativ großen Drehzapfenabstand hat, kommt er gerade noch so durch den engsten LGB-Radius.
Weiter hätte das Drehgestell auch nicht ausschlagen dürfen.
Nun noch einige Fotos zum Abschluss vom ersten großen Einsatz auf der Ausstellung „Lok trifft Traktor“ in Mannheim
Das wars soweit mal wieder für dieses Projekt. Ich hoffe der Baubericht hat soweit gefallen.
Alla hopp!