Nach über einem Jahr Bauzeit – 2016 war mein Jahr der aufgerissenen Baustellen – konnte ich am 3.1.2017 nicht nur mein erstes neues Fahrzeug in diesem Jahr, sondern auch meinen ersten Gelenkwagen für die Regelspur in Betrieb nehmen: Den Stanga-Sechsachser der römischen Verkehrsbetriebe ATAC.
Doch nun erst etwas zum Vorbild:
Die ersten Versuche mit Straßenbahngelenkwagen gab es schon um die Jahrhundertwende in Boston, als Zweiachser mit eingehängten Sänften versehen wurden. So ungefähr das Konzept der Variobahn. Nur mit dichten Dächern.
Den ersten „richtigen“ Gelenkwagen bekam Duisburg 1926 mit den Harkort-Wagen. Er hatte drei Drehgestelle, wovon eines unter dem Gelenk lag. Diese Fahrzeuge gelten als Urahn der modernen Straßenbahngelenkwagen. Dennoch blieb es bei den beiden Prototypen.
Den ersten modernen und serienmäßig gebauten Gelenkwagen gab es in Rom. Der erste dieser Wagen wurde 1938 von der Società delle Tramvie E Ferrovie Elettriche di Roma(STEFER) beschafft, die Überland- bzw. Kleinbahnen in und um Rom betrieb.
Entwickelt wurde dieser bei Stanga in Padua gebaute Gelenkwagen vom Ingenieur Mario Urbinati(1885-1964), der seinerzeit technischer Direktor der STEFER war.

Dem ersten 1938 gelieferten Wagen mit der Nr. 401 folgten 1941 die Wagen 402-412.
Der hier gezeigte Wagen 401 ist in Rom – leider im Freien abgestellt – erhalten.
Ferner wird der Erstwagen 401 derzeit vom Verein ATTS in Turin aufgearbeitet: http://www.atts.to.it/de/veicoli-3/tram-restauro/401
1948/49 zog dann städtische Straßenbahn, betrieben von der ATAC (Azienda per i Trasporti Autoferrotranviari del Comune di Roma), nach und beschaffte bei Stanga eine eigene Serie moderner Gelenkwagen mit einem moderneren Design. Die 50 Fahrzeuge wurden als „Serie 7000“ in den Wagenpark aufgenommen und erhielten die Nummern 7001-7099.
Das große Nummernspektrum erklärt sich durch den Umstand, dass Straßenbahntriebwagen in Rom nur ungerade Nummern haben. Die geraden sind den Beiwagen vorbehalten. Und obwohl es diese heute schon lange nicht mehr gibt, haben auch die heutigen Niederflurbahnen nur ungerade Nummern.
Die in Deutschland gebräuchlichen Düwag-Gelenkwagen wurden hingegen erst ab 1956 gebaut.

Hier ist einer dieser moderneren Stangas der ATAC 1970 an der Porta Maggiore zu sehen. Da 1970 sehr lange vor meiner Geburt war, habe ich mir dieses Foto mal beim Wiki-Peter ausgeborgt: https://it.wikipedia.org/wiki/Tram_ATAC:_motrici_Stanga
1952 beschaffte auch die STEFER noch einmal acht Stangas im moderneren Erscheinungsbild. Diese erhielten die Nummern 501-508

Im Gegensatz zu den grün lackierten Bahnen der ATAC waren die STEFER-Bahnen blau/weiß. Und das auch zu Zeiten, als in Italien alle anderen Straßenbahnen orange lackiert waren.
Auch dieses Bild von 1970 stammt aus dem oben verlinkten Wikipedia-Artikel.
Die STEFER ging 1976 in der neuen Latiums die Azienda Cosortile Trasporti Laziali (ACOTRAL) auf.
Die alten STEFER-Regelspurstraßenbahnen (Termini–Capannelle/Cinecittà) wurden 1980 mit Eröffnung der Metro A aufgegeben. Da die ACOTRAL für die Regelspurstraßenbahnen keine Verwendung mehr hatte, übernahm die ATAC die acht moderneren Stangas von 1952. Sie erhielten dort die Nummern 7101-7115.
Die älteren Wagen wurden im alten Depot an der via Appia Nuova 450 hinterstellt und wurden beim Abriss 1992 verschrottet, sofern sie nicht museal erhalten wurden.
Die Stanga-Gelenkwagen stellten sich als äußerst robust heraus und sind auch heute noch mit gut 70 Jahren im täglichen Linieneinsatz bei der römischen Straßenbahn.
Bei meinem ersten Besuch in Rom, einem Tagesausflug vom Urlaubsort in der Toscana aus, nahm ich die Straßenbahn gar nicht erst wahr. Meine Eltern haben es irgendwie hinbekommen mich vom Bahnhof aus so zu führen, dass ich keine Straßenbahn zu sehen bekam. Noch beim zweiten Besuch 2001 ging ich davon aus, dass es in Rom gar keine Straßenbahn gibt. Umso begeisterter war ich, als ich auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel die schönen Stanga-Gelenkwagen erblickte, die am Bahnhof damals noch versteckt in einer Seitenstraße abfuhren.
Irgendwann kam dann natürlich auch der Wunsch auf ein solches Fahrzeug für die Semmelbahn im Maßstab 1:22,5(Spurweite 64 mm) zu bauen.
2015 unternahm ich schließlich einen eigenen Ausflug nach Italien, wobei ich die Wagen ausgiebig ausmessen konnte.
Hier einige Bilder vom Betrieb im Jahr 2015:








7021 ist als Restauranttram unterwegs.

An der Porta Maggiore – dem Hauptknotenpunkt der Straßenbahn in Rom

Die meisten Wagen sind inzwischen modernisiert wie dieser hier.

Einige unmodernisierte Wagen trifft man jedoch noch im Zustand der 60er Jahre an. An diesen habe ich mich bei meiner Semmelbahn gehalten. Beim Blick durch den Wagen erkennt man, dass die Heckfenster bei diesem Wagen so hoch sind wie die Seitenfenster. Das habe ich nur bei diesem gesehen. Die restlichen Wagen haben gekürzte Heckfenster, wie weiter oben zu sehen.


In diese grobe Zeichnung, die ich auftreiben konnte, habe ich alle noch benötigten Maße eintragen.
Als ich mit Maßband und Metermaß um den Wagen herumschlich, sprach mich der Fahrer an, was ich denn da mache.
Also schilderte ich mein Anliegen. Davon war er so begeistert, dass er es gleich seinem Kollegen am Wagen dahinter mitteilte.
Anschließend bot er mir eine Führerstandsmitfahrt an, die ich natürlich dankend annahm.
Auf einer Fahrt zurück in die Stadt konnte ich noch einiges über die Straßenbahn in Rom und diesen Wagentyp in Erfahrung bringen.

Blick auf den Fahrerarbeitsplatz. Links die Kurbel, rechts die Bremse. Fahren kann man mit den Wagen etwa 60 km/h, wobei die Strecken eigentlich nicht mehr als 50 hergeben würden.


Daheim angekommen machte ich mich in Coral Draw an die Erstellung einer eigenen Zeichnung für das Modell.
Nun zum eigentlichen Bau:
Ausgeführt wurde das Modell wieder wie gewohnt mit einem Wagenkasten in 2 mm starkem Polystyrol und einem Dach aus mehreren Schichten 3 mm starken MDFs, das ein Stufen aufeinandergeklebt und glatt gefeilt wurde.
Für den Antrieb nutzt der Wagen USA-Trains-Motorblöcke, welche mit LGB-Metallradsätzen umgespurt wurden. Das Mitteldrehgestell nimmt ebenso Strom ab und nutzt dafür umgespurte LGB-Kugellagerachsen.
Wie schon beim Hamburger V7 wurde der Wagenkasten aufgrund seiner Abstufung an der Schürze und den vielen Klappen mit einer Schicht 1 mm starkem Cromo-Karton beklebt, der gelasert wurde.

Fräsen der Polystyrolteile

Anschrägen der Unterkante der Schürzen mittels Schwingschleifer.

Montage des Wagenkastens. An den Spanten erkennbar die Verjüngung des Wagenkastens nach oben hin.

Der Einbau der Frontteile.

Geschafft!

Drehgestellblenden

Die zugefeilten MDF-Dächer wurden mit Schnellschleifgrund behandelt.

Und nach einem Abschleifen mit feinkörnigem Schleifpapier spritzgespachtelt

Auch aus MDF besteht die Bügelverkleidung.

Aufkleben der 1 mm starken Außenseiten mit dem endgültigen Fensterteiler.

Noch bevor das Dach aufgeklebt wurde, bekam der Wagen sein Endstück, das später das Einschwenken des Gelenks erlaubt.

Aufkleben des Daches.

Die Zielanzeigen und die dazugehörigen Seitenteile, die die Frontscheiben etwas überdecken wurden angeklebt und verspachtelt. Die Seitenteile wurden aus 0,5 mm starkem Messing gefräst.

Eindecken mit grobem Holzreparaturspachtel von Molto.

Der feinere Teil erfolgte mit einem Schnellspachtel von Molto.m

Anschließend kam dann noch eine Schicht Spritzspachtel drauf.
Das Löten zählt weder zu meinen besonderen Begabungen oder gar meinen Lieblingsbeschäftigungen. Doch der Schleifbügel der römischen Straßenbahnen ist so charakteristisch, dass mein Stanga nicht auf einen Authentischen Bügel verzichten sollte.
Also rang ich mich dazu durch den Lötkolben bzw. die Flamme zu schwingen und aus Messingprofilen etwas zusammenzuzimmern:




Die Federn konnte ich erfreulicherweise auch als Einzelteil bei Sommerfeldt beziehen.

Die Lackierung erfolgte in mehreren Schritten. Erst wurde der Wagenkasten komplett im helleren Grün lackiert.

Anschließend habe ich die Stellen, die so bleiben sollten abgeklebt.

Danach wurde dunkel nachlackiert.
Und so sah das dann aus:



Während des Trocknens war Zeit für die Drehgestelle.

Da die Bahnräumer – neben Rückspiegeln – zu den meist vorkommenden Schadteilen an Ausstellungstagen gehören, habe ich diesen hier mal etwas massiver ausgeführt.

Montage der Türen auf Plexiglasscheiben.


Die Stanga-Sechsachser haben über den Fenstern noch schmale Schutzstreifen, die das Eindringen von Wasser verhindern sollen. Diese habe ich gestern für das Modell hergestellt. Dabei wurde ein schmaler Streifen Overhead-Folie auf den gelaserten Träger geklebt. Hierfür nutzte ich erstmals einen Klebstoff mit UV-Härter, den ich auf der Dortmunder Messe erworben hatte. Für diese Anwendung ist er ganz klar besser, als Sekundenkleber, da er nicht weiß ausblüht.
Für die Schrägstellung wurden noch kleine Dreiecke aufgeklebt. Die Verklebung mit dem Wagenkasten realisierte ich dann gezwungenermaßen wieder mit Sekundenkleber.

Verglasen des Wagens.

Einbau der Innenwandverkleidung

Nach Verglasen und Bestuhlen….

Einbau des Scheinwerfers. Als Reflektor kam wieder der aus dem Hause Reichelt zum Einsatz: https://www.reichelt.de/Zubehoer-fuer-L ... ICLE=15202

Nach dem Zusammenfügen beider Wagenteile konnten erste „Messfahrten“ erfolgen. Dank der Drehgestellausschnitte nimmt der Wagen mit Leichtigkeit auch die engsten Kurven. Das hier ist ein umgespurter LGB-R1-Radius (58 cm). Der Düwag-Großraumwagen schafft das wegen seiner Schürzen nicht.

Blick auf den Führerstand.

Den Fahrer habe ich mittels Pinselfarben noch versucht an die ATAC-Kleidung anzupassen.
Abschließend kam als letzter Schritt die Beschriftung:


Hier einige Fotos vom fertig gestellten Wagen:















Wenn alles klappt, schaffe ich es vielleicht ihn bei Kleine Bahn ganz Groß in Stuttgart im Mai einsetzen zu können.
Soviel für heute
Alla hopp