mal ein Beitrag zu einem speziellen Thema.
Mein aktuelles Projekt ist eine englische V2 GREEN ARROW für Spur 1 (Maßstab 1 : 30,5).
Das Original ist eine Dreizylinderlok, gebaut im Jahre 1936 nach einer Konstruktion von Sir H.N. Gresley, Chief Mechanical Engineer der London North East Railway (LNER).
Der Modellbauplan ist mit 2 Zylindern ausgelegt. Ich habe mich im Nachhinein geärgert, daß ich nicht von Anfang an auf die Dreizylinderausführung umkonstruiert habe. Es wäre in diesem Maßstab gut möglich gewesen. Leider hatte ich die notwendigen Informationen über die Steuerung erst nach der Fertigung von Rahmen und Zylinder zur Verfügung.
Die Modellbaupläne im Maßstab 3 1/2 und 5 Zoll sind aber als Dreizylinder ausgeführt.
V2 GREEN ARROW (dampflok)

Da mich derartige technische Lösungen interessieren und ich inzwischen einiges Material dazu habe, will ich versuchen, diese hier erläutern. Ich kann aber unmöglich, alle Informationen dazu schreiben. Korrekturen und Ergänzungen nehme ich gerne entgegen.
Herbert Nigel Gresley, Locomotiv-Ingenieur in Doncaster hat 1915 eine Patentschrift verfaßt, die zwei Ausführungen der Steuerung von Dreizylindern beinhaltet. Es geht darum, den mittleren Zylinder nicht von einer eigenen Steuerung zu betreiben, sondern dieser Zylinder soll von den beiden äußeren (Walscharts) Steuerungen betätigt werden (Conjugated Valve Gear). Für Gresley war die dritte Steuerung unnötiger Ballast (unnecessary weight).
Patent_Gresley_1 (dampflok)

Patent_Gresley_2 (dampflok)

Patent_Gresley_3 (dampflok)

Das Schema aus der Patentschrift zeigt eine Seitenansicht, Draufsicht und Vorderansicht auf Treibachse, Kolbenschieber und angedeutete Zylinder. Die Schieberstangen sind nach vorn verlängert und über Gelenkhebel mit dem querliegenden Gestänge verbunden. Wesentlich dabei ist der größere Hebel. Er hat ein Hebelverhältnis 2 : 1 und ist etwa in Lokomotivmitte gelagert. Der lange Hebelarm ist mit einer der äußeren Schieberstangen verbunden. Am kürzeren Arm ist ein Gelenk, in dem ein gleichschenkliger, kleinerer Hebel gelagert ist. Dieser ist mit einer der äußeren und der inneren Schieberstange verbunden. Das Schema zeigt den Aufbau noch etwas deutlicher.
Schema (dampflok)

Die äußeren Schieberstangen bewegen sich natürlich mit dem vollen Schieberweg. Das kürzere Hebelende mit dem Gelenk macht nur den halben Schieberweg. Der gleichschenklige Hebel an diesem Gelenk übersetzt aber 1 : 1, also entsteht an der Verbindung zur inneren Schieberstange wieder der volle Schieberweg, aber versetzt zu den beiden äußeren Bewegungen. Das bedingt natürlich an der Treibachse einen Versatz der Kurbeln um je 120°.
Der englische Begriff „conjugated“ bedeutet hier soviel wie „Zusammenfassen beider Bewegungen“.
Gresley_Modell (dampflok)

Das Modell dieser Steuerung steht im National Railway Museum in York.
Die erste Lokomotive mit dieser Steuerung wurde 1918 für die Great Northern Railway (GNR) gebaut und dann für alle Dreizylinderlokomotiven der LNER verwendet.
Es gab dann noch Änderungen an den Lagern und Bolzen, deren Verschleiß anfangs doch zu groß war. Das Wartungsproblem war besonders während des II. Weltkriegs zu spüren, als es an entsprechenden Schmiermitteln und Ersatzteilen mangelte.
Diese Ausführung hat sich aber auf lange Sicht bewährt und wurde viele Jahre eingebaut.
Auf dem ersten Foto ist deutlich die Geradführung der vorderen Schieberstange zu sehen.
Das zweite Patent funktioniert mit zwei Zwischenwellen und entsprechenden Hebeln. An der Verbindung zur inneren Steuerung wird ebenfalls ein 2:1 Hebel verwendet.
Patent_Gresley_4 (dampflok)

Patent_Gresley_5 (dampflok)

Patent_Gresley_6 (dampflok)

Meines Wissens nach ist diese Variante aber nicht verwendet worden.
Die deutschen Varianten, wie z.B., der preußischen S 10² oder der sächsischen XVIII H haben auch alle einen Hebel 2 : 1. Natürlich sind die Ausführungen stark unterschiedlich. Diese Steuerungen wurden alle etwa zur gleichen Zeit entwickelt, so daß man sicher schon gegenseitig auf die Patente geschaut hat.
Ich werde diese Ausführungen auch noch versuchen zu erläutern. Da muß ich aber noch auf Zeichnungen, bzw. Genehmigungen zur Veröffentlichung warten.
Quellenangabe:
Buch „GREEN ARROW and the LNER V2 Class“ von Michael Rutherford und Michael Blakemore, erschienen 1997 Dank an Michael Blakemore
Webseite der “LNER-Enzyclopädie“, Dank an Richard Marsden
Patentschrift Nr. 15769 von 1915 über „Improvements in Valve Gear for Locomotive and other Steam Engines."
Michael