heute möchte ich eine vergessene Grubenbahn vorstellen, die wahrscheinlich dafür verantwortlich ist, das mich dieser fiese E-Lok-Virus

Wie in meinen Selbstbaubericht über die EL-3
modellbau/viewtopic.php?t=7309&start=0& ... highlight=
geschrieben, habe ich eine frühkindliche Erinnerung daran, das in meinen Heimatdorf Herzfelde "grüne" E-Loks fuhren, die den Abraum aus dem Kalksteintagebau Rüdersdorf auf die heute noch vorhandene Halde bei uns in Herzfelde abkippten. Heute erinnert aber nichts mehr daran und Zugezogene oder Spätgeborene mögen mich für einen Spinner halten, wenn ich davon erzähle.

Wie es aber der glückliche Zufall will, habe ich diese Woche einen ehemaligen Lokführer dieser Bahn getroffen, der 1. mein Interesse an der Bahn nicht "strange" findet, der 2. etliche Bilder aus dieser Zeit hat und 3. ausdrücklich der Veröffentlichung hier und in einer eventuellen Dokumentation zugestimmt hat.
Deshalb hier die Geschichte von Anfang an:
Eine geologische Störung drückte in unserer Gegend Kalkstein aus dem Triasmeer bis an die Erdoberfläche... (ok, das war zu viel Anfang



Diese wurde wie üblich mit Dampfloks betrieben. Auf dem ersten Bild sehen wir eine solche Lok Ende der 50iger Jahre mit Heizer und Lokführer.
Aus dem Heizer wurde später übrigens der E-Lokführer


Zunächst musste er einen schweren Unfall überstehen, der am 05.Juli 1960 der Dampflok und ihren Kippern buchstäblich den Boden unter den Rädern verlieren ließ.
Der Zug war auf dem Weg zur Halde zwischen dem Rüdersdorfer Tagebau und Hennickendorf als die Strecke wegsackte und sich das Zugpersonal nur durch einen kühnen Sprung retten konnte.
1962 wurde die Grubenbahn elektrifiziert und der Abraum auf den Feldern zwischen Rüdersdorf und Herzfelde auf einer entstehenden Hochkippe abgeladen. Die Fahrleitungsspannung betrug seltene 900 V. Die elektrische Ausrüstung und die Fahrzeuge (insgesamt 5 Loks, 3x 44t SSW, 1x 60t BBC und eine unbekannte Ausführung) wurden von einer Braunkohlegrube übernommen, welche habe ich noch nicht herausgefunden.
Bemerkenswert ist das die Fahrleitungsanlage zunächst mit seitlich versetzter Fahrleitung ausgerüstet war (wie in Hirschfelde) und die Lok auf den Vorbauten jeweils zwei Pantographen nebeneinander hatte.
Wir sehen hier eine der 44-Tonnen SSW-Loks von denen 3 vorhanden gewesen sein sollten.
Die Verladung im Tagebau erfolgte zunächst durch einen großen Eimerkettenbagger:
Später wurde die auch in der Braunkohle verwandte Seitenfahrleitung installiert und ein mit Gleichspannung

Das nächste Bild zeigt einen Grubenbahnzug beim Verkippen auf der Halde. Die 44t-Lok ist jetzt mit Seitenstromabnehmern ausgerüstet.
Dabei fiel genug Abraum zwischen die Gleise und die Brigade mußte zum "Nacharbeiten" ran. Man beachte den "Gleispflug" auf der rechten Seite


Die technische Ausrüstung der Bahn war sehr spartanisch. An der Gemeindegrenze zwischen Herzfelde und Rüdersdorf war der "Bahnhof". Dort wurden die Züge umgesetzt, so das die Lok immer die Waggons in den Tagebau oder auf die Halde schob. In den sechziger Jahren war das Abraumaufkommen so hoch, das im 3-Schicht-System gearbeitet wurde und die Tagebauzufahrt sogar zweigleisig ausgeführt wurde.
Außerdem waren im "Bahnhof" eine Wartungsgrube und einige Abstellgleise vorhanden. Die Loks standen unter freien Himmel abgestellt. Für größere Wartungen war eine Werkstatt an der heutigen Bundesstrasse 1 vorhanden. Manchmal wurden Reparaturen auch auf offener Strecke ausgeführt:
Das letzte Bild zeigt die größere 60t-Lok von BBC kurz vor Einstellung des Betriebes:
Im Hintergrund sieht man die Gleichrichterstation für die Energieversorgung der Bahn. Dieses Gebäude wurde erst in den 90iger Jahren abgerissen.
Wie man am Revisionsdatum sieht, war die Lok 1971 zur letzten HU. 1972/73 wurde der Betrieb auf der ca. 4 - 5km langen Strecke eingestellt.
Der Kalkabbau wurde umgestellt, der Kalk wurde bereits im Tagebau in Brecheranlagen zerkleinert und per Bandanlage in das Kalk- bzw. Zementwerk befördert. Der Abraumtransport erfolgte dann per Lkw.
Die Verschrottung des Fuhrparks erfolgte im "Bahnhof" und zog sich bis 1974 hin. Ich habe als Kind noch zwischen den verrosteten Kippwaggons gespielt und dort auch eine "Brücke auf Rädern" gesehen - heute weiß ich - es war eine Gleisrückmaschine


Mit nur zehn Jahre Einsatzzeit, zwei verschiedenen Fahrleitungssystemen und Altbau-E-Loks verschiedener Bauart ist die vergessene Rüdersdorfer Grubenbahn auf jeden Fall bemerkenswert und hat sogar ein Superlativ zu bieten - die nördlichste elektrische 900mm-Grubenbahn in Deutschland


Schönen Abend allen E-Lok-Begeisterten
wünscht Bert
der seinen Nicknamen nicht ändern wird



PS: Ich mußte die Lokomotivhersteller noch einmal korrigieren: 2- BBC (die 60t-Lok) und 3- ist SSW (die 44t-Loks). Hat aber bisher keiner gemerkt...