Frage an US - Industriebahner

Alles rund um Vor-Bilder, also Modelle in ganz groß

Moderator: baumschulbahner

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Mikado
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Frage an US - Industriebahner

Beitrag von Mikado »

Man weiss, dass die Eisenbahn, und ich spreche hier ausdrücklich nur von der Amerikanischen Kleinbahn, sehr unterschiedliche Aspekte abdeckte. Nebst grossen "Schmalspurimperien" wie der Rio Grande gab es auch die damit verbundene Kleinbahn, die vielleicht eine County oder sogar nur die industriellen Betriebe einer Talschaft erschlossen. Leuchtende Beispiele in Colorado sind die Rio Grande Southern, die Florence & Cripple Creek, die 3 Silverton Shortlines, aber auch die Cristal River Railroad. Geradezu ein Klassiker war mit nur 2 Fuss Spurweite das Gilpin Tramway mit den Westentaschen-Shay- Getriebedampfloks, welche die gleichnamige County mit einem Netz von Geleisen überzog. Bei all diesen Bahnen ging es primär um die oft labyrinthartige Erschliessung von Minen und den Abtransport von Erz. Davon weiss der geneigte Bahnfreund das eine oder andere und vieles ist gut dokumentiert zu finden. Nun stiess ich kürzlich auf einen geschichtlichen Abriss http://www.fs.fed.us/r3/about/history/t ... df/ch3.pdf (ab Seite 9), in dem zu lesen steht, dass in Colorado nebst dem Bergbau auch eine intensiv wirkende Logging Industrie (Holzgewinnung) heimisch war, z.B. bei Dolores und bei Pagosa Springs. Auch die hatten ihre Eisenbahnnetze allen voran die Montezuma Railway, bei welcher viele der leichten Rio Grande C-16 ihr letztes Wirkungsfeld fanden. Bob Hartford bietet unter dem Begriff "New Mexico Lumber Company" Bausätze der originalen Holztransportwagen in Spur G an. All diesen Bahnlinien war gemeinsam, dass sie auch Güter und Personen beförderten. Wo es die Bahnnormalien erlaubten war auch ein Netzübergreifender Einsatz von Rio Grande Wagen üblich.

Jegliche Literatur auf die ich bisher gestossen bin hat die Geschichte immer aus Sicht des Bergbaus, der Holzwirtschaft oder einer grossen Bahngesellschaft beleuchtet. Am Rand fanden sich jeweils Hinweise, die man dahin interpretieren könnte, dass es gemeinsame Nutzungen der Schienenstränge sehr wohl gab.

Den geneigten Modelleisenbahner in mir, brennt nun die Frage, gab es denn im Amerikanischen Vorbild auch solche Lokalbahnen in einer County oder auch nur in einer Talschaft die sowohl von Logging trains wie aber auch von einheitlichen Minenzügen, z.B. mit den 2 achsigen Sidedumpern (eine Art Lore aus Holz) befahren wurden und dennoch einen gewissen Common Carrier Aspekt (allgemeine, jederman zugängliche Güter- und Personentransporte) im Kleinen hatten? Wäre dazu sogar etwas aus Colorado bekannt, würde sich des Modellbahners Herz besonders freuen.

Wer hat hierzu vertiefte Kenntnisse?
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Berthold
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Re: Frage an US - Industriebahner

Beitrag von Berthold »

Hallo Mikado(?),

ich wüßte gern was Dich letztlich zu Deiner Umfrage veranlaßt.

Ist das ein allgemeines Interesse an früher amerikanischen Eisenbahngeschichte
oder suchst Du nur nach Vorbildern um Kastenkipper, Langholz- und Pullmanwagen
gleichzeitig ohne schlechtes Gewissen auf Deiner Anlage fahren zu lassen?
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Mikado
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Re: Frage an US - Industriebahner

Beitrag von Mikado »

Hallo Berthold

mit einem Wort geantwortet beides.
In meinem Garten kann ich diesbzüglich tun und lassen was ich will. Ich kann auch mit meinem Schattenbahnhof im Keller strukturieren was rumkurvt.
Dieser Verkehrsmix wird in der Literatur sowohl für Minenzubringer und für die Holz Industrie beschrieben. Bisher habe ich aber nur die in meinem ersten Posting verlinkte El Paso & Northeastern gefunden, die beides vereint.
Mich interessiert die Geschichte und diese möchte ich versuchen als Ganzes (Modellbau, Anlage und Betriebskonzept) umzusetzen.
Ich habe mich einen Monat lang in den USA rumgetrieben, auf der Suche nach Spuren der Industrialisierung vor rund 100 Jahren. Dieses Land ist grösser als West- und Osteuropa zusammen und dermassen liberal, dass alles was irgendwie Geld brachte gemacht wurde. Die Industriebähnchen hatten oft ein grösseres Streckennetz als z.B. die gesamte Rhätische Bahn in der Schweiz. Die Geschichte ist meist nur lokal und nicht systematisch aufgearbeitet, und der ganze Stolz ist überhaupt eine Eisenbahn in der Geschichte vorzuweisen. Andererseits gibt es Tabus. So wird erst jetzt über die mit Maschienegewehren bewaffneten Uranzüge in den 40iger Jahren auf der Rio Grande Southern geschrieben*. Bei der geschichtlichen Darstellung wird vorallem gezeigt was heute Geld bringt. Ein Beispiel hierfür ist die berühmte Georgtown Loop in Colorado. Die halsbrecherische talquerende Stahlbrücke ist eine Replika, welche die US Army als Training gebaut hat und die in den letzten Jahren darauf touristisch verwendeten Shay Lokomotiven sind geschichtlich falsch. Ich möchte aber nicht abqualifizieren, denn immerhin erlebt man so überhaupt den räumlichen Eindruck in der Natur.
Historische Betriebskonzepte zu finden ist die bekannte Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mit Sokrates meine ich: "Je mehr ich weiss, desto mehr weiss ich, dass ich nichts weiss."
Nachdem nun das Philosophische geklärt ist, möchte ich gerne von Dir wissen, was Du mir zur Sachfrage zu erzählen weisst.
Bin natürlich um jede weitere konstruktive Information dankbar.
Heinz

Literaturhinweise:
Narrow Gauge in the Rockies, Beebe and Clegg
The RGS Story
Narrow Gauge & Short Line Gazette march/apr 2007 Charly Getz
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Berthold
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Re: Frage an US - Industriebahner

Beitrag von Berthold »

Hallo Heinz,

jetzt blicke ich durch, kann Dir aber nicht wirklich weiterhelfen.

Ich war einige Jahre lang immer mal 3-4 Wochen jährlich in den
Reservaten im Südwesten, d.h. vorwiegend in Arizona und New Mexico.
Im weiteren Umfeld liegen dort reichlich Halb- und Ganz-Ghosttowns,
die alle verlassene Minen und bewegte Vergangenheiten haben.
Eisenbahnmäßig war da immer mal was, ist aber meistens nix mehr.
Apachen und Navajos holen ihr Holz heute mit Autos aus dem Wald.

Ich habe, wo es was Eisenbahniges gibt, Fotos gemacht die ich gerade
zu kurzen Bildberichten zusammenstelle und vielleicht mal einem Drucker
anheimgebe. Das sind aber genauer besehen nur Makro- und/oder
Moment-Aufnahmen, zu einer richtigen Hintergrund-Recherche
fehlten mir meistens Zeit und mitteilsame Einheimische.

Der Ghosttown-Bewohner an sich hat ja eher einen Hang zum Handel
mit kunstgewerblichem oder irgendwie nostalgischem Plunder bevor er
sich mit der industriegeschichtlichen Vergangenheit beschäftigt.
Lediglich Goldminen liegen meistens massenhaft in seiner Nachbarschaft.

Die Verstahlten aus den Uranminen und dem Smelter in Durango
(wo das USArmy Transportation Corps den Bombenbaustoff abholte)
sind inzwischen wahrscheinlich alle von uns gegangen. Wenn Du da aber
was nachstellen willst (was ich mal nicht annehme) ist zu beachten,
da waren zur Abwechslung mal Dieselloks auf den D&RGW-Gleisen.

Ansonsten kann ich Dir aber für Deine nächste Forschungsreise noch
das südliche Grenzgebiet zwischen Arizona und New Mexico empfehlen.
Dort wimmelte es von Industriebahnen von 20” über 36” bis zur Regelspur.

Die wahrscheinlich schönste, genannt „the corcsrew railroad of America”
führte von Morenci zur „Arizona and New Mexico Railroad” in Guthrie.
Das waren 18 Meilen. In dem recht engen San Francisco River Canyon
wurde ein Höhenunterschied von 1400 Fuß mittels 5 (fünf) hintereinander
liegenden Loops und einem Tunnel bewältigt. Dabei waren die Steigungen
und Kurvenradien noch so abenteuerlich, daß die Zuglänge limitiert war
auf drei Wagen und Caboose. 1901 wurde der Betrieb aufgenommen und
schon 1922 waren die hölzernen Trestles so morbide, daß der Spaß
ein Ende hatte.

Meines Wissens sieht man davon so gut wie nichts, wenn man nicht zu Fuß
unterwegs ist – Achtung – im Sommer sehr warm und Klapperschlangen.
Die Apachen sind keine Gefahr mehr seit Geronimo, der hier geboren ist,
1896 ganz in der Nähe in einen Zug der SPRR einsteigen mußte um
nach Florida zu reisen.

So viel mal über ein kleines Stück vom großen Amerika.
Das mit dem „liberalen” möchte ich nur unter Vorbehalt stehen lassen.

Schöne Grüße
Berthold
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Mikado
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Re: Frage an US - Industriebahner

Beitrag von Mikado »

Herzlichen Dank Berthold für Deine faszinierende Schilderung. Mit Liberal dachte ich eher an diese Art, wie Du sie so schön von dem Ghosttown Bewohner schilderst.
Die beiden USA Army Dieselloks in Durango sind mir bekannt, doch wurde das lange Zeit als Versuchsfahrten des US Army Transportation Corps bezeichnet. Spätestens wenn man sich mal mit der Geschichte der Boxcab Oilelectrics auseinander gesetzt hat, ist man darauf gestossen.

Die Zapfenzieher Bahn wäre ja durchaus auch mal was für Hobbykollegen in Platznöten....

Ich habe ähnlich erlebt, wie schwierig es ist 50-80 Jahre später überhaupt noch zu erkennen wo mal eine Bahn durchgefahren ist. Ich habe am Marshal Pass, am Boreas Pass und in der Gilpin County begriffen, dass man oft nur daran erkennt, dass die Strasse plötzlich nicht mehr auf und ab, aber dafür kurvenreicher geführt ist, dass man auf einer ehemaligen Bahntrasse fährt. Fast grotesk wirkte der restaurierte Bakers Tank am Strassenrand. Er war ja auch leer und man konnte an der Passstrasse nicht mal Kühlerwasser daraus nehmen... An anderen Stellen wiesen ein paar Balken auf eine zerfallene Trestle oder eine Ansammlung von Steinen darauf hin, dass hier mal ein Bahndamm war.

Bin nun gespannt, ob sich ein weiterer Buntbahner als Amerika Kenner outet und etwas zu meinen Fragen erzählen kann.

Heinz
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