Hallo!
Die etwas knifflige Hebelei der Zehntwaage oder Dezimalwaage wollte ich besser verstehen. Darum habe ich mir eine kleine Skizze angefertigt, die an einem Beispiel die Kräfte und Hebellängen so in Bezug zueinander setzt, dass die Geschichte klappt.
Ich vermute, dass der Name vorwiegend daher rührt, dass die zum Wiegen nötigen Gewichte nur ein Zehntel der zu wiegenden Last betragen (Beispiel: ein 50kg-Sack wird mit 5kg-Gewichten aufgewogen).
Die Erklärung, dass ein Hebelarm zehnmal länger ist als der andere, stimmt nur bedingt. Denn am Lastarm greifen zwei Zugstangen an (mit 60% und mit 8% der Wiegelast, aber unterschiedlichen Hebellängen). Ich habe relativ lange gebraucht, um die Vorteile zu erkennen. Hier kommt erstmal die Skizze:
Die Vorteile: Die Wiegeplattform
P bleibt beim Wiegen in der Seitenansicht waagerecht stehen, statt sich zu neigen, und zweitens ist es egal, wo das Wiegegut hingestellt wird (solange sein Schwerpunkt hinter dem vorderen - in der Skizze links vom rechten - Lagerpunkt der Plattform liegt). Um das zu verstehen, habe ich besonders lang gebraucht.
Achtung: Die Hebelwaage funktioniert nur dann richtig, wenn die Proportionen stimmen!
Gehen wir das Ganze 'mal durch - für diejenigen, denen die Hebelgesetze nicht mehr ganz so vertraut sind

. Im Beispiel liegt das Wiegegut drei Fünftel der Entfernung
E rechts vom Punkt
L1 und zwei Fünftel von
E links von der Auflage
L2. Daher beträgt der Auflagedruck an
L1 drei Fünftel des Gewichts (bei 50kg also 30kg) und bei
L2 20kg. Der mittlere Umlenkhebel
M, wo
L2 aufliegt, hat Hebelarme im Verhältnis 1:5 oder 4:20. Daher beträgt der Zug am linken Punkt
L3 nur noch 4kg (20kg ÷ 5).
Auf der anderen Seite zerrt die Plattform mit 30kg an der Zugstange (an Punkt
L1).
Oben links seht Ihr den Gewichts- und den Lastarm mit einer rot-weißen Variante der Bommelband-Teilung

. Die Schale für die Gewichte ist zehn Teile vom Festlager entfernt. Die Zugstange von
L1 greift ein Teil rechts vom Festlager an. Um die 30kg auszugleichen, werden daher 30kg ÷ 10 = 3kg an Gewicht benötigt.
Die Zugstange von
L3 hingegen liegt fünf Teile rechts vom Festlager. Das ergibt ein Hebelverhältnis von 1 zu 2 (gekürzt aus 10 zu 5) bei 4kg Zug an der Stange am Lastarm. 4kg ÷ 2 = 2kg, und damit ergeben sich 3 + 2 = 5kg Gewichte für 50kg Wiegegut.
Kommen wir zu den kleinen Details. Die schwere Eisenkugel am Bügel des Gewichtsarms dient dazu, das Eigengewicht der Wiegeplattform im Vergleich zu Kette und Schale für die Gewichte grob auszugleichen. Auf Joachims erstem Foto der Bauphase (IMG_0061) ist sehr schön das kleinere, verschiebbare Gewicht zur genaueren Null-Justierung zu erkennen. Viele Zehntwaagen bzw. Brückenwaagen haben darüber hinaus noch einen um 90° von waagerecht nach senkrecht schwenkbaren Hebel, mit dem die Waage in der Ruheposition verriegelt werden kann.
Langer Rede kurzer Sinn: So etwas Feines möchte ich auch 'mal bauen. Ach so: Entsprechend dem Vorbild
wiegen wird so ein Modell allerdings nicht. Es wird allenfalls genau so funktional.
Beste Grüße,