Gepäck- oder Lehnenkarre

Anlagen (aussen & innen), Dioramen, Gebäude, Figuren, Schienen, Autos, sonstiges Zubehör

Moderator: Marcel

Antworten
theylmdl
Buntbahner
Buntbahner
Beiträge: 5812
Registriert: Fr 14. Jan 2005, 01:01
Wohnort: Frankfurt a.M.
Kontaktdaten:

Gepäck- oder Lehnenkarre

Beitrag von theylmdl »

Hallo!

Hier wird auf Anregung von Marcel hin der Eigenbau einer einfachen Gepäck- oder Lehnenkarre beschrieben. Das Modell entstand aus Buchen- und Kiefernholz und bildet wegen der natürlichen Werkstoffe und relativ filigranen Ausführung einen netten Blickfang.

Der Auslöser für dieses und eine Reihe anderer Bastel-Projekte war eigentlich der Opa meiner Tochter. Der schlägt nämlich alljährlich Buchenholz für den Herd. Und als mehrere Stere der Scheite mit dem tollen Holz da so in Hof und Garten lagen, wurden einige davon kurzerhand für den Basteltisch entführt.
Ein Ster ist eine Einheit für einen Raummeter geschnittenen und gespaltenen Holzes.

Schließlich ist es etwas ganz anderes, wenn bekannt ist, wo das Holz herkommt... :wink: .

Die Mühe, die Teile aus dem Vollen zu arbeiten, braucht sich bei einem Nachbau natürlich keiner zu machen.

Bild

Die Kanthölzer
Zunächst einmal werden aus einer 3,5 bis 3,6mm starken Buchenholz-Platte die längs liegenden Kanthölzer angefertigt. Diese sind nur in einer Ebene verformt. Im vorderen Teil laufen sie in sanften Bögen zusammen, um dort den richtigen Abstand für die Radlagerung zu bilden.

Buchenholz ist deswegen anzuraten, weil es auch bei dünnen Materialstärken die nötige Festigkeit hat. Bei weichen Hölzern wie Kiefer oder Fichte wäre die Gefahr zu groß, dass die Griffe brechen.

Vom Rand bis zu den Griffen verjüngen sich die Balken allmählich. Sind sie vorne noch ebenfalls etwa 3,5mm breit, sind es kurz vor den Griffen nur noch 2,5mm. Die leicht ausgerundeten Griffe selbst bringen es sogar nur auf weniger als 2mm.

Die gesamte Länge der Kanthölzer beträgt 9,9cm. Die Ladefläche mit den neun Brettern ist 50,6mm lang und 35mm breit. Die Bretter haben eine Stärke von knapp einem Millimeter und bestehen aus Kiefernholz.

Wichtig! Die Holzteile müssen vor dem Kleben gebeizt werden. An den Klebestellen dringt die Beize nicht mehr ein.

Das Rad
Bevor die Ladeflächen-Bretter aufgeklebt werden, muss das Rad vorhanden sein. Wer eine Drehbank besitzt, kann wie folgt vorgehen.

Aus einem Rundstab (das sollte auch Buche sein!) wird ein Teller gedreht. Er hat den Außendurchmesser des Rads (ohne Radreifen), hier 21mm. Innen wird der Hohlraum zwischen Felge und Nabe ausgedreht. Die gezeigte Nabe hat 5,5mm Durchmesser.

Die Nabe wird zentrier- und dann aufgebohrt. Die hier verwendete Achse hat einen Durchmesser von 1,5mm.

Wer einen Teilapparat hat, kann nun die Löcher für die Speichen (Durchmesser 2mm) alle 45° bohren. Die Bohrungen müssen bis tief in die Nabe reichen!

Wer keinen Teilapparat hat, muss sich von Hand behelfen. Dann werden mit dem Winkelmesser die richtigen Stellen angezeichnet und von Hand gebohrt.

Dann werden die vorbereiteten Speichen eingeklebt.

Sobald die Klebung ausgehärtet ist, können die Speichenüberstände abgezwackt, der Radreifen überdreht, die Achsbohrung nachgebohrt und das ganze Rad abgestochen werden.

Wer keine Drehbank hat - aber zumindest eine gewöhnliche Bohrmaschine - kann sich anders behelfen.

Zunächst wird ein Aufnahme-Teller aus etwa 6 bis 8mm starkem Sperrholz gebaut. Der sollte in der Mitte ein Loch von 6mm Durchmesser haben.

In dieses Loch klebt Ihr ein Stück Rundholz für die Nabe, so dass es in etwas mehr als der Breite der Nabe übersteht. Hinten bleibt ein so langer Ansatz stehen, dass das Rundmaterial noch sicher im Bohrmaschinenfutter gespannt werden kann.

Sägt nun - möglichst genau - den Felgenring zurecht. Dieser wird (nach dem Beizen!) auf dünnen Abstandshaltern - beispielsweise aus Karton - möglichst zentrisch auf den Grundteller geklebt.

Wenn der Klebstoff getrocknet ist, bohrt Ihr wie oben beschrieben die Löcher für die Speichen und klebt diese ein. Nach der folgenden Trocknung werden die Speichen-Überstände abgesägt.

Nun kann das Rad in der Ständerbohrmaschine noch so halbwegs rund geschliffen werden. Das geht am Besten mit Streifen von Korund-Schleifpapier. Zum Schluss muss die Nabe noch möglichst zentrisch aufgebohrt werden - und natürlich in beiden Ebenen rechtwinklig.

Der Radreifen
Der Radreifen entsteht aus einem Streifen Aluminium- oder Neusilberblech. Er ist bei diesem Modell 3mm breit. Der Streifen muss deutlich länger sein als die benötigte Länge. Letztere entspricht dem Rad-Außendurchmesser × Pi (3,1416).

Rollt den Streifen nun über ein Stück Rundholz, bis er minimal weniger als den gewünschten Radius hat Dabei sollte sich eine Spirale bilden, wo sich die Enden überlappen. Schneidet das Ende an einer Seite sauber ab und feilt die Trennstelle genau rechtwinklig.

Dann haltet Ihr den Streifen provisorisch auf dem Speichenkranz fest und zeichnet die Stelle an, an der das andere Ende gekürzt werden muss. Das geht am besten mit einer Reißnadel oder einem Dreikant-Schaber.

Wenn auch dieser Schnitt erfolgt ist, wird die Spirale vorsichtig gerade gerichtet, bis sich die Radreifen-Enden genau gegenüber stehen. Damit ist der Radreifen bereit für das Aufkleben. Das geschieht am Besten mit langsam abbindendem Sekundenkleber.

Bild
Auf diesem Foto sind die sich nach hinten hin verjüngenden Längsträger und deren Kröpfung gut zu erkennen.

Der Zusammenbau
Zunächst werden die Ladeflächen-Bretter auf die Kanthölzer geklebt. Die Leistchen sind 4,4mm breit und haben die schon oben erwähnte Länge von 35mm. Die Ladefläche beginnt bei diesem Modell 19mm vor dem Ende der Handgriffe. Zwischen den Bretter bleiben jeweils knapp 1,4mm Luft.

Bei dieser Arbeit gilt es drei Dinge zu beachten. Erstens sollten die Bretter mittig auf den Tragbalken liegen. Zweitens müssen diese genau nebeneinander liegen. Und drittens müssen der Abstand bei den Griffen, vor allem aber der bei der Radaufnahme stimmen.

Bevor Ihr die Lehne anbringt, sollte das Rad montiert werden. Dazu werden aber noch die Achse und zwei Lagerböcke bzw. Halteschellen für die Achse benötigt.

Letztere entstanden einfach aus zwei Streifen Messing-Blech, die mit einer Flachzange über ein passendes Stück Rundmaterial gebogen wurden. In die flachen Teile vor und hinter der Achse wurde ein Loch mit 1mm Durchmesser gebohrt.

Bild

Die Radbohrung wird soweit aufgeweitet, dass das Rad leichtgängig auf der Messingachse dreht. Diese wird dann eingeschoben. Richtet nun bei überkopf liegendem "Fahrgestell" das Rad aus. Dann werden die Halteschellen mit langsam abbindendem Sekundenkleber aufgebracht. Wenn der abgebunden ist, werden die Löcher durch die Schellen auch in die Kanthölzer gebohrt. Dort kommen dann vier passend gekürzte Stifte aus 1mm-Messing hinein. Wer mag, kann sich deren Köpfe vorab in Sechskantform feilen.

Tipp: Brüniert die Metallteile vorab mit Pariser Oxyd.

Der Abschluss der Montage bilden Bau und Anbringung der Lehne. Die mehr oder minder senkrechten Streben sind an der Verbindungsstelle zu den Kanthölzern abgeschrägt, da diese dort schon zusammen laufen. Das quer liegende Kantholz am Fuß der Lehne wird im Bereich der senkrechten Streben ebenfalls angeschrägt.

Die Bretter der Lehne dürft Ihr erst aufkleben, wenn die senkrechten Streben und das Kantholz "sitzen". Zu guter Letzt folgen die Füße nahe bei den Griffen.

Dafür wird zunächst ein Kantholz quer zwischen den Längsträgern unter eines der Ladeflächen-Bretter geklebt. Sorgfältigere Bastler müssen das Kantholz vorher mit den Längsträgern verzapfen. In die Ecken zwischen Längsträger und Querholz werden dann die Füße geklebt. Sie müssen so hoch sein, dass die Ladefläche bei abgestellter Karre waagerecht ist.

Schleift nun vorsichtig mit feinem Schleifpapier die Mitte der Ladefläche an, bis die Beizung ein wenig heller wird - dies aber nicht ganz bis zu den Rändern. Das dürfte der natürlichen Abnutzung am Ehesten entsprechen.

Den Abschluss der Bastelaktion bilden zwei ganz dünne Überzüge mit mattem Klarlack und bei Bedarf danach eine Alterung, beispielsweise durch Rost an den Radreifen-Rändern und Halteschellen der Achse.

Bild

Beste Grüße -
Thomas Hey'l - info@themt.de - www * themt * de
Benutzeravatar
Tobi
Buntbahner
Buntbahner
Beiträge: 3013
Registriert: Sa 11. Sep 2004, 17:49
Wohnort: Im Schwabenländle

Re: Gepäck- oder Lehnenkarre

Beitrag von Tobi »

Hallo Thomas,

Modellbau vom Feinsten! :top:
Dein Beitrag gehört ebenfalls zur Spitzenklasse!

Das regt zur Gestaltung einer kleinen Szene im Vordergrund der Anlage an (damit die Lehnenkarre im uneingeschränkten Blickfeld liegt).
Passende Holzbrettchen bekommt man (für Nicht-Selbstzusäger) übrigens z.B. bei www.dreger-modellbau.de , leider kein Buche, aber Nussbaum, Ahorn, Birne oder Birke ist genauso widerstandsfähig.
Schwäbisch-sparsame Grüße
Tobi
Benutzeravatar
Marcel
Buntbahner
Buntbahner
Beiträge: 2970
Registriert: Sa 1. Mär 2003, 17:44
Wohnort: Hägglingen / Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Gepäck- oder Lehnenkarre

Beitrag von Marcel »

Das ist echter Modellbau!! :respekt: Besten Dank Thomas für diesen tollen und sehr anschaulich beschriebenen Beitrag. Ich bin beeindruckt wie du den Rahmen aus dem Vollen geschnitzt und wie du das Rad hergestellt hast. Da freue ich mich schon auf deine weiteren Bauprojekte.....
theylmdl
Buntbahner
Buntbahner
Beiträge: 5812
Registriert: Fr 14. Jan 2005, 01:01
Wohnort: Frankfurt a.M.
Kontaktdaten:

Re: Gepäck- oder Lehnenkarre

Beitrag von theylmdl »

Hallo Marcel,
und das von Dir, [schäm]lange Pause![/schäm]. So extraprima ist das nun ja noch nicht. Die Speichen sind zu dick (etwa 1,6mm wären besser), und überhaupt.
Aber ich habe Dir vorhin eine Mail mit ein paar weiteren Anregungen geschickt, die werde ich hier bei Gelegenheit auch vorstellen. Und in der Gemüse-Frage geht's ja auch vorwärts...
Beste Grüße -
Thomas Hey'l - info@themt.de - www * themt * de
Antworten