Deutz Benzollok 789 (korrigiert) der Straßenbahn Schöneiche

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Dampfwalter
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Deutz Benzollok 789 (korrigiert) der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Dampfwalter »

Ich möchte hier mein diesjähriges Winterprojekt vorstellen. Es soll mein erster größerer Beitrag in diesem Forum werden, ich bitte deshalb diverse technische Probleme zu entschuldigen und nehme Lösungs- und sonstige Hinweise gerne an.
20221222_232013.jpg
hier noch ein kleines Video:
https://youtu.be/mMe284yKcs8

Es ist der Nachbau der Lok 513 der Gasmotorenfabrik Cöln-Deutz nach dem Bauplan/Buch Heißluftmotoren XIV von Ernst-Arno Kruse, erschienen im Neckar Verlag 2015. Die Lokomotive in Schöneiche hatte allerdings wie ich zwischenzeitlich erfahren habe [9, 13] die Baunummer 789.

Vorab möchte ich hier schon mal ein großes Lob an den Autor für dieses tolle und leistungsstarke Modell und die aussagekräftige Bauanleitung aussprechen.
P1160757.JPG
Die Lokomotive wurde 1910 gebaut und bei der Straßenbahn Schöneiche als erste Lok (Spitzname Benzoline) ab 28. August 1910 eingesetzt. Hierzu bzw. zu verwandten Lokomotiven konnte ich im Internet und in Printmedien eine begrenzte aber doch aussagekräftige Anzahl an Fakten und Bildmaterial finden, hier eine kurze Auswahl:

1. DEUTZER Motor-Lokomotiven, Reprint der Freunde der Eisenbahn
P1160754.JPG
2. Wikipedia, Eintrag Straßenbahn Schöneiche
Tram881911.jpg
3. Internetauftritt der Stadt Schöneiche
4. https://hellertal.startbilder.de/bild/D ... deutz.html (diese Lok mit ähnlicher Technik steht im Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen, weitere Bilder auf Bahnbilder.de: https://www.bahnbilder.de/1200/eine-deu ... 129835.jpg) ich habe mich bei der Farbgebung des Rahmens hieran orientiert.
5,. https://www.soree.info/digi-albums/tram ... .html#p=34
(es wird eine Album Datei mit tollen Bildern und Infos zur Historie der Straßenbahn Venlo Tegelen (1910 - 1918 mit Benzollokomotiven der Fa. Deutz in Betrieb) heruntergeladen - dauert einige Zeit).
6. http://marinebahn.festungnorderney.de/ (hier sieht man Bilder beim Anlassen einer ähnlich gebauten Feldbahnlok die bis 1945 im Einsatz war)
7. http://www.busiasch.net/Html/George.htm (sehr schöne Beschreibung zum Arbeiten mit einer Benzollok im Alltagsbetrieb, sowie schöne Bilder auch zum Motor in Dahlhausen.
8. YouTube Videos zu "Oberursel Benzollok"
9. Tram Geschichte(n) Schienenwege nach Schöneiche und Rüdersdorf, Ivo Köhler, Denkmalpflege-Verein Nahverkehr Berlin e.V., 1997. zahlreiche Informationen und Abbildungen auch zu den 5 Tram Lokomotiven in Schöneiche und Kalkberg der Fa. Deutz
10. 80 Jahre Straßenbahn Schöneiche 1910-1990, Dipl.Ing. Kietzke, Straßenbahn Schöneiche 1990
11. www.Inselbahn.de, Seiten zur Inselbahn Juist mit einigen Abbildungen der dort eingesetzten meterspurigen Kasten-Motorlokomotiven der Fa. Deutz von 1899, 1902 und 1912 (vielen Dank an Herrn Wolf Groote für den freundlichen Hinweis)
12. www.Drehscheibe-online.de, https://www.drehscheibe-online.de/foren ... 17,5856028, Farbfotos zu den Deutz Kastenlokomotiven und dem Bahnhof Juist mit 2 Lokomotiven von 1899 und 1902
Juist Bahnhof.jpg
13. www.Lokhersteller.de und Downloadliste (kostenpflichtig) des Autors Jens Merte
14. Fahrzeugarchiv 1872-1997, Von der Pferdebahn zum Niederflurwagen, Arbeitsgemeinschaft "Historische Nahverkehrsmittel Leipzig" e.V.
15. Vom Zweispänner zur Stadtbahn, Die Geschichte der Leipziger Verkehrsbetriebe und ihrer Vorgänger, Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH, 16.März.1996

Hier eine kurze Zusammenfassung:

zur Technik des Originals:
Hersteller: Gasmotorenfabrik Cöln-Deutz (Anmerkung ab 1919 Köln)
Bauart: liegender 1 Zylinder 4-Takt Motor mit offenem Kurbelgehäuse, Verdampferkühlung und 2-Gang Getriebe (5 und 15 km/h), 16 PS. ca. 300 U/min. Diese Angaben sind noch nicht sicher. (evtl. auch 2 Zylinder Motor in Boxeranordnung und 4 - 12 km/h Geschwindigkeit)
Treibstoff: Benzol (auch Petroleum, Ergin, Spiritus, Benzin möglich)
Spurweite 1000 mm
Anlassen: 1-2 Mann an der ins Schwungrad eingesteckten Kurbel, 1 Person zum Betätigen der Zündung im rechten Moment :D
Anzahl: es wurden 2 ähnliche Lokomotiven mit jeweils 2 Anhängewagen beschafft. Später kamen für die Steilstrecke in Kalkberge noch 3 weitere etwas größere und anders gebaute Lokomotiven mit 60 PS der Fa. Deutz hinzu.
Verbleib: im aktiven Dienst als Straßenbahnlok nur bis 1914 wegen Umstellung auf die leistungsstärkere elektrische Straßenbahn. Ab 1916 wurden beide Lokomotiven an die Heeresverwaltung abgegeben [13].
Bei der ähnlichen Straßenbahn Venlo - Tegelen waren die Lokomotiven 8 Jahre im Einsatz und wurden danach als Industrie/Feldbahnlokomotiven (teilweise mit umgebautem Gehäuse) bis ca. 1934 weiterverwendet.

Zur Strecke:
Berlin Friederichshagen - Schöneiche/Schloss (5,6 km)
ab 5. Mai 1912 Verlängerung bis Kalkberge (7,7 km)
ab 30.Mai 1914 Ende des Betriebs der Benzollokomotiven (hauptsächlich, da diese Schwierigkeiten mit den Steigungen in Kalkberge hatten)
Die Strecke wurde im 30 Minuten Takt befahren.

Zum Modell:
Die Lok wird mit einem luftgekühlten Flammenfresser-/Vakuummotor (ca. 26 cm³, ca. 700 U/min) angetrieben. Diese Antriebsart gilt ja trotz der einfachen Bauweise als nicht unproblematisch im Funktionsmodellbau. Die Motoren haben eine schönen Sound, gelten aber als recht zickig und leistungsschwach, was das ganze für mich aber auch irgendwie spannend machte.

Nach dem Zusammenbau diverser Bausätze (Regner, Reppingen) und Eigenbauten zweier Echtdampflokomotiven (994701 mit Reppingen Kessel und umgebautem Regner-Gehäuse, "Wilde 13" - Einzylinder Dampflok, ebenfalls modifiziert nach dem Bauplan von Ernst-Arno Kruse), einer Stirlinglok (mit Stirlingmotor Laura Fa. Bengs) und einer "Live-Diesel"-Lokomotive (FaurL45H mit selbstgebauten Glühzündermotor) wollte ich mich mal diesem mir völlig unbekanntem Terrain annehmen.

Meine Zielvorstellungen waren: Die Lok sollte zuverlässig laufen und mindestens 2 zweiachsige Wagen mit originaler Geschwindigkeit ziehen können. Zunächst war nur eine manuelle Steuerung geplant, nachdem das Projekt aber nach diversen Try and Error Episoden sich sehr positiv entwickelte, sollte auch eine RC-Steuerung gewagt werden.

Ich möchte in den nächsten Beiträgen meine dementsprechenden Modifikationen des originalen Bauplanes von Herrn Kruse vorstellen. Diese betreffen insbesondere:
- thermische Optimierung incl. verändertem Brenner
- Einbau einer RC-Steuerung
- optische Ausgestaltung
- Verwendung einiger handelsüblicher Teile (z.B. Räder, Buchsen, Kupplungen, Zahnräder)
- Einbringen bewährter technischer Konstruktionen aus anderen Projekten.

Ich beabsichtige die Baugruppen mit meinen Modifikationen im Detail vorzustellen und freue mich auf Eure Kommentare.

Walter
Zuletzt geändert von Dampfwalter am Fr 20. Jan 2023, 16:34, insgesamt 5-mal geändert.
Dampfwalter
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Dampfwalter »

Zur Einstimmung erst einmal die Ansichten des fertigen Modells. Die originale Bauanleitung ist sehr gut bebildert und weist gute Zeichnungen auf. Mir fehlten allerdings manchmal diese genauen Seitenansichten, die leider auch bei mir Verzerrungen durch die Projektion aufweisen:
1_Außenansichten.jpg
2_Innenansichten.jpg
3_unten.jpg
4_oben.jpg
Auf die Details werde ich im Einzelnen noch etwas eingehen.

Allgemeine Vorbemerkungen:
Herr Kruse verwendet im Originalplan überwiegend M3 Schrauben, ich verwende ganz überwiegend M2 Schrauben.
Für die Halterungen der Armaturen und Lager wird im Original überwiegend Stahl verwendet, ich verwende ohne Probleme überall Messing oder Aluminium. Auf weitere Materialabweichungen gehe ich bei den Baugruppen ein.
Zuletzt geändert von Dampfwalter am Mo 2. Jan 2023, 14:00, insgesamt 1-mal geändert.
Dampfwalter
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Dampfwalter »

Bodenplatte

Ich starte mal mit der Bodenplatte, die neben dem Kühlmantel des Zylinders eines der zentralen Bauteile darstellt. An der Bodenplatte werden die Rahmenteile wie auch alle Motorteile befestigt. In dieser Hinsicht ähnelt die Konstruktion einer Dampflok. Der Motor kann also nicht in toto entnommen werden. Die Bohrungen für den Motor sind daher funktionsrelevant und sollten mit hoher Präzision erfolgen.

Im Originalplan soll die Bodenplatte aus 2 mm Aluminium sein, was auch unbedingt zu empfehlen ist. Mir stand nur 1,5 mm Aluminium zur Verfügung (ich hätte besser etwas bestellt), was sich im Nachhinein als nicht ausreichend stabil erwies und punktuell im Bereich der Kurbelwellenlagerung verstärkt werden musste. Auch steht bei 2 mm Materialstärke mehr Material für Gewinde zur Verfügung.

Auffälligste Änderung bei mir sind die (nachträglich) eingefrästen Schlitze unter den Kühlrippen, die zu einer wesentlichen Verbesserung der Ventilation/Kühlung beitragen und sich sehr gut bewährt haben.

Abweichend vom Original verwende ich viele M2-Senkkopfschrauben, da meine zusätzlichen Einbauten (Licht, RC-Komponenten) aber z.B. auch die Halterungen der Treppen sonst in Kollision mit vorhandenen oder neuen Teilen geraten würden.
5_Bodenplatte.jpg
Die Bodenplatte ist nur von unten lackiert, die Seiten werden durch das Abnehmen des Gehäuses zu stark belastet. Eine Lackierung der Oberseite bringt eher Nachteile als Vorteile. So soll z.B. der Kühlmantel durchaus Wärme an die Bodenplatte und den Rahmen ableiten, was durch eine Lackierung verschlechtert würde (Mit Aussparungen ginge es natürlich).
Major Tom
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Major Tom »

Hallo Walter,

das ist ja eine tolle Arbeit ! Bin gespannt auf die Fortsetzung ,

Grüße & guten Rutsch,
Dieter
Völlig losgelöst ...
Dampfwalter
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Dampfwalter »

Hallo Dieter, danke für die Vorschusslorbeeren... und weiter geht es mit dem Rahmen.

Dieser besteht im Originalplan aus Alu-Winkelleisten die zwar mit der Deckplatte, nicht aber untereinander verschraubt sind. Diese Konstruktion hat den Sinn, dass man ein seitliches Rahmenteil zur Montage der Achse des Bremswinkels später leicht demontieren kann.

Aus Gründen einer besseren Verwindungssteifigkeit habe ich hier die Rahmenteile untereinander mittels Aluwinkeln 10x1,5 mm verschraubt, zumal ich ja eine dünnere Bodenplatte verwendet habe. Außerdem machen sich gerade die stirnseitigen Schrauben optisch gut als Ersatz für die hier im Original sitzenden Nietreihen (s. eingefügtes Werkbild).
6_Rahmen_mit_Anbauten.jpg
Die Montage des Bremswinkels musste ich daher anders lösen, hierauf gehe ich bei der Bremsanlage ein. Auf mögliche Kollisionsprobleme des Bremswinkels mit dem vorderen Schienenräumer weist bereits die originale Bauanleitung hin, so dass dieser einen Ausschnitt im vertikalen Teil erhielt. Ich habe an dieser Stelle bereits die wesentlichen Anbauten (Sandkästen und Schienenräumer) montiert und alles (ohne Ventilator und Leitblech) zusammen 2x mit Metaflux RAL 3002 hochglänzend und nach ein paar Tagen mit 2K-KLarlack seidenmatt lackiert.

Viele Lacke haben eine schlechte Haftung auf Aluminium. Ich habe da mit dem Metaflux-Lacken gute Erfahrungen gemacht. Die Alu-Teile werden vorher vorsichtig mit 1000er Schleifvlies angerauht, dann mit heißem Spülwasser gereinigt und abschließend mit Isopropylalkohol 100% entfettet. Die Kanten müssen natürlich gut entgratet bzw. leicht gerundet sein.
Der 2K Decklack führt nach 1 Tag bereits zu einer sehr guten Kratzbeständigkeit. Die Metafluxlacke werden nach längerer Zeit (mehrere Wochen) auch ohne 2K-Decklack sehr widerstandsfähig. Ein weiterer Grund für den 2K-Lacküberzug ist die gute Chemikalienresistenz und der Treibstoff (Brennspiritus) ist hier nicht unkritisch. Inwieweit die Metaflux-Lacke hier beständig sind, weiß ich nicht.

Bei der Farbauswahl für den Rahmen habe ich mich mangels originaler Farbangaben/-bilder schwer getan: Schwarz oder Rot war hier die Frage. Es gab wohl beides. Auf dem schwarzweiß Werkfoto der Lok sieht die Pufferbohle außen sehr dunkel aus, die Räder und der Rahmen wirken deutlich heller. Die 3 Jahre später gebaute Deutz Rangierlok im Museum Bochum-Dahlhausen hat einen roten Rahmen und rote Räder. Das gab den Ausschlag für Rot.
Zuletzt geändert von Dampfwalter am So 1. Jan 2023, 15:53, insgesamt 1-mal geändert.
Dampfwalter
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Dampfwalter »

Fertigstellung des Fahrwerkes:

Zunächst einmal werden die Bohrungen für die Achslager mittel Reibahle von Farbresten entfernt, dann werden die Gleitlagerbuchsen (Iglidur ® G) eingepresst. Im Originalmodell sind hier Messingdrehteile vorgesehen.
P1160770a.JPG
Der Ventilator mit Leitblech wird mit Stehbolzen verschraubt. Als Stehbolzen habe ich drei M2x4-Senkkopfschrauben mit Sekundenkleber eingeklebt, da der Motorblock die Schrauben später nicht mehr zugänglich macht. Dies gilt auch umgekehrt, so dass vor der Montage des Kühlers der Motorblock mit 4 M2 Schrauben verschraubt wird (2 davon sind nach der Montage des Ventilators nicht mehr zugänglich). Der kleine 3 cm Ventilator wird von einem Brushlessmotor (5 V, 100 mA) kräftig angetrieben und bläst dank dem genau sitzenden Leitblech aus 0,5 mm Alu schön durch die Kühlrippen :D :D :D. Die Überspannung von 6 V verträgt er bislang klaglos. :P Der Brushlessmotor lässt sich nicht einfach umpolen :roll: , so dass man (ich) den Ventilator umdrehen musste, auf dem Bild sitzt der Ventilator noch falsch herum (Vergleiche unten) :oops: . Er ist mittels Mikrosteckern verdrahtet und lässt sich auch ohne Ausbau der Achsen (das Bremsgestänge muss weg) erforderlichenfalls ruckzuck austauschen.
P1160773.JPG
Jetzt können die Achsen und Räder mit 90° Seitenversatz montiert werden. Wichtig: hierbei das Antriebszahnrad Modul 0,6 x 50 Zähne nicht vergessen :D. Die Kuppelstangen (ebenfalls mit Iglidur ® Gleitlagern) müssen jetzt sorgfältig eingestellt werden. Jetzt ist eine Rollprobe angebracht: Die Lok sollte gut auf allen 4 Rädern stehen und ganz leichtgängig rollen. Ich musste hier sowohl an einem Achslager als auch an einer Kuppelstange etwas nacharbeiten. Die Gleitlager wurden in die entsprechende Richtung in einem Langloch verschoben. Der Rest wurde mit lichthärtendem Flüssigkunststoff (Methylmethacrylat) bündig verschlossen. Nach dem Lackieren und Aufreiben musste dies bei dem Achslager wiederholt werden.

Die Räder sind im Originalmodell aus Aluminium selber gegossen. Ich habe dies auch bei meiner Stirlinglok als Aluguss und für die Radsterne bei meiner 99 4701 in Messing gemacht. Mit den Ergebnissen war ich auch zufrieden (Messing geht viel besser als Alu beim Schwerkraft-Sandguss). Der Aufwand ist aber sehr hoch und für mich nur gerechtfertigt, wenn keine passenden und bezahlbaren Räder verfügbar sind. Die CNC-gefrästen Räder von Herrmann-Echtdampf passen für diese Lok hervorragend und haben eine sehr gute Qualität, z.B. mit Buchsen für die Kuppelstangen und Isolierung zum Spurkranz. Den Preis finde ich auch sehr fair. Eigenbau schied also aus.

In der Werkschrift der Firma Cöln-Deutz heißt es Zug- und Stoßvorrichtung wird den Wagen angepasst. Also gesagt getan: Die Trichterkupplungen gem Originalbauplan finde ich sehr ansprechend, passen aber nicht zu meinen überwiegend mit LGB-Kupplungen ausgestatteten Wagen. Ich griff deshalb hier auf die Easyline-Kupplungen der Fa. Regner zurück. Diese sind LGB-kompatibel können aber auch als Trichterkupplung/Puffer wirken. Sie haben sich bei dem Modell recht gut bewährt. Für die Montage habe ich zwischen Pufferbohle und Kupplung eine schwarz brünierte, passend gefräste Messingplatte eingesetzt. Diese verhindert mit einer zweiten Schraube zuverlässig ein unerwünschtes Losdrehen der Kupplung.
P1160771.JPG
Man kann/sollte jetzt auch die Bremsanlage einbauen, ich gehe da aber separat drauf ein. Wichtiger ist die Montage der Trittstufen, da man hier später nur nach Demontage anderer Teile wieder den Zugang bekommt. Die Lok ist jetzt von unten fertig. Die Trittstufen sind mit einem Messingtränenblech ausgestattet (Riffelblech wäre wahrscheinlich originaler, hatte ich aber nicht in 1:20).
P1160786.JPG
3_unten.jpg
Zuletzt geändert von Dampfwalter am Mo 2. Jan 2023, 08:53, insgesamt 4-mal geändert.
Dampfwalter
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Dampfwalter »

Bevor ich auf Einzelheiten des Antriebs eingehe, hier noch einmal die Original-Werkszeichnung der Fa. Deutz einer Lokomotive der Tram Venlo - Tegelen (Quelle 5):
7_techische_Zeichnung.jpg
Die Lok weist eine Spurweite von 750 mm und ein innenliegendes Laufwerk auf. Die Transmission auf die hintere Achse ist für mich nicht erkennbar. Von der Fa. Deutz wurden Varianten mit Zahnrad oder Kettenantrieb angeboten (Quelle 1). Der liegende Einzylindermotor mit Verdampferkühlung ist ebenso wie das Wendeherzgetriebe angedeutet. Eine Kupplung sehe ich nicht. Weiß jemand wie das Einkuppeln hier geschah?

Von Herrn Wolf Groote erhielt ich freundlicherweise noch folgende Originalzeichnungen zu Motorlokomotiven der Fa. Deutz auf der Insel Juist:
Disellok IB Juist bearb1.jpg
Herrmann 1913.jpg
Beide Lokomotiven haben liegende Zweizylindermotoren mit Transmission mittels Ketten. Die Lok von 1899 (12 PS) ist noch nicht verglast.

Sowohl die Lokomotiven in Juist (1913) und und in Venlo weisen einige Unterschiede zur "Benzoline" auf. Es ist die spätere Gehäusevariante mit drei statt zwei Seitenfenstern, und die Fenster auf den Frontseiten reichen tiefer.

Diese Gehäusevariante wurde auch bei der zweiten Lokomotive der Straßenbahn Schöneiche (Werk-Nr. 844, Baujahr 1911) verwendet wurde. Auch scheint diese Lokomotive ein innenliegendes Laufwerk zu haben:
8_Gehäusevariante_Schöneiche.jpg
Quelle: Druckschrift 1990: 80 Jahre Straßenbahn Schöneiche 1910 - 1990
Zuletzt geändert von Dampfwalter am So 15. Jan 2023, 23:24, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Dampfwalter »

Der Vakuummotor auch Flammenfresser genannt.

Hier eine Übersicht der Baugruppe Zylinder. Ich fasse hier alles zusammen, was direkt mit dem Zylinder verbunden ist, also
- Kolben/Kolbenring/Pleuel
- Laufbuchse/Zylinder
- Kühler
- Zylinderkopf
- Auslassventil mit Möglichkeit zur manuellen Steuerung
- Einlassventil mit Kipphebel
- (Umsteuerhebel, gehört funktionell eigentlich hier nicht hin, ist aber am Kühler befestigt)
10_Übersicht Baugruppe Zylinder.jpg
Das größte Einzelteil (Volumen/Gewicht) und damit auch größte Herausforderung bei der Bearbeitung für mich war der Kühler (Alu, 64x58x64 mm). Für alle Dreh- und Fräsarbeiten steht mir nur eine betagte Emco Unimat 3 (mit Ersatzmotoren) zur Verfügung. Große Löcher bohre ich mit einer Güde Ständerbohrmaschine (auf), zum Bleche schneiden habe ich eine Proxxon Feinschnittkreissäge 200 W und zum Sägen großer Metallstücke habe ich mir dieses Jahr eine Scheppach Metallbandsäge geleistet, die mir wirklich gute Dienste leistet.

Hier mal ein Standfoto vom Fräsen der 10 mm tiefen Kühlrippen:
Kührippen_fräsen.jpg
Man sieht, dass mir die Kühlrippen nicht sehr schön gelungen sind :oops: , da ich die Abstände unplanmäßig vergrößern musste, da sich der Alu-Fräser schnell festfraß. Funktional hat es keine Auswirkungen und beim geschlossenen Modell sieht man es erst auf den zweiten Blick. Beim nächsten Mal wird es mit viel Schneidöl hoffentlich besser. Hat jemand hierzu einen Tipp, der sich mit so einer kleinen Maschine umsetzen lässt? Ich habe es auch mal mit der Proxxon-Kreissäge probiert, das Ergebnis war aber auch nicht wirklich befriedigend. Der Kühler wurde im übrigen weitgehend nach Plan gefertigt (außer diversen M2 statt M3 Bohrungen). Das Aufbohren des Kernlochs ging recht gut auf meiner Standbohmaschine,

Beim Zylinderkopf habe ich 2 Modifikationen vorgenommen
20230101_111133.jpg
Nach Originalplan wird er aus Stahl (ohne Angabe) gefertigt und mit dem Zylinder/Laufbuchse (ebenfalls Stahl) weich verlötet. Mein Zylinderkopf besteht aus Kugelgraphit-Gusseisen. Ich habe hier außerdem auf die Konstruktion des Zylinderkopfs des "Kleinen Karls" (Fa. Bengs, bei mir in meiner Faur L45H) zurückgegriffen. In den Zylinderkopf ist halbhoch eine Aussparung für einen Vitonring eingefräst. Beim Anschrauben des Zylinderkopfes klemmt dieser den Zylinder fest ein. Ich hatte etwas Bedenken ob der Vitonring die Hitze aushält (Der Zylinderkopf ist das heißeste Teil des Motors), stellt aber bislang kein Problem dar. Das Bild stellt den zu diesem Zweck abgenommenen Zylinderkopf dar. Der Vitonring (immer noch der Erste) sieht schon etwas mitgenommen aus, funktioniert aber noch tadellos. Man sieht deutlich die Neigung zum Rosten beim Gusseisen. Die Ventilflächen sind aber tadellos. Jan Ridders empfiehlt in einem Artikel bei Maschinen im Modellbau für seine Ottomotoren aus Gusseisen gelegentlich ein paar Tropfen WD 40 anzuwenden, was ich wohl auch beherzigen sollte.
Die Ventilflächen von Zylinderkopf und Ventilen wurden nach Planfräsen/-drehen mit Ventilschleifpaste (Fa. Bengs, 20µm) und einer geschliffenen Glasplatte (Dentalfachhandel) in erstaunlich kurze Zeit dicht geschliffen.

Beim Zylinder (29x27x70 mm) habe ich statt Stahl ein Präzisionsedelstahlrohr (1,4301) ohne wesentliche Nachbearbeitung verwendet.

Den Kolben habe ich statt aus Stahl ebenfalls aus Gusseisen gefertigt. Die Abdichtung übernimmt ein Vitonring Fadenstärke 1,5 mm. Der Motor läuft auch ohne Vitonring, mit aber deutlich besser. Nach geschätzt mindestens 20 h Laufzeit funktioniert der Vitonring noch einwandfrei. Geschmiert wird vor jedem Lauf, und dann alle ca. 10 min mit 1 Tropfen Synthetik Motoröl (Castrol 5W-49). Kolbenbolzenlager und Pleuel habe ich aus Gewichtsgründen aus Duraluminium statt aus Stahl gefertigt. Im Pleuel ist zylinderseitig eine Messinggleitlager, kurbelwellenseitig ein Kugellager eingelegt. Leider schlug der Fehlerteufel :twisted: zu: ich musste den Pleuel auf der Oberseite etwas nachfeilen, da er hier Kontakt zum Zylinder hatte, die Optik hat dadurch leider gelitten. Auf dem Kolbenboden ist etwas ausgetretene Flüssigdichtung festgebrannt, die sich leider nicht ohne weiteres entfernen lässt.


Kolben.jpg
Dampfwalter
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von Dampfwalter »

Fehler beim Kipphebel mit Folgen....
11_Fehler_Kipphebel.jpg
Bei der Herstellung des Kipphebels hatte ich einen schlechten Tag :oops: .

Nach dem ich ihn recht ordentlich aus Stahlblech 2 mm ausgefräst hatte, waren nur noch 2 Bohrungen zu machen:
1x 3mm für das Einlassventil und 1x 3 mm für das Abtasterrädchen zur Nockenwelle.
Ups... M3-Loch nicht 3 mm Durchgangsloch war gefordert.
Problemlösung Lagerbolzen mit M2-Gewinde für den Abtaster weich eingelötet. Fertig.

Leider den Plan wieder falsch gelesen. Der Abtaster ist 180° zum Ventil gedreht :oops: .

Also mal auf die Platzverhältnisse geschaut: jede Menge Platz, sollte auch so gehen, also Nockenwellenrad auch 180° gedreht. Fertig. Das Abtasterrädchen läuft bei mir in einem Iglidur Gleitlager statt in einem Kugellager bislang ohne Probleme.

Probebetrieb (ohne Getriebe) läuft auch alles prima. Problem gelöst.

Beim Einbau des Wendegetriebes dann das böse Erwachen. Passt nicht rein, ca. 2 mm zu dick. :roll:

Die 2 mm konnte ich dann doch noch zum Glück am Wendegetriebe sparen - Juhu. Es passt auch so...und bleibt...

Beim nächsten Mal muss ich genauer hinschauen. Anmerkung: hier wäre eine Ansicht (Zeichnung/Foto) von oben hilfreich gewesen.

Weiter geht es mit der Funktionseinheit "Wellenblock" bestehend aus Kurbelwelle, Nockenwelle, Schwungrad und Reduktions-/Wendegetriebe nebst Lagerböcken

Die Kurbel mit Ausgleichsgewicht, das Abtriebszahnrad, die Nockenwelle und das Schwungrad befinden sich gemeinsam (in dieser Reihenfolge) auf einer Welle 6*66 mm. Gelagert wird das ganze in 2 Lagerböcken (bei mir Alu 2 mm statt Stahl) mit Kugellagern. Die Lagerböcke habe ich gegenüber dem Original vereinfacht, da sie einerseits nicht über die Fenster hinausragen und ich andererseits die geringere Festigkeit des Aluminiums etwas kompensieren wollte. Der innere Lagerbock dient weiterhin der Befestigung und Führung des Wendeherzgetriebe sowie der Aufnahme der Halterung für die Bremsspindel.

Im Wesentlichen habe ich hier erstmal nach Plan gearbeitet. Aber wieder M2 statt M3 Schrauben und Messing statt Stahl bei der Kurbel:
12_Wellenblock.jpg
Die Gesamtübersetzung beträgt vorwärts wie rückwärts 1:8. Nach Angaben des Autors läuft sein Modell (bei Maßstab 1:22,5) umgerechnet 14 km / h, macht im Modell 10,4 m / min. Die Räder (Laufraddurchmesser 36 mm) müssen hierfür pro Minute ~ 89 Umdrehungen machen. Bei einer Übersetzung von 1:8 muss der Motor hierzu 712 Umdrehungen/min schaffen. Mein Motor schaffte zu diesem Zeitpunkt aber bei gutem Drehmoment und unter Last nur 550 U/min mit sinnvoller Flammengröße. Ich habe mich daher entschieden die Übersetzung des Gesamtgetriebes auf 1:5,25 zu verringern. (Kubelwellenzahnrad 33 Zähne statt 25 Zähne, Gegenstück 52 Zähne statt 60 Zähne, jeweils Modul 0,6).
Im Leerlauf und bei geringer Last läuft mein Motor nach diversem Feintuning und Einlaufen inzwischen auch 700 bis 750 U/min (das hässliche Isolierband auf dem Schwungrad ist nur temporär für Drehzahlmessungen angebracht). Das Modell läuft also zu schnell. Ich lege allerdings einen Maßstab von ca. 1:20 zu Grunde und unter Last mit 2 Anhängern läuft es jetzt vorschriftsmäßig die Höchstgeschwindigkeit von umgerechnet 15 km/h, ohne Last ca. 18 km/h was zwar geschönt ist, aber trotzdem gut aussieht.

Die Original "Benzoline" verfügte über ein 2-Gang Getriebe (5 und 15 km/h), das bei dem Modell auch sehr gut käme. Es würde der Lok im Rangierdienst (Anschlussverwendung?) dann auch einen deutlichen stärkeren / realistischeren Eindruck vermitteln. Eine Idee zur Umsetzung hätte ich da schon ....

Im nächsten Abschnitt geht es aber um die Einstellung der Steuerung und den Probebetrieb bzw. Funktionsbetrieb.
ottmar
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Re: Deutz Benzollok 513 der Straßenbahn Schöneiche

Beitrag von ottmar »

Hallo Walter,

ich finde diese kleine Tramlok sehr beeindruckend! Ich musste Googlen, um das spannende Thema zu finden und zu verstehen. Bisher kannte ich nur die "Heizöl"-Trams aus Belgien. Vielen Dank für Deine erhellende Geschichte und weiterhin viel Erfolg!

Viele Grüße Ottmar
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