Malletlokomotive von Orenstein & Koppel im Eigenbau (Recherchen, Planung, Umsetzung, Problemlösung)

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Malletlokomotive von Orenstein & Koppel im Eigenbau (Recherchen, Planung, Umsetzung, Problemlösung)

Beitrag von Tüftler »

Hallo Modellbaufreunde.

Hiermit möchte ich mein neuestes und wohl auch letztes Projekt vorstellen.


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Vorbild

Es handelt sich um eine Lokomotive von Orenstein und Koppel, die 1907 an eine Silbermine auf Tasmanien geliefert wurde.


A5 (Tüftler)
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Im Bild oben: Baujahr 1906, Nr. 2609, Bauart Mallet , Steuerung Marshall in der von O & K Patentsteuerung genannten Variante, Spurweite 2 Fuß , 110 PS, 18 Tonnen, ausgelegt für Holzfeuerung.

Wegen ihrer harmonischen Proportionen und einiger Besonderheiten, wie der atypischen Verteilung der Zylinder, des Außenrahmens hinten, der Lenkersteuerung und des offenen Führerhauses hat sie beim Durchblättern des Nachdruck von Katalog Nr. 800 von Orenstein & Koppel, aus dem auch das obige Bild stammt, mein Interesse geweckt.

Recherchen im Internet waren dadurch erschwert, dass die Klassifizierung der Lokomotiven nach der Achsfolge in den verschiedenen Systemen nichts über die Lage der Zylinder aussagt, so dass anhand von Listen der von O&K gelieferter Mallet-Lokomotiven nicht zu entscheiden war, ob es sich um "meine Mallet" handelt.

Trotzdem war noch erstaunlich viel über eine nach Tasmanien gelieferte Lok zu erfahren.

- Unter „Commons.magnet Tramway“ zum Teil stimmungsvolle Bilder vom Einsatz bei der Magnet Silver Mining Co. auf Tasmanien, wo sie zusammen mit einer schon 1902 gelieferten Schwesterlok als Magnet III im Einsatz war.

- Bei "Jim Fainges drawings" Übersichtszeichnungen mit einigen Maßangaben von einer entsprechenden Lok mit einem kleinen Schlepptender.

- Einer Dokumentation über die Silbermiene und die dort eingesetzten Lokomotiven waren Bilder und Informationen über Einsatz und den weiteren Werdegang der Lokomotiven zu entnehmen.

- Unter Bilder zu WALRPA fanden sich Aufnahmen der teilweise aufgearbeiteten Lok .

Da ich mich im Urheberrecht nicht auskenne, konnte ich die Bilder leider nicht direkt in den Beitrag einstellen.

Die Magnet Nr. III war bis 1940 auf dem Magnet Tramway im Einsatz, bis 1962 dann bei einer Goldmiene in Australien und landete auf Umwegen schließlich bei der Westaustralien Light Railway Preservation Association (WALRPA).

Nachdem sie als Denkmal vor einem Vergnügungspark gestanden hatte, wurde sie dort teilrestauriert. Bilder aus dem Jahr 2007 zeigen in einem Schuppen das aufgearbeitete Fahrwerk und den zur Berohrung vorbereiteten Kessel. Was sonst noch von ihr übrig ist bleibt unklar. Ob die Aufarbeitung fortgesetzt wurde, war nicht zu erfahren. Vielleicht kommt ja mal ein Forumsmitglied bei Perth im Whiteman Park vorbei.

Ein Zertifikat wird hoffentlich dazu beitragen, dass die Lok nicht ganz verschwindet.

A6_ (Tüftler)
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Pläne für die Lok allerdings mit Flammrohrkessel hatte ich schon gezeichnet, als ich in Ludwigshaven beobachten konnte,
wie relaxt "Flachschieber" Marco seine Kohlelok fahren ließ und wie gutmütig sich das Aktivkohlefeuer verhielt.

Ein Kohlekessel musste also her.

Da ein solcher Kessel, noch dazu aus Kupfer, Neuland für mich war, hatte ich mir vorgenommen, in zwei Schritten vorzugehen und zunächst den Kessel zu bauen. Später nach dessen hoffentlich erfolgreicher Erprobung die Lokomotive. Darüber ist viel Zeit vergangen. Baubeginn war Mitte 2017 . Nach Probefahrten mit einem Keramikbrenner in der Feuerbüchse, hat sie coronabedingt erst jetzt erste Einsätze mit Kohlefeuerung absolviert. Dabei habe ich Shishakohle auf Cocusbasis verwendet, die sehr zuverlässig brennt und nur sehr wenig Asche hinterlässt. Leider liegt sie nur in großen Quadern vor und das Zerkleinern ist unfallträchtig.

Der Kessel

Weil wegen des erforderlichen Bläsers und der 4 Zylinder ( 10 mm Kolbendurchmesser, 2x 7,2 mm Hub) mit einem hoher Dampfverbrauch gerechnet werden musste, habe ich mich für eine allseits umflossene (nasse) Feuerbüchse entschieden, die mir auch löttechnisch einfacher zu sein schien. Nur der kurze zwischen die Rahmenwangen reichende Teil ist nicht doppelwandig.
Um auch Kondensationsverluste durch die bei Mallet-Bauweise erforderlichen langen Rohrleitungen zu minimieren, sind die Dampfleitungen sowie Regler und Bläser in den Kessel verlegt. Aus dem gleichen Grund habe ich auch auf den bei Malletlokomotiven üblichen Verbundbetrieb verzichtet. Da die Abdampfleitungen und der Bläser an der Stirnseite des Kessels austreten, war die Feuerbüchse gut abzudichten, was der Bläserwirkung zugute kommt.
A7 (Tüftler)
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Das Kupferrohr für den Kessel hat einen Durchmesser von 54 mm und eine Wandstärke von 2 mm . Im Vergleich mit dem Durchmesser des Originalkessel, der bei 100 cm gelegen haben dürfte, errechnet sich für die spätere Lokomotive ein Maßstab von etwa 1 : 18,5 .


Für die konstruktionsbedingt umfangreichen Lötarbeiten hatte ich mir von vornherein vorgenommen, lieber in vielen kleinen übersichtlichen Schritten vorzugehen, um nicht bei Umlagerung, oder wenn etwas schief geht, in Panik zu geraten. Dabei habe ich in Kauf genommen, spätere Lötstellen immer wieder reinigen zu müssen.

A8 (Tüftler)
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Bei der Feuerbüchse wurden daher zunächst Vorder- und Hinterwand mit den entsprechenden Rohren separat verlötet, dann mit kleinen Messingwinkeln mit der Seitenwand verbunden und fertig gelötet. Das war mit meinem Rothenberger MAPP-Brenner noch gut zu erledigen. Da auch beim Einlöten der Deckel in Kessel und Rauchkammer sowie der Vorderwand des Stehkessels keine Probleme auftraten, war ich etwas euphorisch geworden, was sich später rächte.

A9 (Tüftler)
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Erstes Problem bei der Bearbeitung des Kesselrohres war, dass der Kreuztisch meiner Fräse nicht groß genug war, um alle Bohrungen und Fräsarbeiten in einer Aufspannung zu erledigen. Ich habe mir daher eine Lade gebaut, die ich im Maschinenschraubstock verschieben konnte. Sie diente auch als Widerlager beim Aufbiegen der Seitenwände des Stehkessels, was trotz des Ausglühens einigen Kraftaufwand erforderte. Zuletzt mit Schraubzwingen. Um den Unterrand des Stehkessels nicht zu stark zu verformen mit Stahlplatten als Unterlage.


A10 (Tüftler)
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Um die innen verlegten 3 mm Dampfleitungen besser durch die entsprechenden Löcher im Kessel schieben zu können, sind diese mit 5 mm gebohrt und mit Gewinden versehen. Die dann über die Dampfröhrchen geschobenen Stutzen mit kurzen Gewinde und Flansch sind damit verschraubt und somit gut fixiert. Die vielen in verschiedene Richtungen weisenden Kleinteile machten mehrfaches Umlagern beim Löten erforderlich.

In weiser Voraussicht hatte ich meine Frau gebeten, mich mit einem zweiten Brenner zu unterstützen. Leider habe ich versäumt, ihre Kartusche in ein Wasserbad zu stellen. So kam es wie es kommen musste, beim Einlöten von Dampfdom, Regler und Bläser wollte das Lot nicht mehr richtig fließen. Also Abbruch, um nicht alles zu verderben.

Eine leistungsfähige Hartlötanlage wollte ich nicht mehr anschaffen und Modellbaukollegen mit entsprechender Ausrüstung wohnen nicht in der Nähe. Nach längerem Suchen habe ich dann bei einer Firma, die Auftragslötarbeiten anbietet, nachgefragt, ob sie mir den Kessel fertig löten könnten.
Der Seniorchef meinte, ich solle den Kessel mal da lassen, der Junior hat mich dann zurückgerufen. Er wollte nicht so richtig ran, wohl weil sie eine derartige Arbeit noch nicht gemacht hatten. Er meinte, es käme ja auch zu teuer , er würde mich aber anrufen, wenn ein Arbeitsplatz in der Werkstatt für mich frei sei. Prompt wurde ich nach einigen Tagen angerufen und ich konnte unter Anleitung des Werkstattleiters meine Lötarbeiten durchführen. Das hat sich in zwei weiteren Sitzungen wiederholt. Jedes mal mit telefonischer Einladung und dem Angebot, jederzeit gerne wieder zu kommen. Als ich meine Utensilien auspackte, kam gleich die Frage „ was wollen Sie denn mit ihrem Silberlot? Nehmen Sie doch unseres“.

Das musste einmal erzählt werden.

Der Einbau der Feuerbüchse gestaltete sich problemlos. Vorn mit lediglich zwei überschaubaren Lötstellen um die Rauchrohre an der Kesselvorderwand. Hinten die mit kleinen Winkeln befestigten Rückwand des Stehkessels und um die Feueröffnung. Konzentration erforderte es, alle Halteschrauben mit einzulöten. In einem anderen Beitrag habe ich den Vorschlag gefunden, eher Kupfernieten zu verwenden. Sicherlich sinnvoll.

A11 (Tüftler)
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Zum Schluss wurde der Boden des Stehkessels eingepasst und eingelötet. Wegen der starken Wärmeableitung war der Brenner hier besonders gefordert. Die unangenehmste Lötstelle war die der erst nachträglich gebohrten und eingepassten Seitenstehbolzen innen, da die Flammen aus der Feuerbüchse zurückschlugen. Da roch es schon mal nach verbrannten Haaren.

A12 (Tüftler)
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Vorsicht war auch geboten, da zum Teil Komponenten mit unterschiedlicher Masse und Materialien zu löten waren. Hier bestand die Gefahr, kleine Teile zu schmelzen. Einen Flansch musste ich erneuern. Die Gewinde in den Flanschen hätte ich besser erst nachträglich geschnitten. Eins hatte ich zugelötet, einige trugen nicht mehr und mussten von 1,4 auf 1,6 mm aufgeschnitten oder durch Gegenmuttern unterstützt werden. Dabei war es vom Vorteil, dass die Flansche Abstand zum Kessel haben und somit nicht die Gefahr bestand, versehentlich in diesen durchzubohren.

Abschließend wurden noch die Überstände entfernt und einige Lötstellen aufgehübscht.

Die Rauchkammer ist mit zentraler Schraube befestigt. Die 0,2 mm Bläserdüse sitzt mittig unter dem Schlot. Die Abdampfrohre münden ohne Düse daneben. Das Problem, keine ausreichende Bläserwirkung zu erzielen ist bei der Erprobung auch mit Kohle nie aufgetreten.

A14 (Tüftler)
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Das Arbeiten mit der professionellen Anlage war ein Genuss. Ein zweiter Kessel sähe sicherlich ganz anders aus.

Anbauteile am Kessel sind : 2 Überdruckventile, Manometer, Nachspeisevorrichtung über Pumpflasche, elektrische Speisepumpe, Wasserstand, Ablassschraube und Feuertür. Letztere ist mit einem Gegengewicht gekoppelt, das sie je nach der Position über der Drehachse offen oder geschlossen hält. Der Rost ist aus 2 x 4 mm Stahlstäben hart gelötet. Er kann über einen Hebel im Führerhaus ausgeworfen werden, nachdem der Aschekasten nach hinten herausgezogen wurde.

A14a (Tüftler)
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Bei der Planung hatte ich nicht berücksichtigt, dass ich als Rechtshänder besser von der linken Lokseite her Kohle einfüllen kann. Manometer und Wasserstand hatte ich auf der gegenüber liegenden Seite platziert.

Um mir wenigstens das Öffnen der Feuertür zu erleichtern, habe ich daher ein kleines Servo so manipuliert, dass es auf Tastendruck nur eine Umdrehung macht und dabei das Gegengewicht in die Geöffnet-Position bringt. Mit der Kohleschaufel angestoßen schließt sich die Feuertür dann wieder durch das Gegengewicht.

A15 (Tüftler)
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Im Hinterkopf habe ich noch einen Mechanismus bei dem ein durch den Kesseldruck gegen eine Feder arbeitender Kolben den Anschlag für das Gegengewichts so verschiebt, dass die Feuertür leicht geöffnet bleibt. Dadurch könnte man den Dampf- bzw. Wasserverlust durch abblasende Überdruckventile vermeiden, was wegen des Abdampfs von 4 Zylindern im Fahrbetrieb zu befürchten ist. Bei den bisherigen Probefahrten vorwiegend mit Gasbetrieb ist das Problem nicht aufgetreten. Möglicherweise, weil die Dimension meines Keramikbrenners eher am unteren Limit liegt. Weitere Tests müssen zeigen, ob dieser zusätzliche Aufwand erforderlich wird.

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Re: Malletlokomotive von Orenstein & Koppel im Eigenbau (Recherchen, Planung, Umsetzung, Problemlösung)

Beitrag von Janosch »

Hallo Ullrich

Das ist aber ein komplexer Kohlekessel, wenn man die im Innern des Kessels verlaufenden Zu- und Abdampfleitungen betrachtet. Meine Hochachtung dies alles unterzubekommen, dass es am Ende auch funktioniert, dicht ist, etc. Ich beschränke mich da lediglich auf das "Einbauen" des Reglers in den Kessel und die Durchführung der Bläserleitung durch den Kessel.
Etwas verwundert war ich, dass du keine Düsen auf dem Blasstock (Abdampfrohren) benötigst. Letztendlich sorgt das bei mir dann auch für den entsprechenden Ohrenschmaus. Was ich mich aber viel mehr frage: Kannst du dennoch ohne Verwendung des Bläsers fahren? Ehrlich gesagt habe ich es nie ohne Düsen auf dem Blasstock versucht. Grundidee des Blasstocks ist ja, dass sich die Maschine mehr oder weniger während dem Fahren selbst reguliert (Hohe Anhängelast => hoher Abdampfdruck => starke Feueranfachung und anders herum). Funktioniert das auch ohne Düsen, heißt reicht die Feueranfachung ohne Verwendung des Bläsers, wenn die Lok fährt?

Sehr interessant fand ich auch deine Ausführungen zum Keramikbrenner. Die Idee eine Kohlelok einfach umrüsten zu können schwebte mir auch lange im Kopf herum, umgesetzt habe ich sie aber nie.

Viele Grüße
Janosch
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Re: Malletlokomotive von Orenstein & Koppel im Eigenbau (Recherchen, Planung, Umsetzung, Problemlösung)

Beitrag von Tüftler »

Hallo Janosch.
Du hast schon recht, der Kessel ist kompliziert. Beim Löten ist es ja auch, wie beschrieben, zu kleineren korrigierbaten Fehlern gekommen. Wie aber inzwischen durchgeführte Tests mit Kohle und Gasbrenner gezeigt haben, hat sich der Aufwand gelohnt. Ziel war es ja, die Kondensatbildung zu minimieren um Dampf zu sparen und Wasserfontänen aus dem Schornstein zu vermeiden. Insbesondere weil ich wegen der schwierigen Ansteuerung, besonders im Drehgestell, auf eine Zylinderentwässerung verzichtet habe. Im Gegensatz zu früher gebauten Lokomotiven, die bei Inbetriebnahme einen "Spucknapf " auf den Schlot benötigten, "verarbeiten" Rauchkammer und Schornstein das anfallende Kondensat ohne zu spritzen. Die Lok, fährt auch spontan an und läuft sich dann auf den ersten Metern frei.
Was die Bläserwirkung angeht, bin ich überrasch, dass Du auch während der Fahrt einen Bläser benötigst. Eigentlich ist er ja nur erforderlich wenn im Stand, oder bestenfalls noch im Rangierbetrieb nicht genügend Abdampf zur Unterhaltung des Feuers zur Verfügung steht. Kohleloks sieht man ja häufig in Fahrt mit ständig abblasenden Überdruckventilen, weil das Feuer zu stark angefacht wird. Ich hatte mir deshalb weiter oben Gedanken darüber gemacht, ob man das Öffnen der Feuertür als Gegenmaßnahme automatisieren könnte.
Der scharfe Strahl des Bläsers erzeigt dabei durch die Düsenwirkung im Schornstein einen Venturieffekt. Erzeugt also mit wenig Dampfverbrauch einen ausreichenden Zug. Bei der Fahrt wird dieser Zug durch den ohnehin anfallenden Abdampf erzeugt, so dass keine zusätzliche Bläserwirkung nötig sein sollte.
Allein das Volumen des Abdampfs erzeugt dabei eine Strömung im Schornstein, die den scharfen Dampfstrahl des Bläsers ersetzt. Ähnlich dem sanften Luftstrom, den ein aufgesetzter Ventilator beim Anheizen erzeugt. Wenn man versucht, die Abdampfwirkung zu verstärken, indem man die Abdampfdüsen verkleinert, besteht die Gefahr, dass es zu einem Abdampfstau kommt.
Bei meiner Lok teilt sich die zentrale Abdampfleitung von 4mm Durchmesser in der Rauchkammer in 2 x 2 mm, um an der Bläserdüse vorbei zu kommen. Die Abdampfrohre enden ca. 10 mm unter dem Schornstein auf dessen Eingang sie zielen. Mag sein, dass ich dabei von vornherein eine günstige Konstellation gewählt habe, die keine Experimente mit Abdampfdüsen erforderlich machten.
Was den Auspuffschlag angeht, besteht bei Malletlokomotiven eine besondere Problematik.
Definitionsgemäß handelt es sich ja um Verbundmaschinen. Die zweifache Expansion führt dazu, dass bei der Freisetzung des Dampfes in den Niederdruckzylindern nur noch ein reduzierter Druck ansteht, durch den der Auspuffschlag erzeugt wird. Mit Manipulation der Abdampfdrüsen wird daher bezüglich des Auspuffschlags wenig zu erreichen sein. Ein Chuffer zur Verstärkung des Auspuffschlags wiederum ist keine Düse, sondern eine Flöte.
Würden bei der von mir gewählten Volldruckvariante die Abdampfleitungen beider Zylinderpaare getrennt in die Rauchkammer münden, wäre ein Vierertakt zu erwarten. Da aber die beiden Fahrgestelle nicht synchronisiert sind, ist der je Zylinderpaar erzeugte Zweierschlag nur in bestimmten Konstellationen akustisch als Viererschlag wahrnehmbar. Andernfalls wird ein klare definierter Zweierschlag eher verwässert. Bei meiner Lok mündet der Abdampf beider Zylinderpaare in einer gemeinsamen Leitung. Damit konnte ich mich schon von vornherein von einem gepflegten Auspuffschlag verabschieden.
Weiterhin viel Spaß beim Bauen. Du hast ja noch viel Zeit. Ich beschränke mich jetzt nur noch auf die Wartung meiner Loks.
Gruß Ullrich
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Re: Malletlokomotive von Orenstein & Koppel im Eigenbau (Recherchen, Planung, Umsetzung, Problemlösung)

Beitrag von kastenlokker »

Hallo Ullrich,

das wird - nein, das ist bereits! - ein schönes, beeindruckendes Modell, von einem auffallend interessanten Vorbild!
Gut ausgewählt! Und eine tolle Arbeit, die du da vorantreibst!
Als Nicht-Feinmechaniker, Nicht-Löter (bisher jedenfalls) und Nicht-"Metallurg" bin ich immer hoch-achtungsvoll beeindruckt
von derartigen modellbauerischen Fähigkeiten. Und jetzt schon gespannt auf die Fertigstellung deines Projekts!
Gutes weiteres Gelingen!

Thomas (von der Holz-& Kartonbau-Fraktion)
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Janosch
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Re: Malletlokomotive von Orenstein & Koppel im Eigenbau (Recherchen, Planung, Umsetzung, Problemlösung)

Beitrag von Janosch »

Hallo Ullrich

Vielen Dank für deine Ausführungen. Also kann der Saugzug auch ohne Düsen auf dem Blasstock ausreichen - das ist ein interessanter Fakt.
Ich habe mich aber wohl missverständlich ausgedrückt: Ich brauche den Bläser während der Fahrt nicht. Auch bei einem kurzen Halt von einigen Sekunden mache ich nicht unbedingt den Hilfsbläser an. Im kurzen Video unten sieht man, wie es gelblich vor sich hin räuchelt, bis ich den Regler öffne und sie dann losfährt. Ich wollte mit meiner Frage nur klären, ob der Saugzug vom Abdampf ohne Düsen ausreicht, um das Feuer ausreichend anzufachen.

Viele Grüße
Janosch, der vermutlich noch viel Lebenszeit, aber wenig freie Zeit fürs Eisenbahnhobby hat

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Re: Malletlokomotive von Orenstein & Koppel im Eigenbau (Recherchen, Planung, Umsetzung, Problemlösung)

Beitrag von volkerS »

Hallo Janosch,
die Enden der Abdampfleitungen stellen quasi Düsen dar. Entscheidend ist dass diese so eingebaut sind dass der entstehende Abdampfstrahl genau an der engsten Stelle des Schornsteins diesen komplett ausfüllt, gilt ja auch für den Hilfsbläser. Ich bin ja eher in der 5- und 7,25-Zoll Größe unterwegs. Dort ist ja meist mittig das Zylinderabdampfblasrohr und darum der Hilfsbläser mit 3 Düsen, oft genug aber auch nur mit einer Düse ausgeführt. Probleme sind auch dort immer falsche Position (Höhe) des Abdampfrohres, beim Reinigen verbogene oder verstopfte Hilfsbläserdüsen und undichte Rauchkammertüren.
Für den Kamin bei unseren kohlegefeuerten Loks gibt es eine Berechnungsformel, die sich zumindest bei unseren Baugrößen bewährt hat.
1. Engste Stelle des Kamins (Düse) ist 0,025- 0,04 der Rostquerschnittsfläche.
2. Blasrohrende hat 0,11 - 0,13 der Düsenquerschnittsfläche
3. Öffnungstrichter (Petticoat) hat 1,8 - 2 des Düsendurchmessers
4. Radius mit dem sich der Petticoat nach unten öffnet entspricht dem Düsendurchmesser (engste Stelle im Kamin)
5. Saugzughöhe (Abstand zwischen Oberkante Blasrohr und engster Stelle Kamin) ist mindestens 2x Düsendurchmesser
6. Öffnungswinkel Schornstein 2° - 6° (ab Düse)
7. Kaminhöhe ab Düse beträgt bis zu 6x Düsendurchmesser
Volker
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