Hallo Buntbahner
Hier noch ein Nachtrag zu Tipong - für jene, die es interessiert.
Text von
www.farrail.net
Seit mehreren Jahren wird bei der Tipong Colliery auf Verschleiß gefahren. Nicht nur die technischen Anlagen veralten langsam aber sicher, durch das rigorose Einstellungsstopp wird die Belegschaft auch immer älter. Waren 2002 noch 1.140 Personen in Tipong beschäftigt, so ist deren Zahl im Dezember 2005 auf 947 gesunken. Durch die immer weiteren und schwierigen Wege zur Kohle ist zudem die Fördermenge immer weiter gesunken. Von 1,2 bis 1,3 Millionen Tonnen im Jahre 1995 sind heute nur noch 60.000 bis 65.000 Tonnen pro Jahr übrig geblieben. Die Schächte, die früher alle über dem Grundwasserspiegel lagen, sind mittlerweile 500 Meter unter die Grundwasserlinie hinabgetrieben worden. Dadurch ist die Monsunzeit keine Förderzeit mehr, da man nur mit dem Auspumpen der eindringenden Wassermassen beschäftigt ist. In der Mine "Deep Mine" ist man bis auf 500 Meter unter dem Grundwasserspiegel vorgedrungen, bei "Coal Dip" sind es mittlerweile 250 Meter. Somit ruht die Produktion meist über zwei, manchmal drei Monate völlig. Die Entfernung vom Schrägschacht bis zur Förderstelle hat sich auf bis zu 1,8 km vergrößert. Die Transportzeiten unter Tage nahmen dadurch deutlich zu. Der Tagesausstoß beträgt heute ca. 200 Tonnen. Zum Zeitpunkt unseres Besuches (November/Dezember 2005) wurden lediglich 85 bis 100 Tonnen täglich gefördert.
Die geförderte Kohle kann auf dem indischen Markt für ca. 1.500 Rs/Tonne verkauft werden. Die Produktionskosten belaufen sich aber auf ca. 7.000 Rs/Tonne. Tipong arbeitet also hochgradig unwirtschaftlich. Warum wird dann die Produktion nicht eingestellt?
Als die Mine am 1.5.1974 verstaatlicht wurde und unter das Dach der Coal India kam, hat man auch soziale Aspekte in der industriell zurück gebliebenen Region berücksichtigt. Mehrere Minen in der Region wurden modernisiert, deutlich sichtbar im benachbarten Tirap, wo man von Untertageförderung auf Tagebau umgestiegen ist. Investitionen innerhalb der Coal India wurden getätigt, jedoch so gut wie nie in Tipong. Diese Mine ist die abgelegenste, die seit 1998 nicht einmal mehr einen Anschluss an die Staatsbahn besitzt. Alle Entscheidungen über Investitionen haben lange Wege und müssen in Kalkutta gefällt werden. Die Verwaltung in Margeritha hat nur regionalen Charakter und ist bei größeren Investitionen lediglich eine befürwortende oder ablehnende, aber keine entscheidende Stelle. Der soziale Aspekt gilt bis heute: Arbeitslosigkeit und Kriminalität würden regional wohl deutlich ansteigen, schlösse man die Kohlemine. Der Staat ist ein begehrter Arbeitgeber mit guten Sozialleistungen und hohen Löhnen. Ein weiterer Faktor ist die Qualität der geförderten Kohle. Sie gilt als die beste Kohle Indiens und wird bis nach West Bengalen und in den Punjab transportiert, wo sie oft als Beimischung für minderwertige Kohle deren Verfeuerung in Kraftwerken etc. überhaupt zulässt. Dazu gilt das verwalterische Trägheitsmoment: Wenn man nichts anpackt, hat man einerseits keine Investitionen zu begründen und muss sich andererseits nicht für einen Fehlschlag rechtfertigen.
Für den Eisenbahnfreund ist das im Falle von Tipong sehr erfreulich. Tipong ist mittlerweile das letzte Refugium für die einst weit verbreiteten Bagnall B-Satteltankloks geworden.
Der Versuch, den Kohlentransport von der Schiene auf die Straße zu verlegen, scheiterte 1997/98, als man über die Konstruktion einer Lkw-Verladung in Tipong nicht hinaus kam. Die Bereitstellung der benötigten 150,000 Rupees zur Verbreiterung der vorhandenen Straße und zum Ersatz der Brücken wurde in Kalkutta nicht genehmigt. Bei Inspektionen der Mine seitens der Verwaltung wurde allerdings kürzlich die Mine wegen ihres Dampflokeinsatzes kritisiert, man solle doch gefälligst kurzfristig auf Lkw-Transport umstellen ... Glücklicherweise steht den Bestrebungen der Verwaltung, die Dampflokomotiven zu beseitigen, der Manager der Mine gegenüber, der alles tut, diese trotz nicht vorhandener Ersatzteile und nicht genehmigungsfähiger Hauptuntersuchungen am Leben zu halten.
Dennoch: das Ende ist so nahe wie selten zuvor: Pläne zum völligen Umbau der Mine sind bei der Verwaltung in Kalkutta zur Genehmigung eingereicht. Da man im über 100 Jahre andauernden Tiefbau bislang immer nur rund 30 % der Kohleflöze abbauen konnte und sich die Wirtschaftlichkeit der Mine von Jahr zu Jahr verschlechterte, will man nun wie in anderen Minen zum Tagebau übergehen. Die Vorräte von rund 64 Millionen Tonnen bester Kohle lassen diese Investition ratsam erscheinen. Mit der Einstellung des unwirtschaftlichen Tiefbaus wäre das Schicksal der Bahn (wiewohl des Liebreizes des Tales auch) besiegelt. Man geht derzeit noch von zwei Jahren aus, in dem der Betreib wie gewohnt weiter geführt werden kann. Ein Unfall oder ein nicht beherrschbarer Wassereinbruch kann allerdings auch schon früher für das Ende des Tiefbaus, mithin der 610 mm-Bahn bringen.
Der Betriebsablauf gestaltete sich bei unserem Aufenthalt eher unübersichtlich. Normalerweise verkehrt eine der B-Lokomotiven im Abschnitt Tipong "Deep Mine" - Entladeanlage, während eine der beiden betriebsfähigen Dieselloks die Mine "Coal Dip" bedient. David, die Bagnall-Satteltank Maschine, steht betriebsbereit als Reserve zur Verfügung. Am 30. November 2005 stand B 796 im Depot zur Schweißung eines Rahmenrisses abgestellt, während die andere betriebsfähige Lokomotive der B Klasse, B 789 mit einem Triebwerksproblem behaftet nicht eingesetzt werden konnte. Daraufhin bediente eine der Dieselloks die Strecke und "Deep Mine" während David nach "Coal Dip" eingesetzt wurde. Die Diesellok kann allerdings nur maximal 17 beladene Kohlewagen ziehen, während die ex Darjeeling Lokomotiven der B-Klasse bis zu 30 beladene Wagen befördern können. Ein beladener Wagen kann eine Tonne Kohle aufnehmen. Am Morgen des 1. Dezember 2005 übernahm B 789 das Geschäft wieder. Allerdings hatte sich ein Transportrückstand gebildet. Damit kam es zu einer einmaligen Betriebssituation: Zuerst fuhr B 789 mit einem beladenen Zug zur Entladeanlage, dann folgte eine halbe Stunde später David mit drei beladenen Wagen und schließlich auch noch die Diesellok mit sieben Wagen. Retour ging es mit einem mittellangen Leerwagenzug mit B 789, David im Minutenabstand solo und die Diesellok im Sichtabstand mit wenigen Leerwagen. Das war gewiss sehr ungewöhnlich und ermöglichte einige ungewöhnliche Aufnahmen.
Bei der zweiten Diesellok baute man das Getriebe wieder ein, während die dritte Diesellok nun schon seit Jahren in ihre Einzelteile zerlegt im Schuppen steht und wohl nie mehr wieder betriebsfähig aufgebaut werden wird.
Wenn man nach Tipong reisen möchte, muss man sich vor seinem Besuch bei der Polizei anmelden als auch die Genehmigung der Minengesellschaft in der Verwaltung in Margherita einholen. Beides erfordert ungefähr eine halbe Stunde Zeitaufwand.
Lokomotiven:
David Einsatz (die wirkliche Identität dieser Maschine ist unklar, vor Ort wird sowohl Tony als auch Annapurna als Identität des Rahmens genannt)

B 781 Überreste

B 784 Schrott (Ersatzteilspender)

B 789 Einsatz

B 796 wartet auf Reparatur

drei Dieselloks, davon eine im Einsatz, eine in Reparatur und eine seit Jahren zerlegt in Einzelteile vorhanden.