Berliner Hochbahnwagen (alte Bauart) in 1:22,5

Selbstgebaute maßstäbliche Schienenfahrzeuge mit/ohne handelsüblichen Zurüstteilen

Moderator: fido

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Berliner96
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Berliner Hochbahnwagen (alte Bauart) in 1:22,5

Beitrag von Berliner96 »

Hallo Buntbahner,

ich möchte euch den Bau meines Modells eines "Motorwagens alter Bauart" der Berliner "elektrischen Hoch- und Untergrundbahn" (sozusagen der Berliner Ur-U-Bahn bzw. dem Berliner Ur-A1) in Spur II vorstellen. Das Modell entsteht hauptsächlich als Lasercut aus ABS mit einzelnen 3D-gedruckten Bauteilen. Es handelt sich dabei um mein erstes größeres Projekt, von daher bleibt abzuwarten, wo die Reise hingeht ... :-)

Kurz zum Vorbild: Die Berliner U-Bahn wird am 15./18.02.1902 nach knapp sechsjähriger Bauzeit von Siemens & Halske eröffnet. Eingesetzt werden zunächst 3-Wagen-Züge mit je einem dreimotorigen Triebwagen III. Klasse an der Zugspitze-/dem Zugschluss sowie einem zwischengekuppelten Beiwagen II. Klasse. Die Züge verfügten über eine direkte Zugsteuerung mittels Starkstromfahrschaltern; die beiden Triebwagen eines Zuges waren dafür mittels durchgehender Starkstromleitungen verbunden. Die hölzernen Wagenkästen der Triebwagen werden von der Waggonfabrik Falkenried in Hamburg, diejenigen der Beiwagen sowie die Drehgestelle vom Düsseldorfer Eisenbahnbedarf gefertigt; obwohl nach einheitlichem Schema gebaut, unterscheiden sich Trieb- und Beiwagen daher in kleineren Details. Die elektrische Ausrüstung erfolgt nach Auslieferung durch Siemens & Halske in Berlin. Für die Betriebsaufnahme werden zunächst 42 Trieb- und 20 Beiwagen – als später so bezeichnete 1. Lieferung - bestellt. Ein 3-Wagen-Zug aus der Eröffnungszeit ist auf diesem Postkartenmotiv von 1902 aus dem Verlag S. & G. Saulsohn zu sehen:

Postkarte_zugeschnitten (Berliner96)
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Mit der Zeit zeigen sich auch in Berlin die gleichen Probleme wie anderswo: Die Züge sind zu kurz, die Wagen nicht als Massenverkehrsmittel ausgelegt und die Betriebsverfahren weisen die ein oder andere Unzulänglichkeit auf. Die Wagen der 1. Lieferung fallen damit im Vergleich zu ihren angemesseneren Nachfolgern im Laufe der Zeit mehr und mehr in Ungnade. Sie werden für die Eröffnung der heutigen U-Bahnlinien U6 und U8 in den 1920er Jahren bis zur Lieferung eigenen Rollmaterials abgegeben oder später zu Beiwagen umgebaut. 1930 sind noch zwei Triebwagen als solche und nur knapp 20 Beiwagen erhalten. Sie und der Großteil der noch vorhandenen Beiwagen werden bereits Mitte der 1930er Jahre nach vergleichsweise kurzen 30 Einsatzjahren verschrottet, nur eine Handvoll überdauern bis Anfang der 1960er. (Wer sich genauer interessiert, dem sei das 2024 im Verlag Lokomotive Fachbuchhandlung GmbH erschienene Buch „Die Fahrzeuge der Berliner U-Bahn Typ AI“ von Norbert Walter und Florian Schwuttke empfohlen.)

Heute ist zwar kein Fahrzeug mehr vorhanden. Als neuartiges und reichsweit einmaliges Verkehrsmittel erfährt die Hochbahn neben den üblichen Eröffnungsschriften vor der und rund um die Eröffnung aber eine breite Würdigung in der damaligen Fach- und populären Presse zu so gut wie jedem Aspekt mit mal mehr und mal weniger präzisen Beschreibungen auch der Wagen. Dank dem öffentlichen Interesse an dem aus Kamerun stammenden Martin Dibobe, der von 1902 bis 1919 als Zugfahrer bei der Hochbahn arbeitete, sind heute auch einige hochauflösende Nahaufnahmen der Wagen aus der Anfangszeit zugänglich (https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Dibobe).

Zwar findet man – wie wahrscheinlich nie -, die eine Quelle, die jede Unklarheit aufklärt, in Summe ergibt sich aber ein m. E. sehr klares Bild, was die Recherche für das Modell ungeheuer spannend macht. :-)

Angefangen mit dem Modell habe ich vor mittlerweile circa einem Jahr mit der Rekonstruktion der Abmessungen und des grundsätzlichen Fahrzeugaufbaus. Während die Außenabmessungen u. a. aus o. g. Zeichnung bekannt waren, ließen sich die weiteren Maße - allemal für ein Modell in 1:22,5 - gut aus einigen damaligen Aufsätzen ableiten.

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Fertig konstruiert ist momentan nur der Wagenkasten. Rahmen, Dach und Drehgestelle sind gegenwärtig nur als Dummys zur Schnittstellendefiniton ausgearbeitet (und in den Screenshots nicht zu sehen). Ich hoffe, dass mir das später nicht auf die Füße fällt …

Als Wohnungs-Buntbahner verfüge ich nur über einen eingeschränkten Maschinenpark. Die Bauteile habe ich daher bei einem Dienstleister aus 0,5, 1,0 und 2,0 mm ABS lasern lassen. Bei vergangenen Projekten hat insbesondere bei den 2,0 mm-Platten viel ausgeschmolzenes Material an der Unterseite geklebt (mit dem verbundenen Nachbearbeitungsaufwand). Das ließ sich diesmal durch das Aufziehen einer Schmauchschutzfolie ziemlich gut vermeiden, die alles abbekommen hat.

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Die Bodenplatte besteht aus 2x2 mm ABS. Während die obere Schicht den Wagenboden bildet, entspricht die andere im Wesentlichen den unteren Längs- und Querbalken des Kastens. Weil der Kasten länger ist als die ABS-Platten, die aero-naut verkauft, musste ich einen Stoß einkonstruieren, von dem ich hoffe, dass er durch versetztes Anordnen und die Schichtung so gut wie jeden Bauteils keinen Einfluss auf Stabilität des Modells hat.

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M. E. ist ein Modell dann besonders beeindruckend, wenn es den Eindruck vermittelt, man könnte die echte Konstruktion des Vorbilds nachvollziehen. Deswegen war es mir wichtig, die vernuteten Bohlen des Wagenbodens zumindest anzudeuten. Um diese einigermaßen gleichmäßig mit einer 2 mm-Graviernadeln einkerben zu können, habe ich mir Schablonen aus MDF lasern lassen. Keine Ahnung, ob man davon nach dem Lackieren noch etwas sieht, aber ich finde, derzeit macht es einen netten Effekt.

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Die gleiche Schablone habe ich benutzt, um Ober- und Unterteil des Rahmens zu verkleben. Ursprünglich wollte ich mir eine Presse dafür bauen und habe – zum Entsetzen meiner Freundin – kurz mit der Anschaffung einer Bücherpresse dafür geliebäugelt. Am Ende haben es aber auch Hantelscheiben getan. Um die Steifigkeit der Bodenplatte zu erhöhen, damit mir diese nicht schon im Bau auseinanderbricht, habe ich, ebenfalls aus 2 mm ÁBS, bereits die innere Verschalung der Längswände, die gleichzeitig als Auflager für die Sitzbänke dient, angeklebt. Weil man dieses Bauteil später einmal gar nicht mehr sehen wird, habe ich darauf verzichtet, mir bei der Gestaltung besondere Mühe zu geben. Im Hintergrund ist die Unterseite der Bodenplatten zu sehen. Aufgeklebte Streifen aus 0,5 mm ABS deuten hier Querbalken mit einer kleineren Querschnittshöhe an.

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Weiter geht es zunächst mit dem Zusammenbau des tragendes Aufbaus. …und dabei von leicht (wenig Schichtung) zu schwer (viel Schichtung). :-) Das einfachste Bauteil war insofern die Fahrerstandstrennwand. Im Buch von Walter/Schwuttke ist dabei eine Werksfotografie von Falkenried abgedruckt, auf der die Kassettierung der Wand bei genauem Hinsehen ziemlich gut erkennbar ist. Diese ist dabei noch ziemlich stark im Gründerzeit-Chic verhaftet. Erst ab etwa 1903 wird Alfred Grenander als späterer Haus-und-Hof-Architekt der Hochbahn auch mit den Wagen betraut, infolgedessen die Gestaltung mehr zum Jugendstil übergeht.

Die Grundstruktur der Kassettierung resultiert im Modell aus einer Schichtung von 1,0 mm und 0,5 mm ABS. Um das Denken von der Ausführung in die Planung outzusourcen und um so genau wie möglich arbeiten zu können habe ich mir auch hier für das Verkleben eine Schablone aus MDF lasern lassen. :-) Die Deko kommt später.

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Als nächstes waren die Stirnwände der A-Seite dran. Diese bestehen aus drei Schichten à 1 mm ABS. Die Frontfenster waren seinerzeit als Holzfenster in Stirnwand eingelassen, wobei die obere Hälfte einen Dreh-Kipp-Mechanismus hatte (im Fahrerstand dürfte es also furchtbar gezogen haben). Die untere Hälfte des linken Fensters dürfte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erst nach dem Einbau des riesigen Fahrschalters verblecht worden sein. Die Grundkonstruktion der Stirnwand besteht aus sieben Einzelteilen, die wieder nach und nach unter Druck verklebt werden.

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Bei der Konstruktion des Fensterrahmens auf der Fahrschalterseite habe ich leider nicht aufgepasst. – Eigentlich hätte ich mir die untere Fensteraussparung sparen können. Naja, egal ...

Bis dahin
Berliner96

Edit vom 26.10.25: Ich habe zwischenzeitlich begriffen, wie ich Bilder richtig einbinde. Deswegen habe ich das 1:1 korrigiert.
Zuletzt geändert von Berliner96 am So 26. Okt 2025, 18:33, insgesamt 1-mal geändert.
Major Tom
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Re: Berliner Hochbahnwagen (alte Bauart) in 1:22,5

Beitrag von Major Tom »

Hallo B-96,

mit Interesse habe ich Deinen Bericht betrachtet und gelesen.
So wie Du es angehst, wird es ein tolles Fahrzeug.
Selber bin ich in Berlin nur mehr überirdisch gefahren. Die technischen Bauwerke und natürlich die historischen Fahrzeuge sind schon toll.
Schade, dass kein Originalfahrzeug mehr erhalten blieb.
Gerne schaue ich Dir auf dem Weg zum fertigen Modell zu.
Weiterhin ein gutes Händchen & Spaß beim Basteln,
Gruß, Dieter
Völlig losgelöst ...
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viking
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Re: Berliner Hochbahnwagen (alte Bauart) in 1:22,5

Beitrag von viking »

Sehr interessantes Thema, das ich aufmerksam verfolgen werde. Wird dann in der Wohnung auch ein Stück Hochbahn entstehen.
Habe als Kind dicht an der Hochbahn, mit Blick auf den Bahnhof Schlesisches Tor, gewohnt. Bin auch noch mit A1 und A2 Zügen im Westteil Berlins gefahren.

Bin auf weitere Beiträge gespannt.
Gruß, Henrik
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Dampfboot
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Re: Berliner Hochbahnwagen (alte Bauart) in 1:22,5

Beitrag von Dampfboot »

Hallo ?

zwei Themen die mich sehr begeister: U-Bahn und gelaserte Teile aus ABS - sehr schön!

Dazu ein paar Fragen:

Kennst Du die Bezugsquelle oder den Handelsnamen für solche Antischmauchfolie?

Kriecht der "Laserbart" da tatsächlich nicht unter diese Folie?

Deine Platten sehen alle so schön sauber und weiß aus. Kommen die so aus dem Laser?

Da ich keine solche Antischmauchfolie besitze, habe ich mir angewöhnt solche Teile immer als ganze Platte zu schleifen, bevor ich sie auslöse. Besonders kleine Teile sind sonst so "fizzelig" anzufassen. Wie machst Du das?

Wo lässt Du lasern?

Warum hast Du über eine Presse nachgedacht bzw. mit was klebst Du? - Ich sehe da auf einem Bild eine UHU-Plast Flasche - ich habe damit für ABS noch nie größeren Druck benötigt, da sich das Material damit anlöst und sozusagen "verschmilzt"
Gruß Rainer - https://radow.org
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Berliner96
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Re: Berliner Hochbahnwagen (alte Bauart) in 1:22,5

Beitrag von Berliner96 »

Hallo Buntbahner, hallo ihr Drei,

vielen Dank für eure positive Rückmeldung und euer Interesse! :) Das motiviert ungemein.
Wird dann in der Wohnung auch ein Stück Hochbahn entstehen.
Ein Stück Hochbahn wird wohl nicht entstehen. Das Umsetzen einer Gründerzeitfassade reizt zwar ungemein, bei einer Regel-Traufhöhe von 22 m würde das aber definitiv den Rahmen sprengen. :lach:
Wo lässt Du lasern?
Ich lasse bei https://www.cutcraft.de/ in Wolfratshausen lasern. Auf das Geschäft bin ich Anfang 2024 aufmerksam geworden, weil es mit seinen Designvorgaben einen einfachen Einstieg für Anfänger gegeben hat. Seitdem bin ich als treuer Kunde dort geblieben und habe mich auch nie nach Alternativen umgesehen. Das Team ist freundlich, hilfsbereit, die Preise fair und die Bearbeitung erfolgt zuverlässig und zügig. Nach meinem ersten Projekt hat das Team im Feedback auch vorgeschlagen, es beim nächsten Mal mit dieser Schmauchschutzfolie auf der Unterseite zu probieren.

Weil ich es auch nicht weiß, kann ich Dir leider auch keine weiteren Infos zu Material/Hersteller/Verkaufsnamen geben. :( ...einzig, dass die Folie eine pappeartige Oberfläche hat und sich extrem einfach und völlig rückstandsfrei wieder abziehen lässt (ich hatte befürchtet, dass mir dabei die zu 0,5 mm geplanten Fixier-Stege brechen, was aber nicht passiert ist).
Deine Platten sehen alle so schön sauber und weiß aus. Kommen die so aus dem Laser?
Ja, die Platten kommen so aus dem Laser und bei mir an. :) Auf dem ersten Foto meines ersten Beitrags habe ich von der Platte nur bereichsweise die Schutzfolie abgezogen, aber sonst noch kein Oberflächenbehandlung/-bearbeitung vorgenommen.

Zum Vergleich habe ich Dir ein Foto der Rückseite einer 2mm-Platte meines allerersten Projekts (das mittlerweile halbfertig als hässliches Entlein im Schrank herumsteht ...) beigefügt, bei dem keine Schutzfolie auf der Rückseite war.

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Da ich keine solche Antischmauchfolie besitze, habe ich mir angewöhnt solche Teile immer als ganze Platte zu schleifen, bevor ich sie auslöse. Besonders kleine Teile sind sonst so "fizzelig" anzufassen. Wie machst Du das?
Das mache ich trotzdem auch (mit 1000er Schleifpapier). :) Zum einen, weil ich denke, dass es sinnvoll ist, die glatte Plattenstruktur "mikro-"aufzurauen. Zum anderen, weil ich hoffe, im Gegensatz zum Schleifen der herausgelösten Teile, so vermeiden zu können, die Kanten versehentlich "abzurunden".
Warum hast Du über eine Presse nachgedacht bzw. mit was klebst Du? - Ich sehe da auf einem Bild eine UHU-Plast Flasche - ich habe damit für ABS noch nie größeren Druck benötigt, da sich das Material damit anlöst und sozusagen "verschmilzt"
Jawohl, ich klebe mit UHU Plast. :ja: Meine Außenwände bestehen allesamt aus i. d. R. drei Schichten; ich mache mir Sorgen, durch zu wenig Druck und/oder eine zu biegeweiche Unterlagen einen verbogenen bzw. gewellten Zustand zwischen den Schichtlamellen "einzufrieren". Rationalle Gründe habe ich nicht. Daher aber die Ursprungsidee mit der Presse. Beruhigend zu hören, dass das gar nicht unbedingt erforderlich ist. :)

Dein Feedback, @Dampfboot, freut mich übrigens besonders, weil mir Dein Baubericht zum HAWA-Stahlwagen den entscheidenden Ausschlag gegeben hat, dem Hobby nach fruchtlosen und frustrierenden Versuchen in Messing nochmal eine Chance zu geben. :oops: :) Insofern bewege ich mich hier ein bisschen auch in den Fußstapfen deiner Straßenbahn.


Ich hatte diese Woche Urlaub, deswegen ging es jetzt ein bisschen fixer voran und es gibt schon Neuigkeiten:

Um die Fenstertasche an der Stirnwand der A-Seite nach innen abzuschließen, habe ich kleine Konterrahmen aus 0,5 mm ABS lasern lassen. Um den Effekt des in den Kasten eingesetzten Holzrahmens zu verstärken, habe ich die Kanten etwas angefast (was man auf den Fotos leider überhaupt nicht sehen kann, naja ... :roll: )

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Die Konstruktion der Stirnwände der B-Seite entspricht derjenigen der schon gezeigten A-Seite, weswegen darauf nicht näher eingegangen werden muss. Einziger Unterschied: Während an der A-Seite die Fahrerstandstrennwand zur Aussteifung des Wagenkastens beitragen soll, muss diese Funktion an der B-Seite durch die Sitzbänke übernommen werden. - Daher die beiden Schlitze für eine (hoffentlich) hinreichende "Verzapfung".

Die Stirnwandfenster der B-Seite ließen sich übrigens öffnen. Deswegen werden sie noch die - im Original m. E. typischen - losen (hier festgeklebten) Innenrahmen bekommen. Ein Anfasen konnte ich mir also sparen.

Mit insgesamt 3 mm machen die Wände m. E. einen ziemlich dicken Eindruck. Aus den überlieferten Maßen heraus lässt sich aber schlussfolgern, dass der tragende Kasten 65 mm dick gewesen sein dürfte. Das scheint eine Art "Standardmaß" gewesen zu sein, denn durch Zufall habe ich es auch in einer dort zitierten Bestellzusammenfassung der Bayerischen Staatseisenbahn für einen Reisezugwagen in Uebel/Richter: "150 Jahre Schienenfahrzeuge aus Nürnberg" über den Waggenbau bei der MAN gefunden.

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Bei den Innenflächen des Fahrerstands gebe ich mir keine weitere Mühe. Diese waren nämlich mit Asbestpappe ausgeschlagen, was ich irgendwann mal mit Finnpappe nachstellen möchte; die Aufbauhöhe der Innenverkleidungen ist dann quasi direkt in der Dicke der Pappe inbegriffen. Anders sieht es bei der Verkleidung der B-Seite aus.

Mir sind nur zwei Fotos bekannt, die zweifelsfrei den Innenraum von Triebwagen der 1. Lieferung zeigen; eines ist das in meinem ersten Beitrag erwähnte, das andere ist dieses seinerzeit häufiger reproduzierte, das auch in Richtung B-Seite blickt: https://archive.org/details/zeitungdesv ... 4/mode/2up (Abbildung 23)

Leider erkennt man darauf die Wandverkleidung nicht. :( - Also musste ich mir anders behelfen: Das Deutsche Technikmuseum Berlin verfügt über zwei erhaltene Wagen späterer Lieferung: Beiwagen 559 (6. Lieferung, 1908), erhalten im Außerdienststellungszustand der BVG-West von 1965 und Triebwagen 86 (8. Lieferung, ebenfalls 1908), in den Auslieferungszustand zurückversetzt. Beide Wagen wurden von der Waggonfabrik Falkenried gebaut und verfügen über die gleiche Verkleidung der Rückwände: https://technikmuseum.berlin/assets/Tec ... -innen.jpg und https://berlin.museum-digital.de/single ... agenr=9889 Über die verschiedenen Hersteller, Lieferungen und II./III.-Klasse gab es da größere Variationen. Aber ich schätze mal, dass Falkenried seiner Linie treu geblieben ist. :) - Also nachgemacht:

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An der Schluftür dürfte anfänglich übrigens ein Klappsitz gewesen sein (in den zeitgenössischen Artikeln ist der Sitzplatz definitiv eingezeichnet und man kann ihn ja auch in dem Foto des oben verlinkten Fachartikels erahnen). Überlegungen zum Brandschutz (und die folgende Ausrüstung der Wagen mit Feuerspritzen) dürften wohl erst mit den Ereignissen bei der Pariser Metro angestrengt worden sein (https://de.wikipedia.org/wiki/Metrounfa ... _Couronnes).

Für das spätere Einkleben der charakteristischen Blechnägel am unteren Kastenrand (-> siehe die Nahaufnahmen auf den Fotos mit Martin Dibobe) als 0,8 mm-plusmodel-Niete habe ich mir ein "Bohrschablonen-Addon" für die Pressschablone der Stirnwände lasern lassen. Wenn die Innenverkleidung aufgeklebt ist, würde ich die Stirnwand nicht mehr hineinbekommen. Also erst bohren ...

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... et voilà ... (auch hier kommt das Versäubern und Kassettierung etc. erst später)

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Als nächsten ging es an die Türen aus 3x 0,5 mm:

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... in ihrer Grundstruktur sind auch die noch ziemlich öde :)

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Diese Schiebetüren sind für mich übrigens ein gutes Indiz dafür, dass die Berliner U-Bahn vglw. innovationsarm war. Spätere Lieferungen fahren in Ost-Berlin noch bis 1989 mit einzeln handzubedienenden Schiebetüren. In London/Paris/New York setzt man sich schon vor dem 1. Weltkrieg mit automatischen Türschließmechanismen auseinander (vom langen Festhalten am Holzaufbau oder dem nur mal experimentell auftauchenden Aufkletterschutz ganz zu schweigen). Ich tippe darauf, dass das am - im Vergleich - moderaten Verkehrsaufkommen liegt. Den Aufstieg zur Weltstadt hat Berlin eben doch nie geschafft (oder ist das Teil des dt. Sonderwegs?). :D

Walter/Schwuttke verweisen auf ein Fachbuch von 1903, in dem eine Übersichtszeichnung eines der drei ursprünglichen (und von der Serienlieferung stark abweichenden) Probewagens gezeigt wird: https://archive.org/details/bub_gb_9WYl ... 5/mode/2up (Abb. 73) Außer, dass hier auch geschrieben steht, dass die Außenwände eine Dicke von 65 mm haben (Bingo :) ), hilft uns das nicht wirklich weiter. Interessant ist aber der "Presswinkel" im Teilquerschnitt links unten, der die Rahmenecke für den Pfosten der Seitenwand versteift. Ich kenne mich mit dem Deutschen Waggonbau um 1900 nicht wirklich aus; ich meine aber zu wissen, dass das von den New Yorker Hochbahnen übernommene Hineinschwappen des Salonkonzepts für die Londoner U-Bahnen für den bislang Abteilwagen geprägten englischen Eisenbahnwagenbau eine Herausforderung war.

In jedem Fall wird diese Versteifung textlich auch in vereinzelten Beschreibungen der Serienlieferung beiläufig erwähnt und wenn man ganz genau hinguckt, entdeckt man rechts im Vordergrund auf oben verlinktem Foto auch ein entsprechendes U-Profil-Füßchen. Also nachkonstruiert:

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Diese Rahmenecke dürfte auch der Grund für die seltsam vorgezogenen Armlehnen zwischen den 3er Bänken sein. Ich vermute, dass das ein Hohlkasten gewesen sein dürfte. Dieses Profil, zusammen mit der 3D-gedruckten Armlehne soll auch im Modell helfen, die Seitenwände zu fixieren.

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Bei der Geometrie musste ich etwas schummeln. Als Walzprofil-Presskonstruktion macht es so keinen Sinn, aber ich bin auf die Steifigkeit angewiesen. Das U-Profil wird aus 0,5 mm (Flansch) - 2,0 mm (Steg) - 0,5 mm (Flansch) geschichtet. Am Ende gibt es noch ein MENG-Schrauben-Köpfchen. Damit der Steg am sichtbaren Ende nicht zu üppig aussieht, sich das Teil aber lasern lässt, verspringt er in eine Aussparung, die das Positionieren erleichtert.

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Platziert aber weder eingepasst noch eingebaut sieht es dann so aus:

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Ich traue mich noch nicht, die Teile festzukleben, weil ich - ehrlich gesagt - völlig planlos bin, was das Lackieren angeht. Grundsätzlich denke ich ja, dass sich Einzelteile besser und einfacher lackieren lassen sollten, aber andererseits müsste ich dann die späteren Klebestellen abkleben usw.
Wie macht ihr das? Klebt ihr erst und lackiert dann oder lackiert ihr in Einzelteilen?

P.S. Lustig finde ich übrigens das Fazit, das Zehme (der scheinbar die Probewagen, jedoch nicht die Serienlieferung für Berlin kannte) im oben verlinkten Buch zu den Pariser Metro-Wagen zieht: "Die Ausstattung ist für eine Tiefbahn nicht vorteilhaft. Die Naturhölzer geben dem Wageninnern ein dunkles Aussehen [...]" (S. 113) :lach: Im Grunde ist damit auch alles zu den Berliner Wagen gesagt.

Beste Grüße
Berliner96
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