Realistische(re) Figuren

Anlagen (aussen & innen), Dioramen, Gebäude, Figuren, Schienen, Autos, sonstiges Zubehör

Moderator: Marcel

teppichbahn
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Realistische(re) Figuren

Beitrag von teppichbahn »

Hallo,

wie vermutlich andere vor mir habe ich mir die Frage gestellt, warum Figuren in unserem Maßstab so spielzeughaft daherkommen, besonders im Vergleich zu den Militaria-Modellbauern in 1:35. Bessere Anlagen werden meinem Eindruck nach durch Figuren eher abgewertet als belebt. Vielleicht sehe ich hier auch deshalb viele Bilder von exzellenten Dioramen ganz ohne Menschen. So eine Entscheidung mag auch mit der Spannung zwischen statischen Figuren und fahrenden Zügen zusammenhängen. Ich persönlich habe aber großes Interesse an menschlichen Figuren, die sich einigermaßen glaubwürdig in ihre Umgebung einfügen, auch wenn an der mangelnden Dynamik nichts zu rütteln ist.

Also habe ich mich auf dem Markt, auch und vor allem jenseits von Preiser, etwas umgeschaut; da muss doch inzwischen mehr möglich sein, als ich meist so gesehen habe, ob mit 3D-Druck oder Spritzguss. Nun ist dies zwar ein Selbstbauforum, aber ich denke, dass auch die meisten Modellbauer bei Figuren ohne Unterstützung im Formenbau nicht ganz auskommen.

Über die grässlichen LGB-Kobolde muss ich ja nichts schreiben. Prehm haut mich auch nicht vom Hocker. Die Detaillierung der Formen ist eher schwach, und die Bemalung ziemlich uneinheitlich. Dann gibt's noch diverse amerikanische Hersteller, von denen aber viele wie Woodland oder Just Plain Folk keinen Anspruch an Realismus haben und eher Karikaturen entwerfen.

Ausnahme sind einige Bachmann-Figuren, die ich in der Detaillierung gut mit Preiser vergleichbar finde, auch wenn besonders die Köpfe wieder etwas ins comic-hafte abgleiten. Eine andere Alternative sind die Figuren von American Diorama. Der Schwerpunkt liegt auf stereotyp amerikanischen Motiven und ist dazu recht autozentriert. Viele Figuren sind ebenfalls mindestens auf Preiser-Niveau und der angegebene 1:24-Maßstab ist mir im direkten Vergleich zu Preiser nicht aufgefallen. Eher im Gegenteil, was an den relativ großen Köpfen liegen mag. Seit Kurzem gibt's auch noch einige Pola-Figuren, die ebenfalls qualitativ mit Preiser vergleichbar oder sogar besser sind (werden die nicht mehr von Preiser im Auftrag produziert?).

Und zuletzt zu den berüchtigten China-Figuren: Da gibt's ja zwei Sorten, die ganz grässlichen Farbklumpen, die trotzdem beliebt bei der Bestückung von Rollmaterial sind, weil billig und Hauptsache schön bunt. Dann gibt's etwas weniger schlimme sitzende Figuren, immer noch zu Preisen deutlich unter 1 Euro an jeder Ecke zu bekommen. Das sind offensichtlich abgegossene Preiser-Figuren mit einfachster, schlampiger Bemalung und Glotzaugen:
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Nicht alle, aber die meisten Formen sind nicht ganz so übel, wie sie auf den ersten Blick aussehen. Also habe ich sie für Malübungen verwendet. Sie bestehen aus einem Gummimaterial, nicht aus Hartplastik. Nachteile dadurch habe ich beim Bemalen aber nicht feststellen können:
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Ich muss sagen, dass das Ergebnis im Vergleich zu den Preiser-Originalen nicht schlechter oder sogar besser ist, je nach Fortschritt der eigenen Malkünste. Schön sind die verwaschenen und auch im Original schon recht einfachen Formen nicht, aber für mich persönlich reichen die Figuren zur Wagenbestückung gerade so aus, die Unterkörper sieht man ohnehin kaum. Aber ich fahre auch noch olles LGB-Material auf dem Teppich durch die Gegend. Wem die Qualität reicht, der kann so sehr günstig seine Wagen vollstopfen. Nur richtig Spaß macht die Massenbemalung von groben Figuren nicht, denn mehr als "geht schon so" kann halt nicht dabei herauskommen. Bezeichnend für das Preiser-Sortiment, von dem hier abgekupfert wurde, finde ich übrigens, dass keine einzige der weiblichen Figuren eine Hose anhat.

Nun aber zur Kritik an den Markenfiguren: Preiser und die übrigen genannten Hersteller bieten zwar solide Produkte an, aber es sind halt immer die gleichen Figuren, die man sieht. Außerdem sind sie sowohl bei der Detaillierung der Formen als bei auch der Bemalung weit von dem entfernt, was in unserem Maßstab eigentlich möglich wäre. Die relativ simple Bemalung finde ich in Ordnung; die Ergebnisse müssen halt exakt reproduzierbar und bezahlbar sein, auch bei Produktion auf Mauritius. Und bemalen können wir schließlich selbst, und dann auch ordentlich, ohne auf den Stundenlohn achten zu müssen.

Vergleichbare Figuren von Preiser, American Diorama und Pola:
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Alle Figuren sind schon irgendwie in Ordnung, aber keine ist wirklich gut, am wenigsten diejenige von Preiser.

Preiser-Gesichter sind fast immer gleich als solche erkennbar:
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Bis auf die Blickrichtung sind alle Augen und Brauen im gleichen Stil und in den gleichen Farben gemalt, egal ob Kleinkind oder Erwachsener, Mann oder Frau, blond oder brünett. Natürlich kann man das selbst mit etwas Übung besser machen, allerdings bietet Preiser nur einige wenige unbemalte Figuren an.

Und ein ähnliches Bild bei Pola:
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Augen und Brauen sind präzise, aber halt bei allen Figuren gleich. So gleich, dass ich vermute, dass es sich um identische Decals handelt. Spätestens bei den Kinderfiguren sieht das dann beknackt aus.

Bei American Diorama ist nicht nur die Bemalung, sondern auch die Gesichtsform ziemlich typisiert:
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Sieht zwar ein bisschen nach Manga aus, ist aber wenigstens mal etwas Abwechslung. Die Figur ganz links ist übrigens ein Mann; das Gesicht ist aber kaum von der brünetten Frau weiter rechts zu unterscheiden.

Die Typengesichter sind besonders im Ensemble sehr unschön, aber wirtschaftlich nachvollziehbar und wenigstens teilweise durch eigene Bemalung kaschierbar. Weniger nachvollziehbar und kaum korrigierbar finde ich, dass sich speziell bei Preiser bei der Detaillierung der Formen in den letzten Jahren bis Jahrzehnten kaum etwas getan hat. Das entspricht einfach nicht mehr dem heutigen Stand, und mehr Details sollte bei Einmalinvestitionen in die Gußformen auch wirtschaftlich problemlos machbar sein.

Solche groben Formen lassen sich auch mit sorgfältiger Bemalung nicht wirklich verbessern:
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Diesen Grad der Detaillierung bei Preiser fände ich in 1:87 schon grenzwertig, selbst da geht es besser. In 1:22,5 ist das meiner Ansicht nach nicht mehr akzeptabel. Plastische Effekte durch Washes und Trockenmalen versuchen sie bei Preiser ja durchaus, aber wenn Falten in der Hose nur Wülste sind, bleibt das Ergebnis halt weit hinter den Möglichkeiten zurück, die unser großer Maßstab bietet.

Andere sind nicht gut, aber wenigstens besser:
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Von links nach rechts: Preiser, American Diorama, Bachmann und Pola. Preiser hinkt als Markt- und Preisführer hinterher, das kann ich nicht anders sagen.

Preiser verfolgt offensichtlich gar keinen Fotorealismus bei seinen Figuren. Gerade die neuen Figuren sind künstlerisch meist sehr ausdrucksstark, nur eben stilisiert und durchaus etwas cartoon-artig. Soweit ich weiß, wird immer noch ausschließlich von Hand modelliert ohne technische Unterstützung. Ein solcher Stil passt aber wenigstens meinem Geschmack nach nicht zu Modellbahnanlagen. Da geht's typischerweise eben doch um Fotorealismus, auch wenn er fast nie erreicht wird. Selbst LGB mag die Modelle vereinfachen, verkleinern und verfälschen, aber bewusste Stilisierung und Überzeichnung gibt es bei Herstellern eigentlich nicht. Für Figuren, die sich harmonisch in eine Anlage einfügen, sehe ich also bei Preiser und Co nicht genug Potential, auch wenn man selbst nacharbeitet.

Aber gibt es passendere Figuren außerhalb der Modellbahnwelt? Die offensichtliche Herausforderung besteht in den von anderen Herstellern bedienten Themen. Die bewegen sich bekanntlich irgendwo zwischen Monstern, Krieg und dicken Titten. Davon will ich eigentlich nichts auf meiner Bahn haben. Wie oben angedeuetet, nerven mich schon die unvermeidbaren (und wenig realistischen) Miniröcke bei den Frauen im Preiser-Sortiment und erst recht die Altherren-Erotik bei Herstellern wie Prehm.

Dazu kommt, dass fast alle anderen Figuren im bei Modellautos gängigen Maßstab 1:24 produziert werden. Einerseits gibt es bei Menschen deutlich mehr Spielraum beim Vorbild als beim Rollmaterial. Andererseits lässt sich nicht jede Maßstabsdifferenz mit unterschiedlichen Körpergrößen wegdiskutieren, schließlich ändern sich mit der Größe auch die Proportionen. Auf die angegebenen Maßstäbe sollte man allerdings ohnehin nicht allzuviel geben, besonders wenn die Hersteller eher stilisierte Figuren anbieten:
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Links sitzt American Diorama in 1:24, rechts Pola in 1:22,5. Da bleibt eigentlich nur nach, naja, "Stimmigkeit" im Einzelfall abzuwägen. Erst wenn die Proportionen vorbildgetreu und nicht mehr künstlerisch frei gewählt sind, was ja bei 3D-Scans automatisch der Fall ist, kann man streng nach Maßstab vorgehen. Mit dem 3D-Druck wird sich das Maßstabsproblem in absehbarer Zeit ohnehin erledigen, weil die Skalierung auf Knopdruck angepasst werden kann.

Also, wenn man 1:24 nicht von vornherein ausschließt, was bleibt an Figuren, die sich im Modellbahnbereich einsetzen lassen und mehr Qualität bieten als Prehm und Preiser? Eigentlich gar nicht so wenig. Man muss nur etwas suchen und stöbern, um Figuren zu finden, die zu den eigenen Themen passen, auch wenn der erste Blick auf ein Sortiment abschreckend wirken mag. Zum Beispiel bieten Firmen, die sich auf Weltkriegsthemen spezialisieren, oft auch passende Zivilisten an. Solche Figuren können dann wunderbar für unsere Epochen I bis III eingesetzt werden. Und bei Preiser-Motiven frage ich mich auch manchmal, wer sowas eigentlich haben will; auf meinen persönlichen Bedarf stellt leider kein Hersteller sein Sortiment ein.

Plastikguss-Bausätze habe ich von von zwei ukrainischen Marken gefunden. ICM Model bietet einige wenige, aber vielversprechende Figuren für frühe Epochen: Feuerwehrleute, einige Arbeiter und zwei Anzugträger. Ausprobiert habe ich die Bausätze noch nicht, aber die Bilder der Spritzlinge sehen sehr detailliert aus, Berichte im Netz sind ebenfalls sehr positiv.

Außerdem hat Master Box hervorragend umgesetzte Bausätze, leider in den Motiven nur eingeschränkt modellbahntauglich. Ich habe diverse Kits ausprobiert, die nicht allzu sehr nach Pin-Ups aussehen, und bin sehr angetan. Mann muss beim Bau ein bisschen nachfeilen und spachteln, aber dafür sind die Formen enorm detailliert und ausdrucksstark. Einzelne Figuren kosten etwa 8 Euro, Sets sind deutlich billiger. Inbegriffen ist meist auch schon Zubehör wie Hunde oder Koffer, in ähnlich hoher Qualität. Da habe ich am Preis nichts zu meckern.

So sahen Arm und Kopf eines Bausatzes von Master Box aus:
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Endlich sieht man mal, was in unserem Maßstab eigentlich selbstverständlich sein sollte, sonst könnten wir ja auch in H0 bauen: Fingernägel, Adern auf der Hand, Muskelstränge, Gesichtsfalten und Augenbrauen. Sobald ich da als blutiger Anfänger Grundierung und Farbe raufklatsche, sind natürlich viele Details gleich wieder zugematscht, aber das Potential ist da. Und das ist ein günstiger Plastikbausatz, anscheinend sind mit Resin noch ganz andere Details möglich. Soweit ich es verstanden habe, werden die Figuren bei Master Box noch von Hand modelliert, daran kann es also bei Preiser nicht liegen.

Und so sah das Gesicht nach dem Bemalen aus:
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Zwar konnte ich an den China-Figuren etwas üben, aber ein Gesicht voller Details lässt sich viel einfacher bemalen. Künstlerisch begabte Menschen können sicher auch auf einen Playmobil-Kopf ein ausdrucksvolles Gesicht zaubern, aber mir hilft es enorm, wenn Falten, Brauen usw. schon durch die Gussform vorgegeben sind.

Und zwei der Master-Box-Figuren fertig bemalt:
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Motivisch werden das nicht meine Lieblingsfiguren, da dürften die Vorbilder gern etwas weniger konventionell attraktiv aussehen. Auch die Gesichter wollen mir noch nicht so recht gefallen, und bei den Haaren muss ich ebenfalls noch weiter üben. Aber die Richtung stimmt, die Hosen sehen schon einigermaßen nach Jeans aus, und nicht nach blau angemalter Knetwurst. Mit etwas Abstand stellt sich bei mir schon der Eindruck von Miniatur-Menschen statt Spielzeug-Figuren ein. Die teilweise nicht ideale Oberflächenstruktur liegt am matten Klarlacküberzug aus der Sprühdose. Je nach Abstand und Dosierung beim Sprühen wird das körnig oder glänzt, oder alles zusammen. Manchmal passt das, aber T-Shirts, Pullover und auch Gesichter sähen im originalen Mattton deutlich besser aus. Mit Airbrush ginge es sicher besser, hab ich aber leider nicht. Ernsthafte Modellbauer können sich den Klarlack wahrscheinlich sparen, aber mit meinen Figuren wird halt auch gespielt.

Auch wenn besonders die Männer spürbar kleiner ausfallen, würde ich die meisten Master-Box-Figuren bedenkenlos mit 1:22,5-Bahnmodellen kombinieren. Nur die Kombination mit anderen klobigen Modellbahn-Figuren wird problematisch. Die Männerfigur im Bild ist umgerechnet nur 171cm groß, andere Master-Box-Männer sind etwas größer. Die Figur nennt sich "Jesus", für einen Latino wären 171cm durchaus realistisch. Nur neben den ganzen Preiser-Garde-Männer passt es nicht. Die finde ich besonders für ältere Epochen sowieso oft etwas groß.

Ebenfalls aus Osteuropa gibt's noch North Star Models, die einige Figuren auch fertig bemalt anbieten, anscheinend in deutlich höherer Qualität als im Modellbahnbereich üblich. Mich selbst reizen fertige Figuren nicht so, aber um die 30 Euro für hochwertig gegossene und bemalte Figuren (wenn die Bilder nicht lügen) sind meiner Ansicht nach nicht zu viel verlangt. Im Angebot sind auch einige durchaus alltagstaugliche Motive, der "Mann mit Bierbauch" sieht zum Beispiel durchaus vielversprechend aus.

Als weitere Firmen bieten Tori Factory und Def Models hochwertige (und hochpreisige) Resin-Bausätze an, thematisch allerdings für uns nur für spezielle Fälle geeignet. Falls jemand beispielsweise eine fesche Naturfotografin auf seiner Anlage brauchen kann, gibt es einen extrem detaillierten Bausatz, sogar mit geätzten Teilen.

Hobby Design aus China bietet ebenfalls Resin-Bausätze an, häufig Nachbildungen von diversen Filmfiguren. Die Qualität scheint hoch zu sein, die Kompatibilität der Figuren zur Modellbahn allerdings wieder weniger. Einige Motive wie zum Beispiel hier zu sehen sind – bis auf die Person mit der Wumme – eventuell brauchbar, aber es sind halt alles betont coole junge Leute.

Dann gibt es diverse japanische und koreanische Modellhersteller wie Tamiya und Hasegawa mit eher eingeschränktem Angebot von Plastikguss-Kits als Autozubehör. Ausprobiert habe ich ein ziemlich neues Set von Tamiya. Die Figuren sind offensichtlich eher als Massenprodukt konzipiert, durchaus im positiven Sinn. Die Teile sind passgenau und sitzen durch eine Art Stecksystem sofort, wie sie sollen. Spachteln oder Schleifen ist nicht nötig. Dafür sind besonders die Gesichter nicht ganz so detailliert wie bei Master Box und ICM, Preiser und Co schlagen sie aber immer noch um Längen. Vor allem sind die Proportionen vorbildgetreu.

Ein Tamiya-Gesicht nach der Bemalung:
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Die Tamiya-Figuren habe ich ziemlich am Schluss gebaut, da klappte auch die Gesichtsbemalung schon besser. Bei den früheren Master-Box-Figuren sind einige Gesichter noch etwas verwaschen geworden. Mich hat auch überrascht, wie fix solche Gesichter von der Hand gehen. Ich habe mir zur Inspiration einige Berichte von 1:35-Miniaturmalern angesehen, daher hatte ich mir das langwieriger vorgestellt. Dort scheinen die Leute aber auch Dutzende Schichten Dreck und Verzweiflung von drei Jahren Ostfront aufzutragen, sowas muss ich bei mir nicht haben. An der linken Wange ist mir Farbe abgeplatzt, da musste ich nacharbeiten. In der Makro-Aufnahme sticht das natürlich gleich ins Auge. Bei den Tamiya-Figuren, wie auch bei denen der anderen Hersteller, die ich ausprobiert habe, sind alle Gesichter sehr individuell modelliert. Ein Problem mit "Typengesichtern" bekommt man also nicht.

Die zusammengebaute und bemalte Figur:
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Das hervorgehobenen Falten des Pullovers wirken in der Makroaufnahme zu grob, das hätte ich für eine richtige Anlage subtiler gemacht. Aber aus großer Entfernung auf dem Fußoden sieht die Figur so plastischer aus.

Und das ganze Tamiya-Set, ein Motorroller war auch dabei:
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Mir gefallen die Figuren ganz gut, obwohl sie nicht extrem detailliert sind und die Motive nicht überall hinpassen. Außerdem wird der kleinere Maßstab recht deutlich. Das liegt wohl daran, dass die koreanisch beeinflussten Figuren auch für 1:24 relativ klein sind. Bei der Platzierung auf der Anlage muss man also aufpassen. Neben maßstäbliche Wagen oder Gleise würde ich sie in der ganzen Gruppe nicht stellen, aber isoliert in der Landschaft oder auf einem Parkplatz sollten sie passen. Und, hust, für manches LGB-Material sind sie von der Größe her eigentlich perfekt. Kleidung und Gestik lassen auch erkennen, dass die Leute wohl keine Deutsch-Koreaner sind. Aber Selfie-schießende Touristen aus Korea sind ja beispielsweise auf einer RhB-Anlage nicht unpassend. Besonders die Studentin mit dem Rucksack kann man in 1:22,5 auch prima als Teenager einsetzen, dann stimmen Größe, Proportionen und Gesamteindruck genau.

Schließlich gibt's noch das schnell wachsende Segment der 3D-Resin-Drucke. Man könnte natürlich selbst eine Vorlage 3D-scannen, aber in jedem Fall braucht es eine Menge händischer Nacharbeit am Rechner, um aus einem Scan ein detailliertes und ausdrucksvolles Modell zu machen. Alternativ könnte man sich auch nach hochwertigen und frei verfügbaren 3D-Dateien umsehen und die dann irgendwo drucken lassen, da schwirren ja immer mehr im Netz herum. Ich habe aber erst einmal nur geschaut, was es so an fertig gedruckten Figuren gibt.

MAiM aus Deutschland konzentriert sich wie üblich auf militärische Themen. Zwischen den ganzen Soldaten und Zombies gibt's auch für uns brauchbare Motive wie Bauarbeiter, Angler, Bauern und ein paar spezielle, aber je nach Thema durchaus einsetzbare Figuren wie Graffiti-Sprayer.

Auch ReedOak aus Frankreich bietet Kriegsfiguren aller Epochen an, darunter aber auch viele Zivilisten. Die Figuren sind ziemlich hochpreisig, sehen dafür aber sehr detailliert aus, auch die Berichte im Netz wirken ziemlich begeistert. Die Modelle scheinen auf 3D-Scans zu basieren, die aber noch mit viel Mühe aufgearbeitet werden. Vor allem gibt es auch viele Figuren, die nicht einem Hollywood-Film oder Pin-Up-Kalender entsprungen zu sein scheinen.

Dagegen ist das Sortiment von ModelU aus Großbritannien tatsächlich zugeschnitten auf Modellbahn in jedem Maßstab und jeder Epoche, also auch in 1:22,5 statt 1:24. In kleineren Maßstäben bieten sie schon länger Figuren an, die in der Detaillierung wohl deutlich über dem Preiser-Standard liegen. Den Preis von knapp 25 Euro pro Figur plus Versand aus UK finde ich allerdings für Anfänger-Malübungen etwas abschreckend. Ich hoffe, dass die Detaillierung in 1:22,5 dem Preis entspricht und die Figuren nicht nur ursprünglich für H0 konzipierte 3D-Dateien sind, die einfach hochskaliert wurden. Die Bilder und Berichte, die ich bisher gesehen habe, machen mich da etwas skeptisch. Ich befürchte, dass dort nur mit grob aufbereiteten 3D-Scans gearbeitet wird. Für große Maßstäbe reicht das aber meiner Einschätzung nach nicht. Vielleicht hat sich inzwischen die Qualität aber auch verbessert.

Ausprobiert habe ich also erst einmal ein Set von MAiM, eine Frau mit einem kleinem Mädchen. Die Figuren sind offensichtlich einer bekannten Zombie-Fernsehserie entlehnt. Letztlich sind es aber nur Mutter und Tochter mit Rucksack und praktischer Kleidung. Also ziemlich passend für jede Bahn. Nur zeitgenössisch muss das Thema sein; Rucksack und Kleidung sind klar als modern erkennbar.

Der Resindruck wirkte auf mich außerdem etwas spröder als Plastik-Spritzguss, ein Teil der Jacke fehlte, und bei einem Fall auf den Teppich ist gleich der Kopf abgesprungen. Über sowas habe ich mir bei Plastikfiguren noch keine Gedanken gemacht. Wenn dann etwas abgebrochen ist, lässt es sich außerdem nicht so gut verkleben wie Plastik. Solche Überlegungen spielen sicherlich bei ernsthaften Modellbauern keine große Rolle, aber ich bin halt Teppichbahner, da hab ich alles lieber etwas robuster. Bei den gelieferten Figuren stimmte auch erst etwas mit der Skalierung beim 3D-Druck nicht, das Mädchen war viel zu klein. Ich habe aber sofort einen neuen Ausdruck beider Figuren nachgeliefert bekommen. Die waren dann gefühlt eher etwas größer als 1:24 - also perfekt für 1:22,5. Ich sehe das Größen-Wirrwarr einfach mal postiv, und hoffe, dass man auf freundliche Anfrage hin vielleicht auch direkt einen 1:22,5-Druck bekommen kann.

Das klingt erst einmal ziemlich negativ, aber letztlich haben mich die Figuren absolut überzeugt. Mutter und Tochter sind sehr plastisch und fein detailliert, kein Vergleich mit den Drucken von verwaschenen 3D-Scans, die ich schon so gesehen habe. Jemand hat die Figuren offensichtlich mit einigem Aufwand händisch (nach)modelliert. Die Schichten vom 3D-Druck sind so dünn, dass sie nach der Grundierung unsichtbar sind, auch in Makroaufnahmen. Nur diverse Reste von den Stützen musste ich noch nacharbeiten. Das Set hat 15 Euro gekostet, da kann ich bei der Detaillierung absolut nicht meckern. Die Gesichter erreichen im 3D-Druck noch nicht ganz die Qualität von hochwertigen Plastik- oder Resin-Gussformen, das ist aber wohl nur eine Frage der Zeit.

Und so sahen die beiden nach dem Bemalen aus:
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Bei meiner Bemalung der Gesichter gibt's sicher noch Luft nach oben, die Tamiya-Figuren sind da schon etwas besser gelungen. Trotzdem finde ich, dass das kleine Mädchen schon ausdrucksvoller und vor allem realistischer wirkt als sämtliche Kinderfiguren von Preiser. Absolut maßstäblich sind die Figuren auch: Die Mutter wäre umgerechnet 170cm groß, wenn man 1:22,5 annimmt. Das Mädchen hätte eine Körpergröße von etwa 105cm, das entspricht einem Alter von sechs Jahren und auch ziemlich gut dem Erscheinungsbild der Figur. Ich mag auch die Posen der Figuren, die weder stocksteif noch offensichtlich in der Bewegung eingefroren erscheinen.

Und mal einige der Master-Box- und Tamiya-Figuren mit etwas Kontext:
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Das ist natürlich nur ein Anfang und ob der grimmig schauende Trucker-Jesus und seine Pin-Up-Girls nun die perfekte Ergänzung eines jeden Eisenbahndioramas darstellen, weiß ich auch nicht; aber qualitativ finde ich das schon einen Quantensprung im Vergleich zu Preiser.

Auch die beiden MAiM-Figuren fügen sich motivisch gut ein:
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Insgesamt sehe ich die Ergebnisse meiner kleinen Recherche sehr positiv, auch wenn ich für wirklich schöne Figuren noch etwas üben muss. Am erhältlichen Material scheitert es nicht, auch in unserem Maßstab sind ebenso hochwertige Figuren zu bekommen wie in anderen Größen. Wer LGB für Spielzeug hält, kann auch Prehm und Preiser links liegen lassen. Außerdem ist das Angebot auf dem Markt enorm schnell wachsend: Die Hersteller bringen immer neue Formen heraus, die Zahl der Anbieter nimmt ebenfalls ständig zu, besonders im Bereich der 3D-Drucke, von selbsterstellten Scans gar nicht zu reden. Und anders als vorbildliches Rollmaterial erfordern schöne Figuren weder eine große Brieftasche noch weit fortgeschrittene technische Fertigkeiten. Nur einfach alles fertig kaufen, das geht nicht, aber hier ist das ja ohnehin selbstverständlich. Einigen anspruchsvollen Modellbauern werden die erzielbaren Ergebnisse wohl auch weiterhin nicht reichen, um sich durchzuringen, Figuren aufzustellen. Ich hoffe aber, dass man insgesamt bald in unserer Baugröße eine größere Figurenvielfalt zu sehen bekommt.
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fspg2
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von fspg2 »

Moin,

hier ein Link zu einem Modellierer von Preiserfiguren: Volker Bauer

Daneben baut er er schöne Figuren aus Epoche 1, den 1960ger Jahren, DDR-Feuerwehr (leider noch keine aus den westlichen Regionen), die direkt über ihn bezogen werden können: https://mybowtieforyou.de/preisliste-1.html

Es werden diese kleinen "Kunstwerke" in den Maßstäben 1:45, 1:32 und 1:22,5 (1:25) angeboten.

Sie stellen sicherlich eine bezahlbare Alternative zu den von Dir bereits aufgeführten Figuren dar.
Viele Grüße
Frithjof
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von teppichbahn »

Abend,

die Seite hatte ich mir auch schon angesehen, die Figuren haben mich aber ehrlich gesagt nicht überzeugt. Die Formen sind, soweit ich das von den Bildern beurteilen kann, auf dem üblichen Preiser-Niveau, und das reicht mir nicht mehr. Dafür finde ich sie mit 14,50€ unbemalt auch nicht besonders preiswert, meine Testfiguren haben zwischen 5 und 8 Euro gekostet.

Ich habe ja oben schon geschrieben, dass man den Figurenbau auch unter einem eher künstlerischen Blickwinkel angehen kann, wie Volker Bauer und Preiser das wohl machen. Meine Perspektive ist halt eine andere, deswegen sind mir seine Formen nicht filigran genug.
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von Dampfboot »

Hallo Teppichbahner,

danke für Deine Zusammenstellung mit den aufschlussreichen Fotos und Beschreibungen zu den Figuren.
So habe ich einen guten Überblick gewonnen, was es am Markt so gibt bzw. was man erwarten kann.
Gruß Rainer - https://radow.org
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von viking »

Sehr schön bemalt. Mir gefällt besonders der etwas blasse Ton der Farben. Das wirkt alleine schon wesentlich natürlicher. Meine figuren sind immer recht kräftig vom Farbton, selbst bei unbunten Farben.

Henrik
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von Lumpo »

Hallo die Runde,
die neuen Figuren von KM1 finde ich toll. Noch nicht lieferbar, können
vorbestellt werden.
Gruß Lumpo :D
.rob
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von .rob »

Eines vorweg, der Bericht ist gut recherchiert.

Ich möchte zwei Dinge noch anmerken.
Die LGB Figuren kommen von der Firma Elita.
www.elita.de

Und es ist mittlerweile Möglich, einen echten Menschen 3D Scannen zu lassen und diesen zu drucken, auch für privat.
3d you body ist einer dieser Anbieter. Ist allerdings kein günstiger Spaß und ich habs auch nicht ausprobiert. aber es wäre ne Möglichkeit sich selbst auf die Bahn zu setzen oder Figuren anzufertigen, die nicht verfügbar sind. Ich glaube, dass Modellbahner bislang noch nicht deren Zielgruppe sind, aber das kann man ja ändern.

Grüße Rob
Spureinser
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von Spureinser »

Hallo Rob ,

3d Druck Figuren sind sind , aber haben einen Nachteil die Details , wie Knöpfe oder Taschen auf Jacken sind sehr flach und nicht wie bei modulierten Figuren aus dem Modellbau , was das realistisch bemalen der Figuren für ungeübte , sehr schwierig macht um 3d Effekte zu erzielen .
Auch Faltenwürfe von Kleidung ist flacher , so das man mit Nassinnass Maltechniken an Grenzen stößt .


Gruß von Thomas aus den Taunusbergen
Ich fahre in Spur 1 , e + f , sowie R/C in 1:32 / MEC Idstein
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UPW
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von UPW »

Hallo,

2016 hatte ich mich für 15 Euro (Ganzkörper) scannen lassen. Das Ergebnis kann man hier herunterladen: https://grabcad.com/library/uwe01-1 . Damit kann sich jeder einen eigenen Eindruck machen, wie detailliert so ein Scan ist. Man steht auf einem Drehteller und sollte für eine (laaangsaaaame) Umdrehung möglichst die eigene Motorik in Standby versetzen. Das Ergebnis ist dann garantiert verschwommen und geht wie oben bereits beschrieben auf Kosten der Details. Übung verbessert das Ergebnis, aber vom Prinzip her sind schon Grenzen gesetzt. Ich hoffe, in den letzten 5 Jahren hat sich ein besserer Ansatz entwickelt.

Sonntagsgruß,

Uwe P.
Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis grösser als in der Theorie.
teppichbahn
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Re: Realistische(re) Figuren

Beitrag von teppichbahn »

Hallo Thomas,

die Plastizität von Figuren hat nichts mit dem Herstellungsverfahren zu tun.

Prinzipiell hast du beim 3D-Druck sogar mehr Flexibilität bei den Formen. Zum Beispiel kannst du einen nicht nur erhabenen, sondern abgesetzten Knopf nicht per Spritzguss umsetzen, weil du den Spritzling dann nicht mehr unbeschadet aus der Form bekommst. Beim 3D-Druck ist allgemein jede Form möglich, allerdings oft erkauft durch zusätzliche Stützstrukturen. Umgekehrt kannst du viele Limitationen des Spritzgusses durch den Guss des Rohlings in mehreren Teile umgehen.

Ich glaube, du bringst die Herstellung der fertigen Figuren (Spritzguss bzw. 3D-Druck) mit dem Entwurf des Urmodells bzw. der 3D-Datei durcheinander. Wenn Urmodell oder 3D-Datei schlampig modelliert sind, kann ein noch so gutes Spritzgussverfahren oder ein noch so teurer High-End-3D-Drucker nichts mehr retten. Du hast wahrscheinlich bisher nur 3D-Drucke gesehen, die auf schnellen Scans ohne weitere Nachbearbeitung basieren.

Sieh dir die hinteren Hosentaschen bei dem 3D-gedruckten kleinen Mädchen oder die ausgestellte Jacke bei der Mutter weiter oben an: Solche plastischen Details wirst du bei keiner Preiser-Figur finden. Das liegt natürlich nicht am Spritzgussverfahren, sondern daran, dass sich bei Preiser keiner die Mühe macht, Hosentaschen zu modellieren. Eine so filigrane ausgestellte Jacke ließe sich im Spritzguss allerdings nur durch einen Bausatz realisieren.
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