Hallo zusammen,
wie das manchmal so geht, kommt man vom Hölzchen aufs Stöckchen und so habe ich mich längere Zeit mit dem Thema "Gullideckel" beschäftigt. Ein weites Feld, kann ich Euch sagen. Es fing mit den komplett aus Karton für das Übungsmodul entstandenen Deckeln an (s.
hier im ersten Beitrag oder
hier mit Anleitung zum Selbstbau), mich haben dann aber auch einige Bauformen gereizt, die sich mit Papier und Schere nicht umsetzen lassen. So z. B. die Weichenstellkastendeckel im aktuellen Projekt.
Zuerst habe ich es mit der Ätztechnik versucht. Da gibt es aber ein Dilemma: entweder hohe Abbildungsschärfe oder große Ätztiefe. Bei diesem Beispiel handelt es sich um 0,5 mm Neusilber. Insbesondere bei der rechteckigen Schachtumrandung in der Bildmitte oben verschwimmen die quaderförmigen Erhebungen zu kleinen Knubbeln.
Außerdem muss man das Material aufdoppeln, um auf die benötigten Wandstärken zu kommen. Das ist kein Problem, aber ein teurer Spaß. Deswegen habe ich mal einen Versuch mit gelaserten Kartonteilen gemacht, um die Ätzteile damit zu verdicken; bitte entschuldigt die lausige Qualität der Aufnahmen.
Das hat mich aber auch nicht zufreidengestellt, da es an den Kanten dann doch Nacharbeit gibt und die Ätz- und Laserteile aus der Natur der Sache bei identischen Daten nicht deckungsgleich sind; der Laserstrahl macht einen mit zunehmender Materialstärke breiteren Schnitt. Ich war aber von der Qualität der Teile erstaunt - was lag also näher, als gleich den ganzen Deckel mal in Karton lasern zu lassen. Oben Ätzteil, unten Laserteil:
Damit hatte ich gleichzeitig hohe Abbildungsschärfe und große Schnitttiefe. Auch die Oberfläche des Kartons kommt m. E. dem Erscheinungsbild von Gusseisen näher, als die doch sehr glatte Neusilberoberfläche.
Der Karton lässt sich außerdem nach Tränken mit Sekundenkleber oder acetonverdünntem Nagellack (es gibt auch noch andere Möglichkeiten) problemlos schleifen und glätten. Deswegen langweile ich Euch jetzt mit einem kleinen Exkurs in die wunderbare Welt des gelaserten und farblich nachbehandelten Kartongullis. Wenn ich die Fachbegriffe nicht treffe und ein Kundiger hier mitlesen sollte, freue ich mich über Korrekturen!
Fangen wir mal mit einem Weichenstellkastendeckel von Both & Tilmann an:
Als nächstes kommt der Stellkastendeckel Bauart Bochumer Verein:
Um im Gleisbereich zu bleiben, folgt die Rillenschienenentwässerung des gleichen Herstellers; Meterspurausführung:
Und kleine Rillenschienenentwässerungen modernerer Bauart:
Wenden wir uns mal der Straße zu. Hier ein echtes Plettenberger Objekt, ein alter Straßeneinlauf:
Und zwei Wiesbadener Pendants, die aber auch in vielen anderen Städten anzutreffen waren/sind:
Bei Letzterem müsste der erhabene Teil in den Ausfachungen noch teergrau behandelt werden. Da gibt es beim Vorbild zahlreiche Beispiele, bei denen der Gussasphalt ausgebrochen ist und der Stahlguss zum Vorschein kommt.
Eine andere Form bilden die gitterförmigen Straßeneinläufe, die so oder in modernerer Form (leider ohne Foto, aber auch vorhanden

) bis heute verbaut werden:
Dann sind da natürlich auch die Schachtabdeckungen, die es in vielfältiger Form gibt; man vergleiche nochmal mit dem Ätzteil weiter oben:
Und mein absoluter Liebling

:
Weiter geht's mit Hydrantendeckeln:
Und ja, die sahen früher so aus; man beachte die unterschiedlichen Bezeichnungen:
Kommen wir mal zu den Spezialitäten. Das ist eine Kanalentlüftungsabdeckung. Die sind immer an höchster Stelle in Fahrbahnmitte eingebaut und sollen verhindern, dass es bei Starkregen im Kanalsytem Lufteinschlüsse gibt.
Hier kommt dann noch ein Vermessungspunkt,
ein Wasserschieberdeckel für den Hausanschluss
und ein Deckel für den Regenwasserablauf am Gebäude; die sieht man in Wiesbaden noch häufig, sind aber bei neuerer Bebauung nicht mehr anzutreffen.
Aus verschiedenen Gründen habe ich mich nochmal auf die Suche nach einem anderen Anbieter gemacht - und ich glaube, es hat sich gelohnt: Oben neu, unten alt.
Vielleicht noch eine kurze Anmerkung zur Oberflächenbehandlung. Ich habe derzeit die besten Erfahrungen gemacht, indem ich die noch nicht herausgelösten Teile mit acetonverdünntem Nagellack behandelt habe. Der macht den Karton wasserfest, ohne aufzutragen - was aber auch bei geringerer Verdünnung geht, um z.B. die Oberflächenrauheiten in den gravierten Flächen zu mindern. Zum Vergleich mal ein nagellack- und sekundenkleberbehandeltes Stück (unten), bei dem in den Ecken doch ein paar unschöne Bläschen auffallen.
Ich bin mit ziemlicher Sicherheit für alle Zeiten mit Gullideckeln versorgt.
Da aber die Daten existieren: Bestünde Interesse an solchen Teilen?
Schönen Gruß
Volker