Angeregt durch den Bericht über günstige Nutzfahrzeugmodelle von Tobias "T20" möchte ich mich nun ein wenig über die Straßenfahrzeuge im Deutschland der frühen Nachkriegszeit auslassen....
Ich selbst habe zwar diese Zeit nicht miterlebt, ich bin aber mit dem Oldtimervirus meines Vaters aufgewachsen und damit auch untrennbar verbunden... Wir beide interessieren uns hauptsächlich für die Fahrzeuge zwischen den Kriegen und der unmittelbaren Nachkriegszeit. Für den Modellbahner also die Epochen 2 und 3a.
Nun möchte ich euch, anhand von Fahrzeugen der Borgward-Gruppe, in diese Zeit entführen.
Die Automobilfabrik von Carl F.W. Borgward in Bremen Sebaldsbrück lag wie alles deutschen Unternehmen 1945 in Trümmern. Borgward selbst war als ehemaliger Wehrwirtschaftsführer in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Die verbliebenen Mitarbeiter räumten die Trümmer weg und versuchten zu retten was zu retten war. Durch diese Initiative konnten ab 1946 wieder leichte LKW's gebaut werden. Dies war allerdings durch die Besatzungsmächte strengstens verboten. Erlaubt waren jedoch Reparaturen sowie die Instandsetzung von kriegsbeschädigtem Gerät. Borgward wurde 1948 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Bereits in der Gefangenschaft konstruierte er jedoch Fahrzeuge mit denen er wieder ins Geschäft einsteigen wollte. Da Material nur über Bezugsscheine in geringen Mengen zu bekommen war, firmierte er seine Firma um. So schuf er drei Firmen um an die dreifache Materialmenge zu kommen. Für die Fertigung von Kleinwagen waren ab sofort die Lloyd Motorenwerke zuständig. Goliath fertigte Mittelklassewagen und Kleintransporter und die Carl F. W. Borgward Motoren- und Fahrzeugwerke produzierten Wagen der Oberklasse und mittlere LKW's.
Bereits im März 1949 gingen der Borgward Hansa 1500 als Oberklasselimousine und der Goliath GD750 bei den Kleintransportern in Serie. Diese beiden Fahrzeuge sind auch die ersten deutschen Fahrzeug Neuentwicklungen nach dem Kriege!
Borgward Hansa 1500 (Schienenbus)

Goliath GD750 Reklame (Schienenbus)

Da deutsche PKW Neuentwicklungen nicht mehr wie 1500ccm Hubraum haben durften, war der Hansa 1500 der größte deutsche Wagen. Diese Einschränkung wurde erst 1951 aufgehoben. Die deutsche Industrie warf daraufhin sofort große Wagen auf den Markt (Opel Kapitän, Mercedes 220a, Borgward Hansa 2400 Sport, BMW 501)...
Automobile waren damals sehr teuer. 1950 verdiente ein Angestellter zwischen 40 und 50 Pfennig die Stunde. Das Grundgehalt lag bei ca 250 Mark. Ein Hansa 1500 lag bei einem Grundpreis von 8400 Mark. So wie er auf dem Bild zu sehen ist kostete er 11500 Mark. Dem Durchschnitts-Deutschen blieb also nur ein Fahrrad oder ein kleines Motorrad. NSU war zu jener Zeit der Welt größte Motorradhersteller. Die beliebtesten Maschinen hatten zwischen 98cccm und 250ccm Hubraum. Also irgendwo zwischen 3 und 12 Ps...
Milchkannen Fahrrad (Schienenbus)

Für Gewerbetreibende gab es ein Vielzahl von kleinen Lasteneseln. Die meisten Hersteller waren jedoch nur regional vertreten und verschwanden deshalb recht schnell wieder. Marktführer war Goliath. Der GD750 (Goliath Dreirad 750 Kilo Nutzlast) war mit einem guten Dutzend Aufbauten Lieferbar!
Goliath GD 750 Marktplatz Bremen (Schienenbus)

Goliath GD 750 Viehtransporter (Schienenbus)

Werks-Werbefoto eines Goliath GD 750 Viehtransporters
Goliath GD 750 Woodi (Schienenbus)

Werks-Werbefoto eines 1949 Goliath GD 750 Woodi
Fahrzeuge dieser Art waren klein, nahezu unverwüstlich und billig in der Anschaffung und im Unterhalt. Mit diesem Verkaufserfolg konnte nur noch der Tempo aus den Hamburger Vidal & Sohn Werken mithalten.
Als der VW Transporter, ab Mitte der 50er Jahre, in größeren Stückzahlen verkauft wurde begann das Sterben der kleinen Hersteller. Bei Goliath und Tempo ging man zu Transportern auf vier Rädern über.
Glas Goggomobil Transporter (Schienenbus)

Goliath Express Reklame (Schienenbus)

Goliath GV800 Reklame (Schienenbus)

Der VW überrannte jedoch alle seine Mitstreiter. Borgward, Goliath und Lloyd gingen 1961 unter. Tempo wechselte mehrfach den Besitzer um schließlich von Hanomag übernommen im Daimler Konzern unterzugehen... Um nur einige Beispiele zu nennen.
Aber wer fuhr was????
Mein Großvater lebte in Bremen. Er war während des Krieges Leitender Ingenieur bei den Bremer Focke Wulf Flugzeugwerken. Neben einem Kapitän der Handelsmarine fuhr er den einzigen PKW in der Straße. Seinen DKW musste er jedoch 1940 still legen. Die zugeteilte Spritratition reichte nur noch für ein Motorrad. Seine Wahl fiel auf eine DKW RT 100 mit 98ccm und 2,5 Ps Leistung. Diese Maschine fuhr er bis 1952. Nach dem Krieg war die DKW das einzige Motorfahrzeug in der Straße. Noch 1950 fuhr er, mit meinem Vater hinten drauf, damit nach Nürnberg. Nach einem Unfall wurde die DKW 1952 abgemeldet. Mein Opa kaufte sich einen gebrauchten Mercedes 170 DA Jahrgang 1949. Zu diesem Zeitpunkt fuhr in Bremen Huchting sonst nur noch der Besitzer des Kramerladens und ein Lehrerehepaar ein Auto. Wobei der Kramer einen Goliath aus der Vorkriegszeit fuhr...
Goliath Standart (Schienenbus)

Die teilweise zu sehenden schwarzen Kennzeichen waren in Deutschland zwischen 1948 und 57 gebräuchlich. Es sind die sogenannten Besatzungszonen Kennzeichen. Der Hansa 1500 trägt eines mit AB für amerikanisch Bayern. Zum Januar 1957 wurden die bis vor kurzem gebräuchlichen weißen Tafeln mit schwarzer Schrift eingeführt. Wer noch ein altes Kennzeichen hatte musste sein Fahrzeug bis Dezember 57 umgemeldet haben.
So das soll's mit den Autos aus der letzten Blütezeit der Kleinbahnen gewesen sein. Wann das Auto zum Massenverkehrsmittel wurde könnt ihr ja an den Daten der letzten Fahrten der vielen Kleinbahnen sehen...
Falls ihr Interesse habt....

Halt wenn sich ein Zug nähert (Schienenbus)

Tramway Lokomotive Plettenberg kreuzt einen Borgward Hansa 1500 von 1952
Lloyd beim Tanken (Schienenbus)

...am Rande gesagt sei noch, dass die kleine DKW noch heute in Familienbesitz ist und sie ist auch seit 1981 wieder zugelassen...
Achtungspfiff
Stephan - der Schienenbus[/b]
Die Werksaufnahmen der Borgward- Gruppe stammen aus dem Archiv Peter Kurze
http://www.peterkurze.de