Gericht präzisiert Haftung für Betreiber von Foren

Dies und das und allerlei

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fido
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Gericht präzisiert Haftung für Betreiber von Foren

Beitrag von fido »

Das Landgericht Köln[1] hat in einem jetzt veröffentlichten Urteil[2] vom Dezember 2002 (AZ 28 O 627/02) zur Frage der Meinungsfreiheit in Internetforen und der Haftung des Betreibers für Forumseinträge Stellung genommen. Gegenstand des Streits zwischen einem Mobilfunkhändler und den Betreibern einer Website mit Informationen zu Telefon- und Internet-Tarifen waren Äußerungen in dem Forum des Internet-Angebots, die sich kritisch mit dem Geschäftsgebaren des Händlers auseinander setzen. In diesen Postings hatten User von ihren eigenen schlechten Erfahrungen mit dem Unternehmen berichtet und anderen Teilnehmern mit ähnlichen Erlebnissen zu Klagen und Strafanzeigen geraten.

Der Händler sah darin grob geschäftsschädigende Inhalte sowie einen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und verlangte von dem Antragsgegner vor Gericht die Entfernung der Beiträge. Hierzu sei dieser als Betreiber des Forums nach dem Teledienstgesetz (TDG[3]) verpflichtet, da er Beiträge auf strafbare und rechtswidrige Inhalte hin zu überprüfen und diese zu entfernen habe.

Das Kölner Landgericht folgte dieser Argumentation nicht und wies den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung als unbegründet zurück. Nach der Auffassung der Richter findet die grundsätzlich bestehende Meinungsäußerungsfreiheit erst dort ihre Grenze, wo die Schwelle zur Schmähkritik überschritten ist. Dies sei dann gegeben, wenn mit einer bestimmten Äußerung primär die Schädigung des Betroffenen bezweckt sei. Eine solche Absicht konnte das Landgericht jedoch in den Postings nicht entdecken.

Vielmehr hätten die Forenbeiträge nur konkrete Erfahrungen der Kunden in der Geschäftsabwicklung mit dem Händler wiedergegeben, aus denen die Kunden wiederum ihre Schlüsse gezogen hätten. Daher läge in dem konkreten Fall auch kein pauschaler Boykottaufruf vor, sondern es würden lediglich "Ratschläge" für diejenigen erteilt, die ähnliche Erfahrungen mit dem Händler gemacht haben. Dies sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Auch der Argumentation des Mobilfunkhändlers, der Foren-Anbieter sei zu einer Überprüfung von Postings verpflichtet, folgte das Gericht nicht. Als Diensteanbieter im Sinne der Paragrafen 9 bis 11 TDG sei der Betreiber nicht verpflichtet, die von ihm übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Ein Anbieter sei vielmehr erst nach Kenntniserlangung von dem Inhalt gemäß Paragraf 11 Ziff. 1 TDG zur Überprüfung verpflichtet. Eine solche Kenntnis konnte dem Betreiber in dem Verfahren aber nicht nachgewiesen werden.

Der Vertreter des Forumsbetreibers, Rechtsanwalt Oliver Brexl[4], begrüßte gegenüber heise online das Urteil: "Das Landgericht Köln hat mit seiner Entscheidung einen wichtigen Beitrag für die Schaffung von mehr Rechtssicherheit im Bereich der Online-Dienste geleistet". Anders als einige andere Gerichte habe es den Willen des Gesetzgebers respektiert und den Wortlaut des Teledienstegesetzes ernst genommen.

Das Urteil des Kölner Gerichts stellt eine der ersten Entscheidungen zur Betreiberhaftung für Internetforen auf Basis des neuen TDG dar. Vor der Reform dieses Gesetzes gab es vor allem bei den Betreibern von Gästebüchern erhebliche Rechtsunsicherheit[5]. Eine ganze Reihe von Gerichten hatten in der Vergangenheit die regelmäßige Kontrolle von solchen Angeboten gefordert[6] und deren Inhaber in Fällen der Versäumnis einer Überwachung für rechtswidrige Inhalte verantwortlich gemacht[7]. Diese Rechtsprechung dürfte inzwischen überholt sein. (Joerg Heidrich) / (hob[8]/c't)

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/newsticker/data/hob-16.05.03-000/

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.lg-koeln.nrw.de/
[2] http://www.jurpc.de/rechtspr/20030140.htm
[3] http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/tdg/
[4] http://www.jbb.de
[5] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-20.06.02-003/
[6] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-09.10.02-002/
[7] http://www.heise.de/newsticker/data/anw-10.07.02-010/
[8] mailto:hob@ct.heise.de

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Beitrag von manuela »

Finde ich echt gut, also kann Glitzi einen erst an den Kragen, wenn man dazu aufruft, Mausefallen gegen ihn aufzustellen.

Ne ehrlich, ich finde es endlich mal vernünftig, ich meine, wenn ein Händler Scheiße baut, darf man darüber nicht schreiben und nicht warnen?

Wo leben wir dann (jaja, in einem Staat, der Mörder zum Teil für 5 Jahre einbuchtet und Bankräuber für 15 Jahre... sicherlich ist der Materialwert eines Menschen nicht mal 10 Euro und Bankräuber erbeuten ein vielfaches (normalerweise). Ich meine, daraus müsste sich ja rein theoretisch folgern lassen, das ich für ein wahres Massaker im Prinzip Peanuts absitzen müsste...)

Nicht das ich hier zu unrechtmäßigem Tum aufrufen müsste. Meine letzte Massenvernichtung bezog sich auf Ameisen auf meiner Terrasse.
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Otter1
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Urteile

Beitrag von Otter1 »

Nu mal langsam Manuela,

in dem Urteil geht es nicht um das Strafmaß für Mord & Totschlag im Verhältnis zu Eigentumsdelikten, sondern um die Haftung von Internetforenbetreibern und Intrnetforenbeschickern.

D.h. in einem Forum kann solange jemand zu Mord & Totschlag oder Kaufboykott aufrufen, bis der Betreiber davon in Kenntnis gesetzt wird und entsprechend handelt. Wenn sich jemand überzeugend dumm stellt, ist er/sie scheinbar nicht zu belangen. Ob der Besuch einer deutschen Schule als Beleg ausreicht, mag ich nicht beurteilen. Pisa ist schließlich überall.

Hamster Glitzi verfügtallerdings über ausgezeichnete Kontakte zu verläßloichen Rollkommandos (auf Wunsch mehrsprachig) um Zweifelsfälle zu klären und sein Lebensabschnitts-Betreuer glaubt immer noch an die Kraft und Einsichtigkeit der persönlichen Backpfeife. Da haben ein paar Leute ihre Gutscheine auch noch nicht eingelöst.

Grüße aus Krähwinkel

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Waldbahner a.D.
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Beitrag von Waldbahner a.D. »

Ich finde es gut, daß es nun eine Art "Regelung" für die Inhalte von Foren gibt.

Ich erlaube mir an dieser Stelle ein anderes Urteil in unsere Link-Listen aufzunehmen, welche die Verantwortung auf die Inhalte gelinkter Seiten regelt.
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Gruß vom Waldbahngerd, der hofft das nichts dagegen spricht.
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fido
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Urteil

Beitrag von fido »

Waldbahner hat geschrieben:Ich finde es gut, daß es nun eine Art "Regelung" für die Inhalte von Foren gibt.
Hallo Gerd,
danke für den Text. Ich habe ihn ins Impressum aufgenommen. Als Regelung würde ich das Urleil übrigens nicht bezeichnen, weil ein Oberlangesgericht das Urteil wieder kippen kann. Aber es ist eine erfreuliche Tendenenz festzustellen, die mit meinem Rechtsempfinden übereinstimmt. Außerdem kann man sich auf das Urteil berufen, wenn es wirklich mal hart auf hart kommt.

Nochmal im Klartext:

Nicht erlaubt:
Firma xyz ist scheisse!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Nach dem Urteil erlaubt:
Ich halte das Produkt abc der Firma xyz für scheisse, da es bei mir aus den und den Gründen nicht funktioniert hat
:runningdog: Viele Grüße, fido
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Beitrag von manuela »

"schmatzschwapgluck"

das ist das berüchtigte Geräusch von meines Stiefel, wenn er mal wieder im Fettnapf stecken bleibt.

Manuela
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