UV-resistentes Polystyrol - Pro und Kontra?

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Bahndachs
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UV-resistentes Polystyrol - Pro und Kontra?

Beitrag von Bahndachs »

Hallo zusammen,

diese Tage erreichte mich mit der Werbepost von Old Pullman als Neuheit schwarzes Polystyrol, welches UV-resistent ist.
Obwohl ich aktuell kein Projekt mit Polystyrol in Arbeit oder in Planung habe, interessiert es mich trotzdem, welche Vor- und/oder Nachteile es da gibt.
Nach meinem Verständnis schützt ja eigentlich die Lackierung die Wagen oder Gebäude vor der UV-Strahlung. Dazu kommt, dass zumindest ich meine Hilbert-Wagen aus Polystyrol nicht wochen- oder monatelang in der Sonne stehen liess. Hat jemand Erfahrung mit Modellen (Rollmaterial oder Gebäude) aus Polystyrol, welche ev. in der Sonne zerbröselt sind? Oder soll uns da einfach für teuer Geld ein neuer Kunststoff verkauft werden? Immerhin kostet das UV-resistente Material fast doppelt soviel, wie das herkömmliche Polystyrol.
Also, lasst mich Chemie-Plastik-Materialkunde-Niete nicht dumm sterben! :oops: :oops: :shock: :shock: :lol: :lol:

Gruss
Dachs
theylmdl
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Re: UV-resistentes Polystyrol - Pro und Kontra?

Beitrag von theylmdl »

Hallo Dachs!
Willy Kosak und ich haben teils gemeinsam, teils getrennt Langzeitversuche mit allen möglichen Baumaterialien angestellt. Diese wurden im rohen oder verbauten Zustand schlicht und ergreifend mindestens ein Jahr der freien Witterung ausgesetzt.
Nach meinem Verständnis schützt ja eigentlich die Lackierung die Wagen oder Gebäude vor der UV-Strahlung.
Ja und nein. Vor der UV-Strahlung ja; aber Du kannst noch thermische Probleme bekommen (wenn das auch nicht die Frage war). Die Lackierung mir UV-resistenten Lacken (bevorzugt Grundfarbe und Klarlack-Überzug) hilft Dir, nahezu jedes Material UV-fest zu bekommen.
Thermisch (das andere Problem) hängt's sehr vom verwenden PS ab, denn da gibt's allerlei Sorten. Das Zeug, das im Architektur-Modellbau zu bekommen ist, hält locker seine 60° Celsius aus, manche Spritzlinge von Revell-Bausätze gehen bei knapp 50° C in die Knie bzw. "bleibende Verformung".
Ich persönlich sehe bei lackierten Teilen das Problem weniger beim UV-Schutz (wenn geeignete Lacke verwendet wurden) als bei der Thermodynamik. Da wiederum spielt die dauerhafte Elastizität des Lackauftrags eine Rolle - dehnt sich das Basismaterial aus, muss der Lack mit tun, ohne abzuplatzen. Nach etwa 100 Jahren wird das bei den meisten Lacken schwierig werden ;-)
Dazu kommt, dass zumindest ich meine Hilbert-Wagen aus Polystyrol nicht wochen- oder monatelang in der Sonne stehen liess.
Das ist grundsätzlich eine gute Idee. Die Kunststoff-Teile meines Mercedes von 1971 sind von DB Sahara-getestet, aber der Sonne Sardiniens und Elbas teilweise dann doch nicht gewachsen gewesen. So sind mir bei 60° C im Schatten die Fenster-Leisten geplatzt und aufgerissen - und ebgenso das Leder des Fahrersitzes.
Bei den Langzeit-Versuchen, um auf den Start zurück zu kommen, gab es keine Probleme mit:
- gut behandeltem Holz (keine umweltfreundlichen Produkte verwenden, je mehr Lösungsmittel und je länger die Trockungszeiten, desto besser!- und wenn der Hersteller schreibt: zwei Anstriche, dann bedeutet das zwei Anstriche)
- Polystyrol, so lackiert
- unbehandeltem Holz, das verwittern soll
- Zwei-Komponenten-Schaum aus dem Theater-Bedarf
Probleme gab es mit:
- Hart- und normalem Gips (Risse durch thermische Verformung)
- Bauschaum aus der Dose (Einkomponenten)
- unbehandeltem Holz (na ja, das ist wohl klar).
Tipp: Clou Schnellschleifgrundierung ist zwar ab Werk nicht für draußen zugelassen, wirkt aber wahre Wunder - und das sogar dünn aufgetragen (dafür zweimal). Dann geht die Holzmaserung nicht verloren, und das Holz wird durch die Poren-füllende Versiegelung trotzdem wetterfest. Das funktioniert auch auf Kunststoffen, aber Achtung: das Zeug ist Nitro-löslich und greift die Kunststoffe an!
Alles ein bißchen ab vom Thema, aber vielleicht hilft's weiter.
Thomas Hey'l - info@themt.de - www * themt * de
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squirrel4711
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Re: UV-resistentes Polystyrol - Pro und Kontra?

Beitrag von squirrel4711 »

Hallo Dachs, hallo Thomas,

Langzeiterfahrungen mit dem UV resistenten Polystyrol sind wohl nicht bekannt oder könnt Ihr da weitere Auskünfte mitteilen. Theoretisch mag die Einfärbung des PS schon ein Vorteil sein, da die UV Strahlung nicht bis in die tieferen Schichten vordringt sondern schon vorher absorbiert wird. Da zeigt sich aber dann auch gleich ein Nachteil, da die thermische Belastung der Aussenhaut stark ansteigen wird. Die UV Strahlung führt zwar dann im inneren Kern nicht zum cracken der Polymerketten und verhindert damit eine Versprödung des Materials, ich würde aber an der Oberfläche eine stärkere Zersetzungstendenz vermuten. Wie Thomas schon schreibt ist die UV Strahlung nur die halbe Miete die andere Hälfte erfolgt unter anderem durch thermische Effekte, die neben der möglichen irreversibelen Verformung auch ähnliche Crackeffekte wie die kurzwellige UV Strahlung auslösen kann. Der auch schon beschriebene Effekt der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der verschiedenen Materialien (Lack, PS) wird bei der dunkelen Einfärbung des Materials wahrscheinlich zunehmen.
Bei der Lackierung, unabhängig ob sich darunter nun "normales" oder "resitentes" PS befindet, hängt die Intensität des UV Schutzes auch von der Farbe der Lackierung ab - es sei denn es handelt sich explizid um einen Lack mit UV Blockern. Auch die thermische Belastung einer Oberfläche bei gleichbleibender Energiezufuhr durch Strahlung ist nicht unwesentlich an den Farbton gekoppelt.
Das probateste Mittel wird in allen Fällen sein, seinen Exponaten nur soviel direkte Sonnenstrahlung zu genehmigen wie nötig. Den anderen üblichen Umweltbelastungen wie Ozon, die allgegenwärtigen Kohlenwasserstoffe verschiedensten Halogenierungsgrades etc. tragen auch ihr Schärflein zum langsamen Verfall von Materialien bei. Die Anschaffung eines Tresors mit Schutzgasspülung wäre aber sicher eine überzogene Handlungsweise. Ein "Hältewig" gibt es meines Wissens nach nicht.
Schönen Abend noch vom
Rainer
Zuletzt geändert von squirrel4711 am Mi 13. Apr 2005, 00:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: UV-resistentes Polystyrol - Pro und Kontra?

Beitrag von theylmdl »

Vielleicht interessiert in diesem (thermischen) Zusammenhang noch Folgendes.
Die Kühlwagen der Länderbahnen wurden oft weiß lackiert (meist inklusive Achslagergehäusen und Rahmenlängsträgern), weil durch Empirie (Erfahrung, Ausprobieren) bekannt war, dass helle Farben zu weniger Aufheizung führen.

Bild

Hier ist ein Beispiel. Es zeigt einen Bierwagen nach Blatt 422 des Wagenstandverzeichnis' von 1913 der K.Bay.Sts.B. als H0-Modell (aus Neusilber, Stahl und Messing). Das Original wurde in dieser Form nur einmal gebaut - wahrscheinlich für die Löwenbräu in München. Ohne Laufbretter und Westinghouse-Druckluft-Bremse gab es jedoch noch mehr davon.
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