Der Gotha-Gelenkwagen G4 in 1:22,5 (mB)

Selbstgebaute maßstäbliche Schienenfahrzeuge mit/ohne handelsüblichen Zurüstteilen

Moderator: fido

Antworten
Benutzeravatar
Lupinenexpress
Buntbahner
Buntbahner
Beiträge: 638
Registriert: Fr 28. Okt 2005, 15:58
Wohnort: In der Stadt zwischen Rhein und Neckar
Kontaktdaten:

Der Gotha-Gelenkwagen G4 in 1:22,5 (mB)

Beitrag von Lupinenexpress »

Mahlzeit

Zwischenzeitlich war mir aufgefallen, dass ich noch nicht alle Bastelberichte meiner Fahrzeuge aus den Jahren 2017 und 2018 zusammengestellt hatte. Diesem Umstand möchte ich nun Abhilfe schaffen und hole die Bastelberichte für G4, Braunschweiger Düwags, Umbauwagen und MVG454 nach.

Fangen wir also mal mit dem G4 an, wie immer mit einigen Worten zum Vorbild:


Bild


Bild

Bisher war der Waggonbau Gotha mit seinen Zweiachsertypen und schon den ersten Vierachser-Großraumwagen auf dem Straßenbahnmarkt DDR vertreten, als auf Wunsch der Erfurter Verkehrsbetriebe der Zweiachser zu einem Gelenkwagen weiterentwickelt wurde.

Dadurch ergab sich der Vorteil, dass eine Gefäßgröße, für die bisher zwei Schaffner benötigt wurden nun mit einem Schaffner bedient werden konnte. Wie schon bei den Zweiachsern an allen Einstiegen üblich erfolgte auf der Einstieg an der Heckplattform mit nur einer Stufe. Der Wagenboden stieg dann mit einer Rampe auf die endgültige Bodenhöhe an.



Bild

Der Schaffner hatte am letzten Einstieg einen festen Platz, sodass in diesen Fahrzeugen der Fahrgastfluss praktiziert wurde. Mit der späteren Umrüstung auf schaffnerlosen Betrieb entfiel das.


Bild

Die ersten G4-Prototypen gelangten 1959 nach Erfurt und Dresden, der Großteil der Wagen wurde jedoch in der ersten Hälfte der 60er Jahre als G4-61 nach Erfurt, Magdeburg, Leipzig, Potsdam, Rostock, Tallinn und Lemberg geliefert.
Nach bzw. zeitweise neben den 119 Wagend es Typs G4-61 wurden 99 Wagen des Typs G4-65 entwickelt und ausgeliefert.



Bild

Mit den Wagen des Typs G4-65 bekamen auch Gotha und Nordhausen Gelenkwagen in den Fuhrpark.
Im Wesentlichen unterschieden sich die Wagen der Bauart 65 nur sehr geringfügig von der Bauart 61. Die meisten von ihnen wurden bereits ohne Schaffnerplatz ausgeliefert.




Bild

Um möglichst viele Menschen transportieren zu können, war der G4 eher als Stehplatzfahrzeug konzipiert und wies eine 1+1-Bestuhlung auf.


Bild

lediglich die Fahrzeuge für den Einsatz auf der Waldbahn in Gotha wiesen aufgrund der längeren Fahrzeiten eine 1+2-Bestuhlung auf.
Dieses leicht modernisierte Fahrzeug aus Erfurt ist demnach kein „richtiger Erfurter“, sondern wurde nachträglich aus Gotha geholt.



[![Bild dsc_2227weke4.jpg auf abload.de](https://abload.de/img/dsc_2227weke4.jpg)](http://abload.de/image.php?img=dsc_2227weke4.jpg)

Ein weiterer ex-Gothaer G4 ist heute in Erfurt als Partybahn unterwegs.




Bild

Die G4 wurden bis Mitte der 90er von Tatras bzw. später von Niederflurwagen abgelöst. Museumfahrzeuge gibt es heute in Rostock, Potsdam, Leipzig, Naumburg und natürlich Gotha.
Dort lässt sich Tw 215 in Waldbahnausführung u.a. bei den bekannten Ronny-Quaß-Sonderfahrten erleben.



Bild

Gefahren werden die G4 übrigens mit dem Schaltrad, für das ein Wartburg-Lenkrad herangezogen wurde.






Nun zum eigentlichen Bastelbericht:

Im Maßstab 1:22,5 baute ich Fahrzeuge in den Ausführungen Gotha, Leipzig und Potsdam.




Bild

Die Seitenwände wurden von meiner CNC-Fräse aus 2 mm starkem Polystyrol ausgeschnitten.
Hier werden gerade die Kanten eingeritzt, an denen sie später geknickt werden


Bild

Bild

Bild

Über Winkelleisten 20x20 mm aus dem Bauhaus werden die Böden mit den Seitenwänden verbunden.




Bild

An den Wagenenden werden die Portalteile eingesetzt. Sie halten später die Faltenbälge




Bild

Als kleiner Zwischenschritt wurden die Trittkästen montiert




[![Bild img_1148i5j7u.jpg auf abload.de](https://abload.de/img/img_1148i5j7u.jpg)](http://abload.de/image.php?img=img_1148i5j7u.jpg)

Einbau der Plattformen




Bild

Bau der Sitze





Bild

Die Front-Unterseite besteht aus 3 mm starkem MDF. Sie wird an der Schleifmaschine etwas rund geschliffen



Bild

In einem zweiten Schritt wird sie von hinten eingekerbt, um sie weiter Wölben zu können.




Bild

Anschließend wird sie montiert und von der Rückseite mit Holzreparaturspachtel von Molo stabilisiert.




Bild

Die Frontoberteile bestehen aus 0,5 mm starkem Messing. Sie werden in Form gebogen und mit dem Wagenkasten verklebt.




Bild

Stellprobe mit Dach




Bild

Die Dächer wurden auch hier wie üblich aus 3 mm starkem MDF hergestellt, das aufgeschichtet wurde und nun durch Feilen in Form gebracht wird.



Bild

Anschließend erfolgt eine geruchsintensive Behandlung mit Schnellschleifgrund von Clou


Bild

Der Schnellschleifgrund zieht schnell ein und lässt sich schon nach ca. 15 min weiterbearbeiten. Nach deinem ersten Schliff werden die Dächer mit Spritzspachtel (gibt’s bei Obi) überzogen.





Bild

Bild




Bild

Auch an der Front muss einiges geschliffen werden.




Bild

Montieren der Dächser auf den Wagenkästen




Bild

Die eleganten, langgezogenen Liniennummernkästen sind für den Gothawagen charakteristisch und werden als einzelnes Teil eingesetzt.



Bild

Bild

Bild

Das Schleifen und Spachteln, wieder schleifen und erneutes Nachspachteln ist ein langwieriger Prozess, bis alles soweit passt.




Bild


Bild

Montage der Träger für den Dachaufbau.






Bild

Die Deckleisten des Wagenkastens wurden aus 0,3 mm starkem Karton gelasert und auf den Wagenkasten geklebt.


Bild

Stellprobe des Wagens im LGB-Radius R1, was im Vorbild immerhin unsagbar Lissabon- und Baselartige 12 Meter sind. Hier allerdings noch mit nur einem Faltenbalg!

Für den Faltenbalg entwickelte ich erst einen Prototypen, der hier zu sehen ist:


Bild

Bild

Bild

Bild


Bild




Nachdem sich dieser Faltenbalg als tauglich herausstellte, ging er in „Serie“


Bild

Das Grundgerüst für den Faltenbalg ist ein dünner Karton, dessen Kanten vorgelasert wurden. An den Wölbungsstellen befinden sich rautenförmige Aussparungen.



Bild

Dieses Grundgerüst wird mit einem widerstandsfähigen Buchbinderband von Tesa überzogen. Die Rolle kostet zwar 30 Euro, ist diesen schmerzlichen Betrag aber auch wert.

Bild

Nachdem der Faltenbalg gefaltet wurde, kann er auf den Portalinnenstücken befestigt werden. Diese Portalinnenstücke werden später mit den Portalen des Wagenkastens verschraubt.


Bild

Im nächsten Schritt werden die Faltenbälge um die Rundung herumgezogen und ebenfalls verklebt.


Bild

Wenn das zweite Portalinnenstück befestigt ist, ist der Faltenbalg fertig.




Bild

Grundieren der Wagenkästen




Bild

Lackieren der Wagenkästen




Bild




Bild



Bild


Einbau der Innenwandverkleidung.



Bild



Bild


Einziehen der Fenstergummis an der Front. Hier kommt eine Litze zur Anwendung





Bild

Zusammenfügen der Wagenkästen





Bild






Bild

Einbau der Bestuhlung





Bild

Eine Kunststoffleiste sorgt für den genormten Abstand der Sitze.





Bild

Anbringen der Zierstreifen, die mir der Verkehrsbetrieb meines Vertrauens geplottet hat.




Bild






Bild

Verglasen




Bild

Anbringen der Fenstergummis an der Seite.





Nun geht es an die Endmontage:

Bild

Bild

Bild





Bild

Und ich war gerade beim Endmontieren der Wagen in meiner Keller-Werkstatt in Mannheim.

Bei geöffnetem Fenster ist diese für alle Passanten einsehbar. Es kam schon immer wieder einmal vor, dass Passanten oder spielende Kinder stehen bleiben und interessiert zusehen, was ich da mache.

An diesem Abend lief eine Gruppe auf dem Weg zum Neumarkt vorbei, als ein Herr stoppte, umdrehte und fragte „Das ist doch die Erfurter Straßenbahn, die sie da bauen?“
Es stellte sich heraus, dass der Herr Erfurter war und nur zu Besuch in Mannheim weilte, mit Straßenbahnen aber sonst nichts am Hut hatte.

Zwar war keiner der Wagen der Erfurter, doch der Wagentyp ist ja schließlich auch in Erfurt gefahren. Doch diese Anmerkung des Passanten, der „seine Erfurter Straßenbahn“ erkannte, erheiterte mich sehr.







So, nun sind die Wagen auch fertig. Hier einige Eindrücke der fertigen Wagen:


Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild
Benutzeravatar
Trambahner
Buntbahner
Buntbahner
Beiträge: 822
Registriert: Mo 15. Nov 2004, 11:44
Wohnort: Schaffhausen/CH

Re: Der Gotha-Gelenkwagen G4 in 1:22,5 (mB)

Beitrag von Trambahner »

Hallo Lupinenexpress

Wieder einmal ein ausgezeichneter Bericht. Auch wenn ich bei den Vorbildern überhaupt nicht dabei bin, sind die Informationen zum vorbild sowie die Modellumsetzung sehr interessant.

Am Besten gefällt mir Deine Mischung aus Hightech-CNC und Küchentisch-Methoden.
Gruss
Michael

The man who never made a compromise never build a model railroad
Benutzeravatar
Regalbahner
Site Admin
Beiträge: 6479
Registriert: Sa 31. Jul 2004, 22:17
Wohnort: ehemaliger Müritzkreis

Re: Der Gotha-Gelenkwagen G4 in 1:22,5 (mB)

Beitrag von Regalbahner »

Hallo,

tolle Arbeit, wie immer bei dir :top: :top: :top:

Da werden Erinnerungen an die Leipziger Version wach.
Mit der Linie 11 und 28 bin ich in den Achzigern oft von Gohlis in die
Innenstadt gefahren.
Hier ein par Vorblidfotos :
https://youtu.be/T1j0DPm7PeY

Quitschen deine auch so herrlich in den Kurven :?: :wink:

Viele Grüße
Christoph
geht nicht gibt's nicht

meine Videos

Bild
Benutzeravatar
bimmelkutscher
Buntbahner
Buntbahner
Beiträge: 633
Registriert: Sa 26. Feb 2005, 22:58
Wohnort: Erfurt

Re: Der Gotha-Gelenkwagen G4 in 1:22,5 (mB)

Beitrag von bimmelkutscher »

Ja auch ich kenne den G4 noch aus Kindertagen, sowohl in Erfurt und Leipzig, aber auch in der Stadt, wo er einst gebaut wurde. Sehr schön geworden und ein prima Baubericht! :top: :bindafür:
Antworten