Berliner Hochbahnwagen (alte Bauart) in 1:22,5

Selbstgebaute maßstäbliche Schienenfahrzeuge mit/ohne handelsüblichen Zurüstteilen

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Berliner96
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Berliner Hochbahnwagen (alte Bauart) in 1:22,5

Beitrag von Berliner96 »

Hallo Buntbahner,

ich möchte euch den Bau meines Modells eines "Motorwagens alter Bauart" der Berliner "elektrischen Hoch- und Untergrundbahn" (sozusagen der Berliner Ur-U-Bahn bzw. dem Berliner Ur-A1) in Spur II vorstellen. Das Modell entsteht hauptsächlich als Lasercut aus ABS mit einzelnen 3D-gedruckten Bauteilen. Es handelt sich dabei um mein erstes größeres Projekt, von daher bleibt abzuwarten, wo die Reise hingeht ... :-)

Kurz zum Vorbild: Die Berliner U-Bahn wird am 15./18.02.1902 nach knapp sechsjähriger Bauzeit von Siemens & Halske eröffnet. Eingesetzt werden zunächst 3-Wagen-Züge mit je einem dreimotorigen Triebwagen III. Klasse an der Zugspitze-/dem Zugschluss sowie einem zwischengekuppelten Beiwagen II. Klasse. Die Züge verfügten über eine direkte Zugsteuerung mittels Starkstromfahrschaltern; die beiden Triebwagen eines Zuges waren dafür mittels durchgehender Starkstromleitungen verbunden. Die hölzernen Wagenkästen der Triebwagen werden von der Waggonfabrik Falkenried in Hamburg, diejenigen der Beiwagen sowie die Drehgestelle vom Düsseldorfer Eisenbahnbedarf gefertigt; obwohl nach einheitlichem Schema gebaut, unterscheiden sich Trieb- und Beiwagen daher in kleineren Details. Die elektrische Ausrüstung erfolgt nach Auslieferung durch Siemens & Halske in Berlin. Für die Betriebsaufnahme werden zunächst 42 Trieb- und 20 Beiwagen – als später so bezeichnete 1. Lieferung - bestellt. Ein 3-Wagen-Zug aus der Eröffnungszeit ist auf diesem Postkartenmotiv von 1902 aus dem Verlag S. & G. Saulsohn zu sehen:

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Mit der Zeit zeigen sich auch in Berlin die gleichen Probleme wie anderswo: Die Züge sind zu kurz, die Wagen nicht als Massenverkehrsmittel ausgelegt und die Betriebsverfahren weisen die ein oder andere Unzulänglichkeit auf. Die Wagen der 1. Lieferung fallen damit im Vergleich zu ihren angemesseneren Nachfolgern im Laufe der Zeit mehr und mehr in Ungnade. Sie werden für die Eröffnung der heutigen U-Bahnlinien U6 und U8 in den 1920er Jahren bis zur Lieferung eigenen Rollmaterials abgegeben oder später zu Beiwagen umgebaut. 1930 sind noch zwei Triebwagen als solche und nur knapp 20 Beiwagen erhalten. Sie und der Großteil der noch vorhandenen Beiwagen werden bereits Mitte der 1930er Jahre nach vergleichsweise kurzen 30 Einsatzjahren verschrottet, nur eine Handvoll überdauern bis Anfang der 1960er. (Wer sich genauer interessiert, dem sei das 2024 im Verlag Lokomotive Fachbuchhandlung GmbH erschienene Buch „Die Fahrzeuge der Berliner U-Bahn Typ AI“ von Norbert Walter und Florian Schwuttke empfohlen.)

Heute ist zwar kein Fahrzeug mehr vorhanden. Als neuartiges und reichsweit einmaliges Verkehrsmittel erfährt die Hochbahn neben den üblichen Eröffnungsschriften vor der und rund um die Eröffnung aber eine breite Würdigung in der damaligen Fach- und populären Presse zu so gut wie jedem Aspekt mit mal mehr und mal weniger präzisen Beschreibungen auch der Wagen. Dank dem öffentlichen Interesse an dem aus Kamerun stammenden Martin Dibobe, der von 1902 bis 1919 als Zugfahrer bei der Hochbahn arbeitete, sind heute auch einige hochauflösende Nahaufnahmen der Wagen aus der Anfangszeit zugänglich (https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Dibobe).

Zwar findet man – wie wahrscheinlich nie -, die eine Quelle, die jede Unklarheit aufklärt, in Summe ergibt sich aber ein m. E. sehr klares Bild, was die Recherche für das Modell ungeheuer spannend macht. :-)

Angefangen mit dem Modell habe ich vor mittlerweile circa einem Jahr mit der Rekonstruktion der Abmessungen und des grundsätzlichen Fahrzeugaufbaus. Während die Außenabmessungen u. a. aus o. g. Zeichnung bekannt waren, ließen sich die weiteren Maße - allemal für ein Modell in 1:22,5 - gut aus einigen damaligen Aufsätzen ableiten.

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Fertig konstruiert ist momentan nur der Wagenkasten. Rahmen, Dach und Drehgestelle sind gegenwärtig nur als Dummys zur Schnittstellendefiniton ausgearbeitet (und in den Screenshots nicht zu sehen). Ich hoffe, dass mir das später nicht auf die Füße fällt …

Als Wohnungs-Buntbahner verfüge ich nur über einen eingeschränkten Maschinenpark. Die Bauteile habe ich daher bei einem Dienstleister aus 0,5, 1,0 und 2,0 mm ABS lasern lassen. Bei vergangenen Projekten hat insbesondere bei den 2,0 mm-Platten viel ausgeschmolzenes Material an der Unterseite geklebt (mit dem verbundenen Nachbearbeitungsaufwand). Das ließ sich diesmal durch das Aufziehen einer Schmauchschutzfolie ziemlich gut vermeiden, die alles abbekommen hat.

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Die Bodenplatte besteht aus 2x2 mm ABS. Während die obere Schicht den Wagenboden bildet, entspricht die andere im Wesentlichen den unteren Längs- und Querbalken des Kastens. Weil der Kasten länger ist als die ABS-Platten, die aero-naut verkauft, musste ich einen Stoß einkonstruieren, von dem ich hoffe, dass er durch versetztes Anordnen und die Schichtung so gut wie jeden Bauteils keinen Einfluss auf Stabilität des Modells hat.

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M. E. ist ein Modell dann besonders beeindruckend, wenn es den Eindruck vermittelt, man könnte die echte Konstruktion des Vorbilds nachvollziehen. Deswegen war es mir wichtig, die vernuteten Bohlen des Wagenbodens zumindest anzudeuten. Um diese einigermaßen gleichmäßig mit einer 2 mm-Graviernadeln einkerben zu können, habe ich mir Schablonen aus MDF lasern lassen. Keine Ahnung, ob man davon nach dem Lackieren noch etwas sieht, aber ich finde, derzeit macht es einen netten Effekt.

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Die gleiche Schablone habe ich benutzt, um Ober- und Unterteil des Rahmens zu verkleben. Ursprünglich wollte ich mir eine Presse dafür bauen und habe – zum Entsetzen meiner Freundin – kurz mit der Anschaffung einer Bücherpresse dafür geliebäugelt. Am Ende haben es aber auch Hantelscheiben getan. Um die Steifigkeit der Bodenplatte zu erhöhen, damit mir diese nicht schon im Bau auseinanderbricht, habe ich, ebenfalls aus 2 mm ÁBS, bereits die innere Verschalung der Längswände, die gleichzeitig als Auflager für die Sitzbänke dient, angeklebt. Weil man dieses Bauteil später einmal gar nicht mehr sehen wird, habe ich darauf verzichtet, mir bei der Gestaltung besondere Mühe zu geben. Im Hintergrund ist die Unterseite der Bodenplatten zu sehen. Aufgeklebte Streifen aus 0,5 mm ABS deuten hier Querbalken mit einer kleineren Querschnittshöhe an.

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Weiter geht es zunächst mit dem Zusammenbau des tragendes Aufbaus. …und dabei von leicht (wenig Schichtung) zu schwer (viel Schichtung). :-) Das einfachste Bauteil war insofern die Fahrerstandstrennwand. Im Buch von Walter/Schwuttke ist dabei eine Werksfotografie von Falkenried abgedruckt, auf der die Kassettierung der Wand bei genauem Hinsehen ziemlich gut erkennbar ist. Diese ist dabei noch ziemlich stark im Gründerzeit-Chic verhaftet. Erst ab etwa 1903 wird Alfred Grenander als späterer Haus-und-Hof-Architekt der Hochbahn auch mit den Wagen betraut, infolgedessen die Gestaltung mehr zum Jugendstil übergeht.

Die Grundstruktur der Kassettierung resultiert im Modell aus einer Schichtung von 1,0 mm und 0,5 mm ABS. Um das Denken von der Ausführung in die Planung outzusourcen und um so genau wie möglich arbeiten zu können habe ich mir auch hier für das Verkleben eine Schablone aus MDF lasern lassen. :-) Die Deko kommt später.

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Als nächstes waren die Stirnwände der A-Seite dran. Diese bestehen aus drei Schichten à 1 mm ABS. Die Frontfenster waren seinerzeit als Holzfenster in Stirnwand eingelassen, wobei die obere Hälfte einen Dreh-Kipp-Mechanismus hatte (im Fahrerstand dürfte es also furchtbar gezogen haben). Die untere Hälfte des linken Fensters dürfte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erst nach dem Einbau des riesigen Fahrschalters verblecht worden sein. Die Grundkonstruktion der Stirnwand besteht aus sieben Einzelteilen, die wieder nach und nach unter Druck verklebt werden.

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Bei der Konstruktion des Fensterrahmens auf der Fahrschalterseite habe ich leider nicht aufgepasst. – Eigentlich hätte ich mir die untere Fensteraussparung sparen können. Naja, egal ...

Bis dahin
Berliner96
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