Die neuen Wagen 1929 Karlsruhe

Selbstgebaute maßstäbliche Schienenfahrzeuge mit/ohne handelsüblichen Zurüstteilen

Moderator: fido

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Zweisystemer
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Die neuen Wagen 1929 Karlsruhe

Beitrag von Zweisystemer »

So nun denke ich ist es an der Zeit auch mal mein erstes richtiges Bastelprojekt vorzustellen.
Es handelt sich dabei um den Tw100 der Karlsruher Verkehrsbetriebe, aus dem Jahr 1929, auch "Spiegelwagen" genannt. Der Beiname Spiegelwagen kommt daher, dass in den Zwischenstegen zwischen den Fenstern kleine ovale Spiegel eingelassen waren, um den Fahrgastraum (Fgr) größer wirken zu lassen.

Warum ausgerechnet der Tw 100?

Ganz einfach, weil ich mit diesem Wagen wöchentlich zu tun habe. Logisch hätte es dann auch der Stahlumbau - Tw 95 werden können (der steht ja in derselben Wagenhalle) aber der Zufall wollte eben den Tw100.

Kurz zur Geschichte der Spiegelwagen:
Wir schreiben das Jahr 1928. Der damalige Direktor der Verkehrsbetriebe Julius Schmidtmann schlug am 28. Februar in einem Schreiben an den Stadtrat die Beschaffung von 25 Motorwagen: "[...]die ersten 50 Motorwagen der Straßenbahn stammen noch aus dem Jahr 1900, darunter 27 mehrfach umgebaute. ehemalige Akkumulatorwagen. Da man im Allgemeinen bei Motorwagen mit einem Lebensalter von etwa 25 Jahren rechnet, ist sonach die Hälfte unsere Motorwagenparks überaltert.[...]". Mit einem Schreiben am 2. November 1928 wurde der Auftrag zur Fertigung der neuen Wagen 1929 an die BBC und die Waggonfabrik Rastatt vergeben. Im Vergelich zu den vorher gebauten "Residenz[trieb]wagen" wurde die Anzahl der Sitzplätze auf 24 erhöht, der Achsstand auf 3 Meter erweitert und die Motorleistung erhöht. Das Schleppdach und die Mahagoniholzverkleidung im Fgr sollen beibehalten werden. In fünf Lieferserien werden nun die Spiegeltrieb- und Beiwagen geliefert.
Im Jahr 1969 waren die meißten Geschwister des Tw100 (zu seiner Zeit Tw90) bereits ausgebrannt und verschrottet. Der Tw100 wurde am 22. Oktober an die AVG (Albtal - Verkehrsgesellschaft) verkauft und noch im selben Jahr zum AT71 dieser umgebaut. Währen den folgenden Jahren wurden bis auf ein einziges Exemplar alle "Residenzwagen" verschrottet, ebenso fast alle "Spiegelwagen" und "Stahlumbauwagen". Im Februar 1987 dann die große Wende: Der ATw80 (ex ATw71 ex Tw90) wurde zurück an die VBK (Verkehrsbetriebe Karlsruhe) verkauft, dort sollte er restauriert werden und den historischen Fahrzeugpark als Tw100 aufrüsten. Gesagt, getan, am 5. Mai 1988 verlässt der "neue" Tw100 die Halle des Bertriebshof Tullastraße mit Linienturm, einem Scherenstromabnehmer BS55 einem mittigen Frontscheinwerfer, einer (eher untypischen ;-) ) IWS, und dem Lackschema der "Städtischen Straßenbahn" aus dem Jahr 1930. Bis auf wenige Umbauten an dem Wagen verkehrt der Tw100 bis heute im Rahmen von Sonderfahrten im Stadtgebiet Karlsruhe und auf der Albtalbahn.

Nun, jedoch zum eigentlichen Thema, meinem Spiegelwagen.
Der Wagen wurde nach Orginalplänen im Maßstab 1:22,5 realisiert.
Wie auf den Bildern noch zu erkennen sein wird, ist der Wagen noch lange nicht fertig, sondern eigentlich lediglich der Rohbau des Wagenkastens. Da ich mir nun aber sicher bin, dass ich den Wagen den allgemeinen (und meinen) Vorstellungen entsprechend umsetzen kann, habe ich mich dazu entschlossen, den weiteren Bauverlauf nun auch hier für alle Buntbahner lesbar zu dokumentieren.

Los ging das ganze mit dem Schleppdach. Das besondere daran ist, dass das Dach eigentlich aus zwei "Ebenen" besteht. (Siehe Bilder).
Da ich aber kein künstliches Schleppdach haben wollte, sondern ein richtiges war dies die erste Hürde, die es zu meistern galt.
In der allseits bewährten Plattenbauweise habe ich das Unterdeck aus Polystyrol gefertigt. Nach einer gefühlt ewigen Schleiferei war die Grundform letztendlich fertig.

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Auch dann ging es relativ flott vorran, sodass Tf "Faller" und Werkstattchef "Preiser" wenige Tage später schon den provisorisch eingebauten Linienturm begutachten können:

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Das Unterdeck und die Stege zu den Oberlichtern wurden in Polystyrolbauweise realisiert, das Oberdeck besteht aus einem einzigen Stück Messingblech, das auf die Stege aufgeklebt und verspachtelt wurde.

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Weitere drei Tage nachdem das Schleppdach so halbwegs fertig war, folgt der fertig verspachtelte Wagenkasten, gerade nach der Grundierung für den Lack.

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Während der Trocknungszeit und den Vorbereitungen zum Lackieren konnte außerdem die Elektronik im Dach soweit vervollständigt werden.
Wie das Orginal sollen im Fgr und pro Plattform (Plf) je eine LED den Wagen beleuchten. Zusätzlich bekommt jeder Linienturm eine LED.
Auch der Fgr und die beiden Plf sind bereits von innen lackiert.
Der erste Test auf dem provisorischen Fahrgestell lässt nun schon etwa erahnen, was das einmal für ein Gefährt geben soll:
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Hier das Orginal in der Wagenhalle des Betriebshof Tullastraße:

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Mit wenigen Teilen geht es nun weiter, die Fahrschaltertische wollen eingebaut werden, die Scheinwerfen auf den Plf müssen rein und die Sitzbänke im Fgr wollen noch lackiert werden.
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An der Stelle haben jedoch meine Erinnerungen versagt, wie das nächste Bild des echten Fahrschaltertisches zeigt. Die "leicht andere" Bauform soll im Modell doch hoffentlich nicht weiter auffallen ;-)
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Das Gröbste war somit erledigt, in einigen Tagen folgten nun die Zierleisten zum Dach hin, weitere Teile des Dachaufbaus und die Türen am Wagenkasten. Anders als ursprünglich geplant sind diese nicht beweglich gelagtert.
Ein weiterer Tag - der heutige - hat gereicht, um die größten Teile der Lackierung aufzutragen. Dies wurde größtenteils in Airbrushtechnik erledigt, da sauberer und gleichmäßiger. Der aktuelle Stand des Wagens sieht also nun folgendermaßen aus:

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Was nun noch fehlt...
... ist einiges! Da wären noch Zielfilme, reslicher Dachaufbau und Stromabnehmer, Fahrgestell und Elektronik. Und einige andere Kleinteile. Klingt nach wenig, ist aber doch einiges an Arbeit, besonders weil es mir an Bezugsquellen bzgl. Fahrgestell und Stromabnehmer fehlt.
(Wer hier ein paar brauchbare Tipps hat, darf die gerne in einer Antwort loswerden! :-) ).

Morgen geht's in der Stadt Material holen, die Zierleisten müssen noch drauf und die Fenster rein.
Und am Mittwoch geht's in die Wagenhalle zum großen Bruder, Bilder machen, sofern ich dazu komme.

Nun am Ende meines ersten richtigen Beitrags zu unserer Community hoffe ich, dass es allen soweit einigermaßen gefallen hat und dass derartige Postings (mit Geschichte, etc. etc.) hier so akzeptiert werden bzw. einigermaßen ankommen, trotz ihrer Größe ;-)
Wer Baufehler findet darf die gerne melden, denn nur so wird man besser. Ich wüsste da selbst einige, aber es ist eben doch mein erster :-D

Nun bleibt mir noch einen schönen Restsonntag zu wünschen und
auf ein paar Rückmeldungen zu hoffen, Grüße,
Sebastian (Zweisystemer)
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Lupinenexpress
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Re: Die neuen Wagen 1929 Karlsruhe

Beitrag von Lupinenexpress »

Hallo Zweisystemer,

erstmal: Schöner Bericht und schönes Fahrzeug.

Der Spiegelwagen ist einfach ein schönes Fahrzeug. Mein Karlsruher Favorit ist aber auf jeden Fall der 14, einer der ehm. Akku-Wagen, die du in deinem Bericht erwähnt hast. Irgendwann nehme ich den noch in meine Sammlung auf!

Es freut mich auch sehr zu sehen, dass du deinen Wagen offenbar in der einzig richtigen Regelspur von 64 mm baust :-)

Wer Baufehler findet darf die gerne melden, denn nur so wird man besser.
Die Fenster auf der Front-Seite gehen ein Stück zu weit nach unten. Das macht aber nicht wirklich viel. Da da eh noch eine Abdeckleiste entlang der Fensterkante verläuft, kann man das prima kaschieren.
So was ist mir bei meinen ersten Werken, bei denen ich alle Teile von Hand aussägen musste, auch schon passiert.



Und einige andere Kleinteile. Klingt nach wenig, ist aber doch einiges an Arbeit, besonders weil es mir an Bezugsquellen bzgl. Fahrgestell und Stromabnehmer fehlt.
Auf meiner Heimseite habe ich meine Bezugsquellen in meiner allgemeinen Baubeschreibung verlinkt: http://www.semmelbahn.de/fahrzeugbau.html


Hier habe ich auch eine reine Linkzusammenfassung: http://www.semmelbahn.de/links.html



alla hopp
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Re: Die neuen Wagen 1929 Karlsruhe

Beitrag von Zweisystemer »

Das freut mich zu hören! :-)
Wenn ich mir das Teil so ansehe denke ich mir als immer, ob ich es nicht einfach sein lassen soll, denn die auf Deiner HP beschriebenen Mittel wie CNC - Fräse etc. stehen mir eben nicht zur Verfügung. Ich weiß genau genommen nicht einmal, wie man einen gescheiten Bauplan mit entsprechender Software erstellt, von dem her ... ;-)
Meine "Pläne" sind "hochpräzise" Handskizzen, auf denen die grobe Form zu erkennen ist und die wichtigen Maße für das Teil drin stehen.
Reicht gerade zum vorne raus schauen, wenn das Hallentor offen ist, bevor es weiter geht :D

Vom Tw14 kann ich Dir morgen mal ein paar Aufnahmen machen, ich wollte sowieso dort vorbei ;-) Der hätte mich ansich eigentlich auch gereizt, aber für den habe ich keine Schlüssel, für alles andere schon. Und nur so von außen ran schauen ist irgendwie doof.

Und Du hast auch richtig erkannt, dass mein Tw100 auf Regelspur 64mm gebaut wird. Ich hatte es mir überlegt mit der45mm - Spur, hatte ihn drauf stehen, aber musste mir das Lachen schon schwer verkneifen ;-)
Der sieht so richtig komisch aus, auf der 45er - Spur, deshalb wenn dann richtig.
Die Tage müsste dann der Antrieb noch eintreffen und dann kann das Fahrgestell noch vom Provisiorium zum richtigen Fahrgestell umgebaut werden und ich bin gespannt wie er sich dann macht.

Das mit den Fenstern hatte ich mir genauso gedacht, als ich es gesehen habe, dass die zu tief sind. Die Zierleisten sind schon drüber, allerdings kommen die mir irgendwie komisch vor.
Sind die nicht irgendwie etwas zu dick geworden?
Ich hatte die am Orginal ausgemessen und die PS - Leisten schwarz lackiert und drauf geklebt, aber irgendwie passt da was nicht.
Die andere Seite ist: Wenn ich noch schmälere nehme, kriege ich das zu tief geratene Fenster nicht mehr ausgeglichen. Was tun also?
Derzeit sieht er jetzt gerade so aus, die ersten Zierleisten habe ich mal dran gemacht.

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Grüße,
Sebastian
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Re: Die neuen Wagen 1929 Karlsruhe

Beitrag von Lupinenexpress »

Wenn ich mir das Teil so ansehe denke ich mir als immer, ob ich es nicht einfach sein lassen soll
Nein, bloß nicht. Ich finde dein erstes Werk sehr gelungen. Und ein 2-Axa eignet sich dazu besonders gut. Ich habe mich in der vergangenen Zeit auch steigern können und habe auch noch Potential für die Zukunft.



Ich weiß genau genommen nicht einmal, wie man einen gescheiten Bauplan mit entsprechender Software erstellt, von dem her ... Winke
Ich nutze dazu Corel Draw. Die älteren Versionen bekommt man schon für wenige Euro. Für meine 11er habe ich vor Jahren 20 Euro gezahlt.
Das Programm ist eigentlich fast selbsterklärend.

Deiner HP beschriebenen Mittel wie CNC - Fräse etc. stehen mir eben nicht zur Verfügung.
Das macht nichts. Wenn du nur einen Wagen baust lohnt sich die auch nicht wirklich. Für das was ich so -als "studentenjob"- mache komme ich nicht mehr drumrum. Einen ganz besonderen Stellenwert hat inzwischen für mich der Laser, wobei ich da auch keinen habe. Da wende ich mich vertrauensvoll an einen Kollegen von der Spur 1. Lasern kann man aber auch bei anderen.





Der sieht so richtig komisch aus, auf der 45er - Spur, deshalb wenn dann richtig.
:bindafür:
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