Die elektrische Grubenbahn in Rüdersdorf bei Berlin

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Moderator: baumschulbahner

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Herzfelder Strassenbahn
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Die elektrische Grubenbahn in Rüdersdorf bei Berlin

Beitrag von Herzfelder Strassenbahn »

Hallo Freunde des Modellbaus in großen Spuren,

heute möchte ich eine vergessene Grubenbahn vorstellen, die wahrscheinlich dafür verantwortlich ist, das mich dieser fiese E-Lok-Virus :bgdev: erwischt hat und nicht mehr losläßt...

Wie in meinen Selbstbaubericht über die EL-3

modellbau/viewtopic.php?t=7309&start=0& ... highlight=

geschrieben, habe ich eine frühkindliche Erinnerung daran, das in meinen Heimatdorf Herzfelde "grüne" E-Loks fuhren, die den Abraum aus dem Kalksteintagebau Rüdersdorf auf die heute noch vorhandene Halde bei uns in Herzfelde abkippten. Heute erinnert aber nichts mehr daran und Zugezogene oder Spätgeborene mögen mich für einen Spinner halten, wenn ich davon erzähle. :stupid:

Wie es aber der glückliche Zufall will, habe ich diese Woche einen ehemaligen Lokführer dieser Bahn getroffen, der 1. mein Interesse an der Bahn nicht "strange" findet, der 2. etliche Bilder aus dieser Zeit hat und 3. ausdrücklich der Veröffentlichung hier und in einer eventuellen Dokumentation zugestimmt hat.

Deshalb hier die Geschichte von Anfang an:
Eine geologische Störung drückte in unserer Gegend Kalkstein aus dem Triasmeer bis an die Erdoberfläche... (ok, das war zu viel Anfang :twisted: :twisted: :twisted: , mehr Geologie und Geschichte des Rüdersdorfer Kalkabbaus unter www.museumspark.de). Fakt ist, seit dem Mittelalter wird in Rüdersdorf Kalkstein abgebaut, bis aus den "Kalkbergen" ein Tagebau wurde. Zunächst wurden Kanäle zum Abtransport in den Tagebau geführt, nach Fortschreiten des Abbaus Eisenbahnwaggons per Schrägaufzug in den Tagebau abgelassen und später auch eine Grubenbahn auf 900mm Spur installiert.

Diese wurde wie üblich mit Dampfloks betrieben. Auf dem ersten Bild sehen wir eine solche Lok Ende der 50iger Jahre mit Heizer und Lokführer.
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Aus dem Heizer wurde später übrigens der E-Lokführer :idea: :!:
Zunächst musste er einen schweren Unfall überstehen, der am 05.Juli 1960 der Dampflok und ihren Kippern buchstäblich den Boden unter den Rädern verlieren ließ.
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Der Zug war auf dem Weg zur Halde zwischen dem Rüdersdorfer Tagebau und Hennickendorf als die Strecke wegsackte und sich das Zugpersonal nur durch einen kühnen Sprung retten konnte.

1962 wurde die Grubenbahn elektrifiziert und der Abraum auf den Feldern zwischen Rüdersdorf und Herzfelde auf einer entstehenden Hochkippe abgeladen. Die Fahrleitungsspannung betrug seltene 900 V. Die elektrische Ausrüstung und die Fahrzeuge (insgesamt 5 Loks, 3x 44t SSW, 1x 60t BBC und eine unbekannte Ausführung) wurden von einer Braunkohlegrube übernommen, welche habe ich noch nicht herausgefunden.
Bemerkenswert ist das die Fahrleitungsanlage zunächst mit seitlich versetzter Fahrleitung ausgerüstet war (wie in Hirschfelde) und die Lok auf den Vorbauten jeweils zwei Pantographen nebeneinander hatte.
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Wir sehen hier eine der 44-Tonnen SSW-Loks von denen 3 vorhanden gewesen sein sollten.

Die Verladung im Tagebau erfolgte zunächst durch einen großen Eimerkettenbagger:
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Später wurde die auch in der Braunkohle verwandte Seitenfahrleitung installiert und ein mit Gleichspannung :!: betriebener Löffelbagger aus sowjetischer Produktion belud die 16 Kubikmeter Einseitenkipper. Der Bagger ist übrigens noch vorhanden und wird bei den Jeepsafaris des oben genannten Museumparks gern gezeigt.
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Das nächste Bild zeigt einen Grubenbahnzug beim Verkippen auf der Halde. Die 44t-Lok ist jetzt mit Seitenstromabnehmern ausgerüstet.
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Dabei fiel genug Abraum zwischen die Gleise und die Brigade mußte zum "Nacharbeiten" ran. Man beachte den "Gleispflug" auf der rechten Seite :idea: :!:
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Die technische Ausrüstung der Bahn war sehr spartanisch. An der Gemeindegrenze zwischen Herzfelde und Rüdersdorf war der "Bahnhof". Dort wurden die Züge umgesetzt, so das die Lok immer die Waggons in den Tagebau oder auf die Halde schob. In den sechziger Jahren war das Abraumaufkommen so hoch, das im 3-Schicht-System gearbeitet wurde und die Tagebauzufahrt sogar zweigleisig ausgeführt wurde.
Außerdem waren im "Bahnhof" eine Wartungsgrube und einige Abstellgleise vorhanden. Die Loks standen unter freien Himmel abgestellt. Für größere Wartungen war eine Werkstatt an der heutigen Bundesstrasse 1 vorhanden. Manchmal wurden Reparaturen auch auf offener Strecke ausgeführt:

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Das letzte Bild zeigt die größere 60t-Lok von BBC kurz vor Einstellung des Betriebes:
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Im Hintergrund sieht man die Gleichrichterstation für die Energieversorgung der Bahn. Dieses Gebäude wurde erst in den 90iger Jahren abgerissen.
Wie man am Revisionsdatum sieht, war die Lok 1971 zur letzten HU. 1972/73 wurde der Betrieb auf der ca. 4 - 5km langen Strecke eingestellt.

Der Kalkabbau wurde umgestellt, der Kalk wurde bereits im Tagebau in Brecheranlagen zerkleinert und per Bandanlage in das Kalk- bzw. Zementwerk befördert. Der Abraumtransport erfolgte dann per Lkw.

Die Verschrottung des Fuhrparks erfolgte im "Bahnhof" und zog sich bis 1974 hin. Ich habe als Kind noch zwischen den verrosteten Kippwaggons gespielt und dort auch eine "Brücke auf Rädern" gesehen - heute weiß ich - es war eine Gleisrückmaschine :idea: :!:

Mit nur zehn Jahre Einsatzzeit, zwei verschiedenen Fahrleitungssystemen und Altbau-E-Loks verschiedener Bauart ist die vergessene Rüdersdorfer Grubenbahn auf jeden Fall bemerkenswert und hat sogar ein Superlativ zu bieten - die nördlichste elektrische 900mm-Grubenbahn in Deutschland :twisted: :!:

Schönen Abend allen E-Lok-Begeisterten
wünscht Bert

der seinen Nicknamen nicht ändern wird :!: :!: :!:

PS: Ich mußte die Lokomotivhersteller noch einmal korrigieren: 2- BBC (die 60t-Lok) und 3- ist SSW (die 44t-Loks). Hat aber bisher keiner gemerkt...
Zuletzt geändert von Herzfelder Strassenbahn am Mo 22. Jun 2009, 20:51, insgesamt 2-mal geändert.
Max Hensel
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Re: Die elektrische Grubenbahn in Rüdersdorf bei Berlin

Beitrag von Max Hensel »

Hallo Bert,
da hast du uns ja wieder tolle historische Fotos gezeigt. Vielen Dank dafür.
Wenn die Bahn auf 600mm fahren würde, hätte sie mir besser gefallen :loldev:

Viele Grüße, Max.
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bahn-stephan
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Re: Die elektrische Grubenbahn in Rüdersdorf bei Berlin

Beitrag von bahn-stephan »

Hallöchen Bert !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Eine schöne Geschichte zu der Bahn, und dann noch mit so viel Fotos. Für einen ex Grubenbahner einfach geil.
War 'ne sehr gute Idee hier, und wenn 'de wieder was hast . . . . . . .

Grüße
Bahn-Stephan
Garten(45)- Feld(500)- und Draisinen(1435) Fahrten und jetzt noch 5+7 Zoll !
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